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Bundesregierung will Gesetzentwurf ändern – und gibt Falschaussage zu

Deutschland ebnet den Weg für den Export von Atommüll? „Unsinn“, nannte dies am Freitag noch Bundesumweltminister Peter Altmaier. Doch gestern musste er doch zugegeben, dass eine geplante Änderung des Atomgesetz (Artikel 3a, Absatz 1 bis 3) als Umsetzung einer EU-Richtlinie den Export von Atommüll ins Ausland ermöglichen würde. Die Änderung löste in den letzten Tagen […]

Deutschland ebnet den Weg für den Export von Atommüll? „Unsinn“, nannte dies am Freitag noch Bundesumweltminister Peter Altmaier. Doch gestern musste er doch zugegeben, dass eine geplante Änderung des Atomgesetz (Artikel 3a, Absatz 1 bis 3) als Umsetzung einer EU-Richtlinie den Export von Atommüll ins Ausland ermöglichen würde. Die Änderung löste in den letzten Tagen einen Proteststurm bei Umweltorganisationen aus, der sich gewaschen hatte (Analyse DUH). Das Umweltministerium kündigte nun an, den Gesetzesentwurf zu überarbeiten und den Export von Atommüll klar auszuschließen.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: In der Bundespressekonferenz war wiederholt versichert worden, der Export von Atommüll bleibe trotz der Gesetzesänderung ausgeschlossen. Paragraf 9a des Atomgesetzes würde Deutschland weiterhin zu einer Endlagerung in Deutschland verpflichten und das Ausland ausschließen: „Im Inland entstandene Abfälle sind grundsätzlich an ein vom Bund zu errichtendes Endlager abzuliefern“, so zitierte Ingo Strube, Sprecher des Umweltministeriums. Und Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte ihn darin (Bericht der tagesschau.de). Daraufhin nahmen viele Medien diese Auskunft auch auf. Einzig: Der Wortlaut des Paragrafen ist im entsprechenden Artikel überhaupt nicht zu finden. Und auch kein ähnlich klingender. Tja, dumm gelaufen für die Regierung. So wuchs der Druck auf Altmaier, zurückzurudern.

Wir haben die Lage seit letzter Woche beobachtet und analysiert. Infrage käme für einen Export momentan eigentlich nur Russland, das gerne radioaktiven Abfall entgegen nimmt – und sich dies versilbern lässt. Mögliche Zielorte wären Majak im Ural und Krasnojarsk in Sibirien. Dort herrschen katastrophale Sicherheitsbedingungen. Aufgrund des katastrophalen Umgangs mit Strahlenmüll gilt Majak als der am stärksten radioaktiv verseuchte Ort der Welt. Kinder, die dort leben, werden mit genetischen Defekten geboren, Erwachsene sterben an Leukämie.

Gestern Abend waren wir deshalb kurz davor, einen Appell zu starten. Denn unser Vertrauen hält sich schwer in Grenzen. Bisher gab es zwar eine politische Haltung, die bei allen sonstigen Konflikten in der Atompolitik zwischen allen politischen Lagern immer unumstritten war: Dass der hiesige Atommüll im nationalen Rahmen entsorgt wird. Dass wir selbst die Verantwortung für unseren Atommüll tragen. Und offiziell hatte die Regierung auch daran festgehalten. Doch am Ende zählt nur, was in den Paragrafen steht.

Der neue Artikel 3a des Atomgesetz stammt aus einschlägiger Feder – der des Atomlobbyisten Gerald Hennenhöfer. Heute Abteilungsleiter Reaktorsicherheit im Umweltministerium wanderte er im Laufe seiner Karriere immer wieder zwischen Atomkonzernen und Aufsichtsbehörden hin und her. Kein Wunder dass er Paragrafen verantwortet, die den Konzernen die billigste Entsorgung von Atommüll ermöglicht – im Ausland. Die Voraussetzung: Ein Abkommen zwischen Deutschland und dem Zielland sowie die Einhaltung relativ vager Auflagen.

Schon vor einem Jahr wollte Norbert Röttgen, Altmaiers Vorgänger, den Weg für den Export von Atommüll ebnen – und radioaktive Fracht vom Zwischenlager Ahaus im Münsterland ins russische Atomzentrum Majak schicken. Der Protest der Anti-Atom-Bewegung verhinderte dies.

Das Umweltministerium hat nun angekündigt, dafür zu sorgen, dass die Entsorgung deutschen Atommülls in Deutschland festgeschrieben wird. Wir bleiben wachsam.

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

13 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Für mich ist das ein Hinweis, dass die jetzige Regierung die Atomenergierzeugung noch nicht aufgegeben hat und auch die Verantwortung nicht bereit ist zu tragen betr. Atommüll. Gebe Martin Hornung vollkommen Recht.

  2. Warum eigentlich keinen Export von Atommüll? Wir exportieren doch auch unseren Plastik- und Chemiemüll sowie Elektroschrott gegen gutes Geld in arme Länder, die sich damit ihre Umwelt und die Gesundheit zerstören. Der Export von Atommüll wäre nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Die Hauptsache unserer Wirtschaft geht es gut, unsere Konzerne machen hohe Gewinne (was Arbeitsplätze sichert) und unsere Umwelt bleibt erträglich belastet!

    • Das wäre ja wie nach dem Floriansprinzip!
      Ja, ja, Hauptsache, uns Deutschen geht es gut, und wie es dem Rest der Welt mit dem von uns produzierten Müll geht, ist uns schnurzpiepe … was für eine EGOMANIE!
      Es zeugt nicht gerade von Größe, wenn man eine solche Verantwortungslosigkeit – auch gerade gegenüber armen und ärmsten Ländern, in die man unseren Müll transportiert – an den Tag legt.
      Hauptsache, man selber ist und bleibt sauber und hat eine weiße Weste – im reichen Europa, während man, was ein offenes Geheimnis ist, seinen ganzen Dreck – möglichst weit weg – in die besagten Länder ablädt … Nein – so nicht!
      Und will man nicht schließlich Vorbild und wohl auch besser sein, dann – bitte schön – soll man auch das Beste tun, so gut wie möglich! Sonst ist man beileibe nicht
      authentisch.
      Eine Frage zum Schluss:
      Gehen denn manche politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen GENAUSO mit ihrem eigenen Hausmüll um, indem sie ihn beim übernächsten Nachbarn abladen –
      Hauptsache, IHR Haus- oder Wohnbereich glänzt vor Sauberkeit und Reinheit und bleibt es auch? — NUN, wohl doch nicht, ANSONSTEN würde das ja tief blicken!

  3. Die Entsorgung von Atommüll ist m. E. kein nationales Problem, sondern sollte kollektive Aufgabe der Weltgemeinschaft sein aus Verantwortungsgefühl unseren Kindern gegenüber. Ich glaube dieses Problem ist von keinem Land alleine zu schaffen, wobei selbstredend die Atommächte die Hauptlasten tragen sollten. Verursacherprinzip.

  4. In den fast 2 Jahren seit dem SuperGAU in Fukushima war die Bundesregierung nicht einmal in der Lage, eine zielgerechte Untersuchung bzgl. Endlager durchzuführen, und HEUTE steht immer noch nicht fest, WELCHER Ort als Endlager in Frage käme, stattdessen wurde die ganze Zeit bis zuletzt an Gorleben als wohl fragwürdiges Endlager festgehalten; wegen anhaltender Proteste diesbezüglich aber – NUN was macht man jetzt? – will die Bundesregierung, fast ziemlich hilflos und geradezu genervt, jetzt schließlich den Atommüll – quasi kurz und schmerzlos … und niemand soll es merken – ins Ausland exportieren, so dass – für sie – die leidliche Frage nach dem Endlager hier im Lande endgültig erledigt zu sein scheint?!
    Allein schon aufgrunddessen ziehe ich für mich das Fazit:
    Die Bundesregierung hat sozusagen ihre Hausaufgaben nicht gemacht …
    Und weil sie nicht gerade dazu fähig ist, sie zu erledigen – wie in mancherlei Hinsicht auch -, wie mir scheint, wird man von ihr – auch in nächster Zukunft vielleicht (!) – NICHT erwarten dürfen, dass sie jene noch erfüllen könnte oder wird!
    Sorry, dies bemerken zu müssen …

  5. Herzlichen Dank für Eure Recherche. Es ist wirklich unglaublich, wie man (hier mal wieder die aktuelle Bundesregierung) versucht, uns für dumm zu verkaufen. Peinlich für die Herren aber, dass es noch Leute wie Euch gibt, die auch mal nachschauen, was denn wirklich wo steht. Nehmt es bitte als Ansporn zukünftig weiterhin dranzubleiben. Spende ist unterwegs.

  6. Und was ist mit schwach- und mittelradioaktivem Müll?
    Außerdem muss vor allem der Import jeglichen Atommülls verboten werden.

  7. Atommuell kann nirgends sicher gelagert werden, bis er ungefaehrlich ist,
    da diese Zeit weit groesser ist, als das bestehen aller menschlichen Kulturen.
    Der einzig sichere Weg, wie mit Atommuell zu verfahren ist,
    ist also, ihn gar nicht erst entstehen zu lassen.
    Der zweitbeste Weg, mit dem Problem umzugehen, ist aus meiner Sicht
    das Verbot der PRODUKTION von Kernbrennstoffen. Wenn das Uran
    im Berg bleibt und die Brennstaebe knapp werden, wird die Industrie
    entweder einen Weg finden, den Muell groesstenteils zu recyclen
    oder eben nach und nach alle Kernkraftwerke runterfahren muessen.

    • @ Peters: Russland ist nicht arm.
      Keine Atommüllabschiebung irgendwo hin! Wenn wir den Müll nicht selbst in den Griff bekommen, dürfen wir eben keinen produzieren. Die aktuellen Umfragewerte lassen ja bald eine Regierung entstehen, die sicher noch auf die Idee kommt – natürlich lobbygesteuert – Atomkraft wieder flächendeckend zu reanimieren. Was zählt denn überhaupt noch? Worte sind gar zu viele schon missbraucht worden, Sicherheit ist eine Floskel.

    • Was das Verschieben von Müll jeglicher Art betrifft – wird vermutlich zweimal bezahlt – einmal bei der sogenannten Entsorgung(Verkauf) und das zweite mal wenn wir es aus polit. Gründen irgendwann wieder zurücknehmen müssen – am besten also gleich hier behalten und einen verantwortlichen Umgang damit praktizieren.

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