Rechtsextremismus Trump Digitalisierung Klimakrise AfD CDU Bundestagswahl WeAct Feminismus Globale Gesellschaft

Laut gegen Nahrungsmittel-Spekulation: Protest-Orchester schlägt auf leeren Töpfen Alarm

Wir sind viele und wir sind laut: Das Protest-Orchester gegen Nahrungsmittel-Spekulation gab heute vor dem Brandenburger Tor in Berlin ein unüberhörbares Platzkonzert. Angesichts des Hungers von 868 Millionen Menschen zum diesjährigen Welternährungtag schlugen über 400 Menschen auf leeren Töpfen Alarm.

Wir sind viele und wir sind laut: Das Protest-Orchester gegen Nahrungsmittel-Spekulation gab heute vor dem Brandenburger Tor in Berlin ein unüberhörbares Platzkonzert. Angesichts des Hungers von 868 Millionen Menschen zum diesjährigen Welternährungstag schlugen über 400 Menschen auf leeren Töpfen Alarm.

Externer Inhalt von YouTube: Mit einem Klick kannst Du Dir das Video ansehen. Lies mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Über 400 Menschen waren gekommen – das übertraf unsere besten Erwartungen. Im schönsten Sonnenlicht stiegen sie mit Topf und Löffel auf die Podeste, die wir wie ein Orchester im Halbkreis vor dem Brandenburger Tor angeordnet hatten. Aber zuerst kam Stille: Christoph Bautz von Campact forderte die Teilnehmer/innen zu einer Schweigeminute auf. Alle dachten an die Menschen, für deren Recht auf Nahrung wir heute auf die Straße gingen. Und bewegend schloss er mit der Frage an, ob wir uns das vorstellen können: keine Mittel zu haben, uns selbst und unsere Kinder zu ernähren.

Dann brachte das Protest-Orchester die Töpfe zum Klingen: Ein Geklapper und Getöse, dass über den Platz hinaus hallte und die Passanten zum Stehenbleiben brachte. Dank Dirigent und Sambaspieler Tino wurde Lärm zu Rhythmus, durchbrochen von unserer Botschaft, die alle gemeinsam riefen: „Nahrung ist ein Menschenrecht, mit dem Essen zockt man nicht!“

Protest-Orchester gegen Nahrungsmittelspekulation – Fotos cc-by-nc: Jakob Huber für Campact

Unsere anschließende Demo zum Kanzleramt zog die Aufmerksamkeit auf sich: Durchs ganze Regierungsviertel und bis zum Hauptbahnhof erklang der Lärm Hunderter von Töpfen. In einem bewegten und bunten Zug erreichten wir das Kanzleramt. Dort fand die Abschlusskundgebung statt.

Jan Urhahn von Oxfam erklärte auf der Kundgebung, wie schon kleine Preisschwankungen an den Agrarbörsen Menschen in den Hunger treiben können, die einen Großteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Markus Henn von Weed beschrieb, wie die Banken und Indexfonds Profite mit Nahrungsmitteln machen können. Und Jutta Sundermann von Attac forderte am Ende alle dazu auf, die eigene Bank vom Ausstieg aus dem Geschäft mit dem Hunger aufzufordern und sich unseren nächsten Aktionen anzuschließen.

Unser Protest gegen Nahrungsmittel-Spekulation erklingt zum richtigen Zeitpunkt: In den kommenden Wochen entscheiden Finanzminister Schäuble und seine EU-Kollegen in Brüssel, ob der exzessiven Spekulation an den europäischen Agrarbörsen ein Riegel vorgeschoben wird. Mit der Aktion machten wir auf eine Ursache für den Hunger aufmerksam. Und zwar auf eine besonders zynische, die vor unserer Haustür behoben werden kann: in Brüssel.

Die Finanzmarkt-Richtlinie, die die Zockerei mit Mais und Getreide beenden könnte, hat vor Kurzem die erste Hürde im Europaparlament genommen. Im Wirtschaftsausschuss einigte man sich auf einen Kompromiss. Er ist besser als der Vorschlag der Kommission, hat aber noch Schlupflöcher aufzuweisen. Er enthält die verbindlichen Positionslimits, für die wir über Monate im Parlament gestritten hatten. Durch einige Lücken im Gesetzestext können sie aber umgangen werden. Wir berichteten im Blog.

Jetzt ist der Ministerrat an der Reihe, die Gesetzeslücken zu schließen und weitere Maßnahmen zur Regulierung der Börsen zu beschließen. Voraussichtlich im November wird er über die Richtlinie abstimmen. So lange haben wir noch Zeit, Finanzminister Schäuble zu einem lauten und deutlichen Einsatz gegen Nahrungsmittel-Spekulation zu bewegen. Denn Deutschlands Stimme hat besonderes Gewicht in Europa.

Das Medienecho unseres heutigen Protest-Orchesters wird auch Herrn Schäuble zu Ohren kommen. Er kann sich jetzt schon auf unseren Besuch freuen: in den nächsten Wochen werden wir ihm die über 100.000 Unterschriften unter unseren Appell persönlich überreichen. Dabei kommen die Töpfe noch einmal zum Einsatz.

Danke an die Spender/innen der 868 Töpfe. Viele wurden mit viel Liebe bemalt und mit politischen Botschaften gestaltet. Wie wir von 30 Töpfen auf 1.000 kamen, erfahrt ihr in diesem Blogeintrag. Nach ihrem erneuten Einsatz werden wir die noch brauchbaren Töpfe an eine Hilfsorganisation spenden.

Das war ein großartiger Krach heute. Vielen Dank an alle, die mit uns gegen den Hunger getrommelt haben!

TEILEN

Autor*innen

Astrid Goltz, Jahrgang 1983, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Chile studiert. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich in Umweltprojekten aktiv, zuletzt bei den Klimapiraten. Hauptamtlich hat sie für die BUNDjugend zum ökologischen Fußabdruck gearbeitet und für den BUND das Klimaforum Bonn 2010 mit organisiert. Ihre Schwerpunktthemen als Campaignerin bei Campact sind Gentechnik und Agrarpolitik sowie Flüchtlingspolitik. Alle Beiträge

20 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Es ist einfach unglaublich, dass im Jahr 2012 die Welt immer noch nicht bereit
    zu sein scheint, die Güter dieser Erde, die für alle in ausreichendem Maß vor-
    handen sind, gerecht zu teilen. Bei Nahrungsmitteln geht es nicht um Luxusarti-
    kel!
    Kann sich in den reichen Ländern irgend jemand vorstellen, wie es sein muss,
    hungern zu müssen und zu verhungern? Seine Kinder sterben zu sehen?
    Und das soll auf ewig Alltag für uns werden?! Wie lange soll unser Transforma-tionsprozess nur noch dauern……

  2. Protest gegen Nahrungsmittel-Spekulationen
    Spekulanten profitieren vom Handel mit Nahrungsmitteln, während die Zahl der Hungernden weltweit steigt! Die Initiative handle-fair.de protestiert dagegen!

  3. Sorry, da könnte man den Schlusssatz meines vorherigen Kommentars wohl missverstehen?
    Es musste natürlich heißen: …- erübrigt jeglichen weiteren Kommentar meinerseits zum o.a. foodwatch-Text!
    Ich hoffe, nun habe ich mich unmissverständlich ausgedrückt …

  4. Noch eine kurze Anmerkung von mir – in puncto Hunger:
    Laut foodwatch-Newsletter vom 12.10.2012:
    „… Es darf nicht sein, DASS MENSCHEN AUF DER EINEN SEITE DES ERDBALLS VERHUNGERN, DAMIT MENSCHEN AUF DER ANDEREN SEITE DES ERDBALLS AUTO FAHREN KÖNNEN. Für den Tank eines Mittelklassewagens mit 50 Litern werden 360 KILOGRAMM MAIS VERBRANNT. In Sambia und Mexiko ist Mais ein Grundnahrungsmittel. Von 360 Kilogramm Mais kann dort ein Kind ein Jahr lang ernährt werden. …“
    Ich finde, das sagt doch alles – erübrigt jeglichen weiteren Kommentar!

  5. Nebenbei bemerkt:
    Es ist nicht nur die Nahrungsmittelspekulation, die den Hunger fördert, sondern auch
    die Produktion von Biosprit – E 10. Denn hierzu müssen öfters als bisher Agrarflächen
    herhalten! Dann fehlen diese, um Erzeugnisse zu NAHRUNGSZWECKEN anzubauen …
    Bitte vergessen Sie dies hier an der Stelle nicht!
    ALSO – die Situation mit dem Hunger in den ärmeren und ärmsten Regionen dieser Welt wird dadurch zusätzlich verschärft, ABER nicht nur das – wahrscheinlich auch der Klimawandel, wenn Teile tropischen Regenwaldes gerodet werden …
    Doch dies würde nun den Rahmen hier sprengen.

    • Es ist nicht nur der Konflikt „Teller oder Tank“, der die Nahrungsmittel weltweit verteuert, sondern auch das Problem „Teller oder Trog“, womit die Fleischerzeugung und damit der übermässige Verzehr von Fleisch in den Industrieländern, der zur Verknappung von Lebensmitteln führt und damit Nahrung zum Spekulationsobjekt werden lässt..

Auch interessant

Agrar, Ernährung, Tierschutz Ostern: Bunte Schale, dunkler Kern Agrar, Lobbyismus Erfolg: Lobby-Landwirtschaftsminister Felßner verhindert Agrar, Appell, Lobbyismus Günther Felßner, Landwirtschaftsminister von Söders Gnaden? Agrar, Erfolg Gemeinwohlorientierte Verpachtung: Vom Stammtisch in die Bundespolitik Agrar, Ampel Ampel-Aus bedeutet auch: Weiter keine fairen Preise für Milch Agrar, Umwelt, Wasser Düngegesetz: Bürokratieabbau sticht Wissenschaft und Gewässerschutz Agrar, Klimakrise Agrarwende in Deutschland: Abgucken erlaubt! Agrar, Ostdeutschland, Protest Erfolgreich protestieren auf dem Lande: 3 Beispiele, die Mut machen Agrar, Ernährung Nachbau von Saatgut: Rechtsstreit zur Erntezeit Agrar, Ostdeutschland Wenn der Nachbar im Dorf die AfD wählt