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Ein bisschen mehr regulieren – EU-Parlamentarier stimmen über Nahrungsmittelspekulation ab

Im Parlament will man mehr Regulierung als die Kommission vorgeschlagen hat. Aber für ein Ende der Spekulation mit Weizen und Mais auf europäischen Börsen reicht das nicht aus.

Ein Ringen bis zum Schluss – heraus kam ein Kompromiss mit Schwachstellen. Gestern stimmten EU-Parlamentarier im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) über eine stärkere Regulierung der Agrarrohstoffbörsen ab. Das Ergebnis: Im Parlament will man mehr Regulierung als die Kommission vorgeschlagen hat. Aber für ein Ende der Spekulation mit Weizen und Mais auf europäischen Börsen reicht das nicht aus. Dafür hat der Vorschlag Schlupflöcher bei den Grenzen für Spekulation und geht Verbote bestimmter Finanzprodukte überhaupt nicht an.

Einen Erfolg gibt es bei Positionslimits – Obergrenzen für die Anzahl der Verträge, die jeder Händler abschließen darf. Seit Monaten forderten wir sie im Verbund mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Obergrenzen würden die Spekulation großer Finanzinvestoren ausbremsen, die die Preise zum Schwanken bringen kann, und ihrer Marktkonzentration entgegenwirken. Die Kommission wollte Positionslimits “oder alternative Regelungen gleichwertiger Wirkung” – so unverbindlich hätte das in der Umsetzung weiter freies Spiel für die Spekulanten bedeutet. In der abgestimmten Position des ECON-Ausschusses stehen jetzt Positionslimits als verbindliche Maßnahme.

Das sah zwischenzeitlich anders aus. Eine Flut von Änderungsanträgen der Konservativen und Liberalen forderten weniger Verbindlichkeit und weniger Pflichten für Banken und Hegdefonds. Der deutsche CDU-Abgeordnete Werner Langen wollte etwa die Limits ganz streichen. Berichterstatter Markus Ferber (CSU) nahm seinem ersten Vorschlag mit eigenen Änderungsanträgen die Schärfe. Wir reagierten mit einem Online-Appell an Ferber und Langen und suchten die inhaltliche Auseinandersetzung mit ihnen in Briefen und Gesprächen. Dass unser Protest etwas gebracht hat, zeigt das heutige Abstimmungsergebnis.

Die Positionslimits gibt es allerdings nur mit Schlupflöchern: So gelten die Obergrenzen nicht zwingend für alle Handelsmonate und können daher umgangen werden. Sie umfassen kaum den unkontrollierten Handel außerhalb der Börsen: Nur wenn die Geschäfte schon auf kontrolliertere Handelsplätze, die neu geschaffenen OTS-Märkte, geleitet wurden, werden sie erfasst. Ob man als Händler die Obergrenze erreicht, beruht auf einer Gegenrechnung von Kauf- und Verkaufpositionen. Viel genauer wären Grenzen, wenn sie sich getrennt auf die Kauf- und Verkaufpositionen beziehen würden. Hier sind also einige Schlupflöcher vorhanden, die sich Spekulanten zunutze machen könnten.

Positiv ist, dass die europäische Kontrollbehörde ESMA die Möglichkeit hätte, die Limits nach Händlerklassen zu differenzieren. Sie könnte also den Handel von Indexfonds oder Hedgefonds mit Agrarrohstoffen besonders begrenzen. Dies beschloss der ECON-Ausschuss nach einem Antrag der Sozialdemokraten noch in letzter Minute.

Eine wichtige unserer Forderungen, die die Nahrungsmittelspekulation von Indexfonds schlicht beenden würde, stand am Ende gar nicht mehr zur Abstimmung: das Verbot von Indexfonds auf den Agrarrohstoffmärkten. Zuvor hatten Sozialdemokraten und Linke im Parlament die Forderung nach dem Verbot bestimmter Finanzprodukte erhoben, konnten sich damit aber leider nicht durchsetzen.

Nach dem Parlament ist nun der Ministerrat an der Reihe, seine Position zur Regulierung der Rohstoffbörsen abstimmen. Auch das Plenum des Parlaments wird die Abstimmung des ECON-Ausschusses noch billigen müssen. Erst wenn sich beide Parlament und Rat einigen können, wird die Finanzmarktrichtlinie (MiFID) zum Gesetz. Hier müssen die vorhandenen Schlupflöcher geschlossen und weitere Regulierungsmaßnahmen beschlossen werden. Dafür werden wir weiter streiten!

Da die Entscheidung der Finanzminister als nächstes ansteht, werden wir in den kommenden Wochen die über 100.000 von Campact, Attac, Oxfam und Misereor gesammelten Unterschriften an Bundesfinanzminister Schäuble übergeben. Und zum Welternährungstag machen wir mit einer weiteren Großaktion auf das Thema Nahrungsmittel-Spekulation aufmerksam. Als Protestorchester schlagen wir mit Hunderten von Menschen auf 925 leeren Töpfen Alarm. Die Zahl steht für die 925 Millionen derzeit Hungernden weltweit. Am Sonntag, den 14. Oktober können Sie mit dabei sein!

Schon jetzt hat die Aktion Hunderte Unterstützer/innen: Hunderte von Paketen mit Töpfen, zum Teil wunderschön mit eigenen Slogans gestaltet, haben in den letzten zwei Wochen das Campact-Büro geflutet und die Postboten ins Schwitzen gebracht. Wir haben die ungeheure Zahl von 925 Töpfen jetzt erreicht. Vielen Dank für Ihre tollen Topfspenden!

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Autor*innen

Astrid Goltz, Jahrgang 1983, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Chile studiert. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich in Umweltprojekten aktiv, zuletzt bei den Klimapiraten. Hauptamtlich hat sie für die BUNDjugend zum ökologischen Fußabdruck gearbeitet und für den BUND das Klimaforum Bonn 2010 mit organisiert. Ihre Schwerpunktthemen als Campaignerin bei Campact sind Gentechnik und Agrarpolitik sowie Flüchtlingspolitik. Alle Beiträge

7 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Agrar- u. Lebensmittelspekulanten und die Nutznießer dieser Spekulationen sind Mörder, Kindesmörder und Menschenmörder, denn sie entziehen Millionen von Menschen die Existenzgrundlage für deren Leben. Das muß tagtäglich auch genauso unverblümt und möglichst laut gesagt werden. Denn sie unterscheiden sich in ihrer Skrupellosigkeit und Geldgier kein bißchen von gewissenlosen Dikatoren und deren Schreckens-Milizen.
    Aber als eine ebenso große Schande ist für uns alle, die wir den sogenannten Industriestaaten angehören, dass wir mehrheitlich taten- und protestlos unseren Regierungen bei ihrem (scheinbar) kopflosen Treiben zusehen, wie sie die Banken, den Euro und „unsere“ Reichen stützen und schützen und hierfür den sauer erarbeiteten Erwerb der ‚kleinen Leute‘ in Milliarden- und Billionen-Höhe verplempern, dabei aber gleichzeitig die Hilfsgelder für all jene Organisationen gnadenlos und völlig ungeniert kürzen, welche sich für die humanitären Hilfen in diesen ausgebeuteten Regionen einzusetzen versuchen; von den Schuldentürme die so ganz nebenbei für uns und unsere Enkel u. Urenkel in geradezu babylonischer Höhe aufgebaut werden, will man ja erst gar nicht reden!
    Es ekelt mich an, dieses Geschwätz vom drohenden Kollaps des Euro und der Europäischen Union und den angeblichen Alternativlosigkeiten die uns dafür aufgezwungen werden, für diese selbstverschuldete und ständig neu inszenierte Wertevernichtung dieser wildgewordenen Raubtier-Kapitalisten. Sie ekeln mich, diese unverfrorenen Lügengeschichten, die wir uns tagtäglich von den Medien auftischen lassen. Dieses Totschweigen der Zusammenhänge, dieses Weglächeln kritischer Stimmen, dieses Lächerlich-Machen der Mahnenden erzeugt mir einen ständigen Brechreiz!
    Vor Jahrzehnten habe ich mich noch für die Untaten des Hitlerreiches geschämt und habe die Untätigkeit unserer Väter und Mütter dabei kritisiert… heute – nicht mehr jung sondern mehrfache Großmutter, heute schäme ich mich vor meinen Enkeln, dass wir alle, die wir im Wohlstand leben, ebenso untätig, gedanken- und verantwortungslos diesem weltumfassenden Unrecht zusehen, durch welches Jahr für Jahr weit mehr Millionen Menschenleben ausgelöscht werden als dies in den Weltkriegen des letzten Jahrhunderts geschehen ist und dabei profitieren wir ‚Herrenmenschen‘ noch davon und vermehren den Wohlstand und Reichtum unserer Länder auf Kosten dieses Geschehens. Und nicht weniger ekelerregend dabei ist, dass auch wir stets ganz wunderbare Ausreden für uns selbst und unser (mögliches) Gewissen finden, weshalb das halt alles so ist wie’s ist und dass man ja doch nichts dagegen machen kann (oder will). – Hört, hört…diese Sprüche haben schon vor mehr als hundert Jahren gute Dienste geleistet –
    Je älter ich werde, desto mehr scheint mir, dass ‚der Mensch‘ unbelehrbar ist und sich nur sehr partiell seit den Zeiten des Neandertalers weiter entwickelt hat… wenn überhaupt! Denn fressen wir nicht letztlich immer noch millionenfach unsere schwächeren Mitmenschen auf, wenn auch auf einem anderen Niveau und mit anderen „Methoden“???!

  2. Was ich nicht so recht verstehe, aber vielleicht kann mir das hier bitte jemand erklären:
    Wenn ich durch eine Handlung den Tod eines Menschen verschulden würde (selbstverständlich unbeabsichtigt), würde ich dann nicht trotzdem zur Rechenschaft gezogen? Nach dem Motto: Dummheit schützt vor Strafe nicht.

    Wenn meine Handlung aber im vollen Bewusstsein erfolgt, dass ich damit großen Schaden anrichte, der möglicherweise nicht nur den Tod eines, sondern sogar von vielen Menschen zur Folge hat und meine Handlung speziell mir, aber auch noch ein paar anderen sehr viel Geld einbringt, dann wäre sie plötzlich in Ordnung – also zumindest so weit in Ordnung, dass sie nicht ganz selbstverständlich unterbunden wird und offenbar auch nicht rechenschaftspflichtig ist?

  3. Ich glaube, man kann noch so viele Gesetze gegen Spekulationen in puncto Nahrungsmittel erlassen, wer spekulieren WILL, wird immer ein noch so kleines Schlupfloch finden, um spekulieren zu können.
    Es ist, als würde man lediglich die Symptome einer (SUCHT)Krankheit behandeln – anstatt die Ursache für diese zu bekämpfen …
    Mit anderen Worten:
    Man sollte die Menschen tatsächlich im Innersten erreichen, wenn man auf Dauer erzielen möchte, dass sie z.B. nicht mehr spekulieren WOLLEN (!) …
    Und das ist natürlich schon recht schwer.

  4. Die Nahrungsmittelspekulanten haben mehr Leute als jeglicher Diktator etc. am Gewissen. Um diese Art von Arbeit zu machen, muss man wirklich gut den Hintergrund ausblenden können und nichts hinterfragen! Schrecklich, erinnert mich fast ein bisschen an die NS-Zeit, wo die KZ-Wächter eine ähnliche Ausblendungsfähigkeit besessen haben müssen.

  5. Keine Spekulation mit Lebensmitteln
    Während Spekulanten, Banken und Investmentgesellschaften mit Lebensmitteln Kasse machen, steigt die Zahl der Hungernden weltweit!
    Dagegen protestiert die Initiative handle-fair.de!

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