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Bundesregierung setzt bei Flüchtlingskindern weiter auf Diskrimierung.

Am Mittwoch vormittag hat der Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestages abgelehnt, dass in Zukunft auch Kinder von Asylbewerber/innen einen Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung haben. Ein entsprechender Antrag der SPD-Fraktion fand keine Mehrheit in den Koalitionsfraktionen. Die Bundesregierung kündigte aber an, bis Ende des Jahres Eckpunkte für eine gesetzliche Neuregelung des Asylbewerberleistungsgesetzes […]

Am Mittwoch vormittag hat der Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestages abgelehnt, dass in Zukunft auch Kinder von Asylbewerber/innen einen Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung haben. Ein entsprechender Antrag der SPD-Fraktion fand keine Mehrheit in den Koalitionsfraktionen. Die Bundesregierung kündigte aber an, bis Ende des Jahres Eckpunkte für eine gesetzliche Neuregelung des Asylbewerberleistungsgesetzes vorzulegen (Pressemitteilung des Bundestages).

Es ist ein Seitenaspekt mit großer symbolischer Bedeutung: Kinder und Jugendliche von Asylbewerber/innen haben bisher keinen Anspruch auf die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung. Danach erhalten Kinder aus Hartz4-Familien Zuschüsse z.B. für kostenloses Mittagessen in der Schule, Kindergarten oder Hort; Kosten für Schulausflüge und Klassenfahrten sowie Mitgliedsbeiträge für den Sportverein oder für den Musikunterricht können übernommen werden. Den meisten Kinder von Asylbewerber/innen bleiben diese Zuschüsse aber verwehrt, obwohl die Familien selbst im Vergleich zu Hartz4-Empfänger/innen sehr viel weniger Geld zur Verfügung haben.

Dabei schien eine Einigung nahe: Auf der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister im November 2010 hatte Bundesministerin Ursula von der Leyen zugesichert, dass das Bildungspaket allen Kindern zugute kommen soll. Noch am vergangenen Freitag hatte der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, junge Asylbewerber an den Leistungen zu beteiligen (Migazin vom 26.9.2011, Beschlussantrag).

Aus Sicht unserer Kampagne hat dieser Streit eine hohe symbolische Bedeutung. Es können und dürfen keine Unterschiede zwischen Flüchtlingskindern und „deutschen“ Kindern bei der soziokulturellen Teilhabe gemacht werden. Das verbietet auch die von der Bundesregierung mittlerweile anerkannte UN-Kinderrechtskonvention. Es ist erschreckend, dass die Bundesregierung hier nicht über ihren eigenen Schatten springen will.

Gleichzeitig hätte eine Beteiligung am Bildungspaket für Flüchtlingskinder kaum Auswirkungen. Zum einen lässt schon das im Asylbewerberleistungsgesetz verankerte Sachleistungsprinzip eine wirkliche Teilhabe kaum zu. Was nützt die Übernahme der Mitgliedsbeiträge für einen Sportverein, wenn die Busfahrt zum Training nicht aus den Gutscheinen bezahlt werden kann? Zum anderen stellt sich das Bildungs- und Teilhabepaket selbst zunehmend als bürokratisches Monster heraus. Nach einem Beitrag des Bremer Weserkuriers ist das Paket bisher erst bei einem Drittel der eigentlich anspruchsberechtigten Bremer Kinder- und Jugendlichen angekommen (Weserkurier vom 27.9.2011). Im schlimmsten Fall dient das Paket nur dem Nachweis, dass der Staat Mittel zur soziokulturellen Teilhabe von bedürftigen Kindern ausgibt, ohne dass die Betroffenen davon selbst in ausreichendem Maße profitieren.

Insofern verdeutlicht der Streit um das Bildungs- und Teilhabepaket, wie groß die Vorbehalte der Bundesregierung gegen ein Ende der Diskriminierung noch sind. In unserer Kampagne streiten wir dafür, dass das Asylbewerberleistungsgesetz insgesamt aufgehoben wird, weil es als solches primär der Diskriminierung und Abschreckung dient. Vor allem die Kinder von Flüchtlingen sind davor zu schützen, um ein Aufwachsen in Würde zu garantieren. Wie wichtig dies ist, zeigen anhaltende Proteste und Boykottaktionen von Flüchtlingen. Am Mittwoch berichtete das Schwäbische Tagblatt anschaulich über die Proteste in Weilheim (Baden-Württemberg) gegen das im Asylbewerberleistungsgesetz verankerte Sachleistungsprinzip (Schwäbisches Tagblatt vom 28.9.2011).

 

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Autor*innen

Dr. Günter Metzges, Jahrgang 1971, ist Politikwissenschaftler und Erwachsenenpäda­goge. Mitgründer von Campact und lange Zeit Mitglied im geschäftsführenden Vorstand. Vorher: Gründung des Ökologischen Zentrums in Verden/Aller und Mitwirkung in verschiedenen politischen Kampagnen. 2000-2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationale und Interkulturelle Studien (InIIS) an der Universität Bremen. Dissertation: „NGO-Kampagnen und ihr Einfluss auf internationale Verhandlungen“ (Nomos Verlag, 2006). Alle Beiträge

8 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich bin gegen dieses bürokratische Bildungspaket und begrüße die Entscheidung, dass es nicht auf Migrantenkinder ausgeweitet wurde. Ich muss für meine Kinder Studiengebühren bezahlen und bekomme keine Unterstützung, soll jedoch mit meinen Steuergeldern jede Wohltat (auch Finanzkrise) mitfinanzieren. Solange wir keine kontrollierte Einwanderungspolitik haben, bin ich gegen eine Vereinheitlichung. Bei 1,34 Kinder je Familie in Deutschland würden die kinderreichen Familien „unserer Gäste“ über Gebühr profitieren.

    • Sehr geehrter Herr Esser,
      mit Hinweis auf die Studiengebühren für Ihre Kinder und mit dem schrägen Argument der hohen Kinderzahl – welche ? – bei den Flüchtlingsfamilien wollen Sie die Kinder der Ärmsten der Armen vom Bildungspaket ausgeschlossen wissen. So weit – so schlecht.
      Wenn Sie dann aber Ihre Haltung ausschmücken mit dem fürsorglichen Gerede, Flüchtlingskinder blieben durch den Ausschluss ja vom „bürokratischen Bildungspaket“ verschont, so ist das eine ordentliche Portion Scheinheiligkeit.
      Mit freundlichem Gruß
      Hubertus Romahn
      P.S. Sind Sie am Ende auch noch ein campact-Aktionist gegen Studiengebühren ?

  2. Leider haben meine Kinder selbst Anspruch auf das Bildungspaket, und vermutlich gehören wir auch in Köln zu den bisher unbeachteten Zweidritteln. Die zuständigen Behörden kommen nicht nach…
    Wenn doch das Geld, das jetzt in diese bürokratische Umstrukturierung gesteckt wird und darin versickert, einfach und ganz unbürokratisch allen
    Kindern und Familien zukommen würde, die es wirklich brauchen- also auch
    Flüchtlingskindern!!!

  3. Im Zeichen der Globalisierung und der gesamten Welt „Krise“ ist mir ungereiflich, dass Seitens der Regierung nicht gesehen wird, was sie mit derartigen Entscheidungen anrichten! Aber wer weiss, ob das mit Absicht geschieht.
    Wir sind leider mittlerweile alzu gut informiert um „fuesse still zu halten“. Hier muss dringend etwas geschehen! Wie in so vielen anderen Dingen auch!!! AKTION!

  4. Lieber Jan,

    guter Punkt. Würde uns auch interessieren. Leider lässt die Transparenz über Diskussionen und Abstimmungen in Fachausschüssen wie für Arbeit und Soziales zu wünschen übrig. Informationen zum Ausschuss findest Du hier: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a11/index.jsp.

    Für wichtige Plenumsentscheidungen gibt es mittlerweile eine ganz gute Aufarbeitung durch das ZDF-Parlameter: http://parlameter0.zdf.de/flash09/Bundestag.swf .

    • Das kann man in der Regel sogar ziemlich leicht erkennen, und zwar aus den „Beschlussempfehlungen“ bzw. Berichten der Ausschüsse:
      Dort wird zu den Abstimmungen zu Anträgen usw. in der Regel (fast wörtlich) mitgeteilt: „Antrag angenommen / abgelehnt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD“, usw. Daraus läßt sich schließen, dass alle Mitglieder der entsprechenden Fraktion so gestimmt haben. Und wer die Mitglieder sind, kann man auf der Bundestagsseite sehen.
      Grüße, W. S.

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