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Laut gegen Nahrungsmittel-Spekulation: Protest-Orchester schlägt auf leeren Töpfen Alarm

Wir sind viele und wir sind laut: Das Protest-Orchester gegen Nahrungsmittel-Spekulation gab heute vor dem Brandenburger Tor in Berlin ein unüberhörbares Platzkonzert. Angesichts des Hungers von 868 Millionen Menschen zum diesjährigen Welternährungtag schlugen über 400 Menschen auf leeren Töpfen Alarm.

Wir sind viele und wir sind laut: Das Protest-Orchester gegen Nahrungsmittel-Spekulation gab heute vor dem Brandenburger Tor in Berlin ein unüberhörbares Platzkonzert. Angesichts des Hungers von 868 Millionen Menschen zum diesjährigen Welternährungstag schlugen über 400 Menschen auf leeren Töpfen Alarm.

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Über 400 Menschen waren gekommen – das übertraf unsere besten Erwartungen. Im schönsten Sonnenlicht stiegen sie mit Topf und Löffel auf die Podeste, die wir wie ein Orchester im Halbkreis vor dem Brandenburger Tor angeordnet hatten. Aber zuerst kam Stille: Christoph Bautz von Campact forderte die Teilnehmer/innen zu einer Schweigeminute auf. Alle dachten an die Menschen, für deren Recht auf Nahrung wir heute auf die Straße gingen. Und bewegend schloss er mit der Frage an, ob wir uns das vorstellen können: keine Mittel zu haben, uns selbst und unsere Kinder zu ernähren.

Dann brachte das Protest-Orchester die Töpfe zum Klingen: Ein Geklapper und Getöse, dass über den Platz hinaus hallte und die Passanten zum Stehenbleiben brachte. Dank Dirigent und Sambaspieler Tino wurde Lärm zu Rhythmus, durchbrochen von unserer Botschaft, die alle gemeinsam riefen: „Nahrung ist ein Menschenrecht, mit dem Essen zockt man nicht!“

Protest-Orchester gegen Nahrungsmittelspekulation – Fotos cc-by-nc: Jakob Huber für Campact

Unsere anschließende Demo zum Kanzleramt zog die Aufmerksamkeit auf sich: Durchs ganze Regierungsviertel und bis zum Hauptbahnhof erklang der Lärm Hunderter von Töpfen. In einem bewegten und bunten Zug erreichten wir das Kanzleramt. Dort fand die Abschlusskundgebung statt.

Jan Urhahn von Oxfam erklärte auf der Kundgebung, wie schon kleine Preisschwankungen an den Agrarbörsen Menschen in den Hunger treiben können, die einen Großteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Markus Henn von Weed beschrieb, wie die Banken und Indexfonds Profite mit Nahrungsmitteln machen können. Und Jutta Sundermann von Attac forderte am Ende alle dazu auf, die eigene Bank vom Ausstieg aus dem Geschäft mit dem Hunger aufzufordern und sich unseren nächsten Aktionen anzuschließen.

Unser Protest gegen Nahrungsmittel-Spekulation erklingt zum richtigen Zeitpunkt: In den kommenden Wochen entscheiden Finanzminister Schäuble und seine EU-Kollegen in Brüssel, ob der exzessiven Spekulation an den europäischen Agrarbörsen ein Riegel vorgeschoben wird. Mit der Aktion machten wir auf eine Ursache für den Hunger aufmerksam. Und zwar auf eine besonders zynische, die vor unserer Haustür behoben werden kann: in Brüssel.

Die Finanzmarkt-Richtlinie, die die Zockerei mit Mais und Getreide beenden könnte, hat vor Kurzem die erste Hürde im Europaparlament genommen. Im Wirtschaftsausschuss einigte man sich auf einen Kompromiss. Er ist besser als der Vorschlag der Kommission, hat aber noch Schlupflöcher aufzuweisen. Er enthält die verbindlichen Positionslimits, für die wir über Monate im Parlament gestritten hatten. Durch einige Lücken im Gesetzestext können sie aber umgangen werden. Wir berichteten im Blog.

Jetzt ist der Ministerrat an der Reihe, die Gesetzeslücken zu schließen und weitere Maßnahmen zur Regulierung der Börsen zu beschließen. Voraussichtlich im November wird er über die Richtlinie abstimmen. So lange haben wir noch Zeit, Finanzminister Schäuble zu einem lauten und deutlichen Einsatz gegen Nahrungsmittel-Spekulation zu bewegen. Denn Deutschlands Stimme hat besonderes Gewicht in Europa.

Das Medienecho unseres heutigen Protest-Orchesters wird auch Herrn Schäuble zu Ohren kommen. Er kann sich jetzt schon auf unseren Besuch freuen: in den nächsten Wochen werden wir ihm die über 100.000 Unterschriften unter unseren Appell persönlich überreichen. Dabei kommen die Töpfe noch einmal zum Einsatz.

Danke an die Spender/innen der 868 Töpfe. Viele wurden mit viel Liebe bemalt und mit politischen Botschaften gestaltet. Wie wir von 30 Töpfen auf 1.000 kamen, erfahrt ihr in diesem Blogeintrag. Nach ihrem erneuten Einsatz werden wir die noch brauchbaren Töpfe an eine Hilfsorganisation spenden.

Das war ein großartiger Krach heute. Vielen Dank an alle, die mit uns gegen den Hunger getrommelt haben!

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Autor*innen

Astrid Goltz, Jahrgang 1983, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Chile studiert. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich in Umweltprojekten aktiv, zuletzt bei den Klimapiraten. Hauptamtlich hat sie für die BUNDjugend zum ökologischen Fußabdruck gearbeitet und für den BUND das Klimaforum Bonn 2010 mit organisiert. Ihre Schwerpunktthemen als Campaignerin bei Campact sind Gentechnik und Agrarpolitik sowie Flüchtlingspolitik. Alle Beiträge

20 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Hallo, persönlich bin ich ein Mensch, der überzeugt ist, dass wir einen Markt für Agrarrohstoffe brauchen. Dieser Markt hat für uns alle enorme Vorteile wie berechenbare Preise im Supermarkt .

    Das die Instrumente des Marktes auch benutzte werden um damit Profit zu machen ist klar und wird nie ganz vermieden werden können.

    Das Problem, dass die Spekulation (ohne reale Nachfrage) so gut funktioniert ist wie schon angesprochen Blödsinn wie Biosprit; der das Angebot schrumpt und damit erst den Nährboden der Spekulation gibt. Es gibt aber auch andere äußere Einflüsse wie Dürren oder eben die steigende Weltbevölkerung für die niemand etwas kann.

    Gerade als Deutscher sollte man sich da auch an die Nase fassen. E10 Sprit und der Irrglaube ein Recht auf zum Beispiel unlimitierten Fleischkonsum zu haben.

  2. Nahrungsmittelspekulationen sind nicht die Ursache für den Hunger, sie verschärfen ihn evtl nur. Das Problem bleibt bestehen, und liegt bekanntermaßen darin, dass die Industrienationen auf Kosten der armen Länder Leben und ihnen die Lebensmittelgrundlage entziehen. Hier ist das Essen viel zu billig, so dass Tonnen davon jeden Tag weggeschmissen werden.

    Ich finde die Aktion von compact an sich gut, aber sie gibt kein Gefühl dafür dass viel umfangreichere destruktive Strukturen u.a. in der Politik und der Wirtschaft diesem Übel zugrunde liegen. Die Menschen müssten sich darüber empören, dass bei uns die Lebensmittel so stark subventioniert werden, dass die Industrie und die Massentierhaltung immer noch begünstigt und gefördert werden.
    Angesichts der schreiend ungerechten Zustände, vor denen die meisten einfach die Augen verschließen, denn der Konsument hat ebenfalls die Macht diese Zustände von Grund auf anzugreifen und zu kritisieren, sieht die Topfschlag-Aktion einfach wie eine tolle Spaßveranstaltung aus um mal zu zeigen wie engagiert man doch ist, und wie böse die Banken doch sind.
    Sein eigenes zerstörerises Konsumverhalten mag kaum einer überdenken.

    „Christoph Bautz von Campact forderte die Teilnehmer/innen zu einer Schweigeminute auf. Alle dachten an die Menschen, für deren Recht auf Nahrung wir heute auf die Straße gingen.“

    …. und Abends gibts wieder das Steak auf den Teller. -.-

    • Nahrungsmittel-Spekulation ist nicht die alleinige Ursache für Hunger, sie kann allein Preisschwankungen verstärken und Lebensmittel künstlich verteuern. Sie nennen einige weitere sehr wichtige Gründe, die ebenfalls Beachtung verdienen. Wir wollen mit unseren Aktionen konkrete Forderungen an die Politik stellen im jeweiligen Zeitraum, in dem ein Politikwechsel möglich ist. Aus diesem Grund sind wir zum diesjährigen Welternährungstag gegen Nahrungsmittel-Spekulation auf die Straße gegangen. Natürlich muss sich darüber hinaus sehr viel ändern – die Ungleichheiten zwischen armen Ländern und Industrieländern sind ungeheuerlich. Wir ermuntern alle Bürger/innen, sich zu informieren und in diesen Feldern zu engagieren. Mit unseren Aktionen tun wir einen ersten Schritt. Denn wir denken, dass Aktionen, die von den Verantwortlichen in der Politik vor wichtigen Entscheidungen das einfordern, was sie konkret umsetzen können, einen wichtigen Beitrag leisten, um die Welt ein Stück gerechter zu machen.

    • Als Sprecher des Bündnis Hoher Stein- für Klima Umwelt Landwirtschaft in Worms setze ich mich zusammen mit unseren 1500 Unterstützerinnen und Unterstützern für den Erhalt von 140 Hektar bestem Ackerland, mitten in der Frischluftschneise von Worms ein. Die Stadtregierung plant dort Industrie und Gewerbe anzusiedeln.Was das mit Nahrungsmittelspekulation und Welternährung zu tun hat ? Für meine Begriffe eine ganze Menge: Nahrungsmittelproduktion- und -preis wird durch eine Vielzahl von Faktoren getrieben: Massentierhaltung in den Industrieländern, Biokraftstoffproduktion etc. konkurriert mit Verbrauchern in Schwellen- oder Drittweltländern um Anbauflächen, auf denen entweder Futtermittel,Energiepflanzen oder Nahrungsmittel angebaut werden können. Hierzulande gibt es eine Mehrheitsmeinung, dass der Flächenverbrauch, also die Verbauung von Naturräumen, aber auch landwirtschaftlichen Flächen zu reduzieren ist, wenn wir auch in zwanzig Jahren noch einen bedeutenden Anteil unserer Nahrungsmittel aus heimischer Produktion decken wollen.
      In der konkreten politischen Auseinandersetzung muß man jedoch erfahren, dass bei konkurrierenden Flächenansprüchen- und das ist ein typisches Szenario in unseren Ballungsgebieten- die Gesundheitsinteressen der Bevölkerung- Klimaschutz und Versorgung mit regionalen landwirtschaftlichen Produkten zählen dazu- den Interessen der gewerblichen Wirtschaft nachgeordnet werden.
      Je mehr Ackerflächen hierzulande verloren gehen, desto mehr Nachfrage entsteht nach importierten Nahrungsmitteln, desto stärker wird die Konkurrenz zu den, in der Regel kaufkraftschwachen= armen Konsumenten in der südlichen Hemisphäre.
      Eine Vernetzung von überregional agierenden sozialen, zivilgesellschaftlichen Projekten mit regionalen Klima-und Freiflächenschutz- Projekten wäre vor diesem Hintergrund ein sinnvoller Schritt.
      Bei Interesse besucht unsere Website: http://www.buendnis-hoher-stein.de

  3. Hallo campact – Leute,
    Gratulation zur Topfaktion!
    Ich finde es super, was ihr in die Wege leitet, vor allem auch, dass ihr es nicht bei den Unterschriftslisten belasst sondern auch Aktionen dazu organisiert.
    Weiter so!

  4. Ich möchte noch folgendes anmerken:
    Laut Bericht von Oxfam Deutschland e.V. (04.10.2012) könnte – ohne Landgrabbing – eine Milliarde Menschen mehr satt werden.
    Wenn ich – mit Erlaub – hier an der Stelle auf etwas hinweisen dürfte:
    Auf http://www.oxfam.org.en/grow/landgrabs kann, wer will, ein Appell an den Weltbank-Präsidenten Jim Yong Kim unterzeichnet werden.
    Ich hoffe, diese Petitionsaktion ist noch nicht abgeschlossen.

  5. Gegen diesen Blödsinn, Nahrungsmittel in den Tank zu füllen, hilft noch nicht einmal, den Sprit durch ordentliche Besteuerung richtig teuer zu machen. Der Anreiz, dann möglichst viel Bio-Sprit zu erzeugen , würde von „weniger Verbrauch“ kaum zunichte gemacht werden. Reinhard Neuß

  6. Ich denke, dasss die Situation viel zu ernst ist, als dass man eine Demonstration zu einem bunten Volksfest umfunktionieren sollte. Richtiger Protest sieht anders aus !

    • Lieber Günter, Hunger ist ein ernstes Thema, das haben wir bei der Planung der Aktion mitbedacht. Deswegen haben wir vor dem lauten Schlagen auf den Töpfen eine Schweigeminute eingelegt. Ebenso wichtig war uns, dass unser Protest laut und unüberhörbar ist, denn wir wollen, dass sich die Politik bewegt. Deshalb der Lärm der vielen Töpfe. Die Stimmung auf der Aktion war bestimmt und tatkräftig, auch Empörung und Wut wurden geäußert. Wir sind der Meinung, dass Protest nicht aggressiv sein muss, um anzukommen. Auch wenn die Fotos farbenfroh sind, kannst du sichergehen, dass auf der Aktion niemand in Feierlaune war!

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