Steuerflucht in Europa: Die Luft wird dünner
Es bewegt sich etwas in Europa – sehr, sehr langsam. Die EU-Finanzminister/innen haben der Kommission gestern geschlossen ein Mandat erteilt, mit der Schweiz und anderen Drittstaaten erweiterte Steuerabkommen zu verhandeln. Bislang hatten dies Österreich und Luxemburg verhindert. Innerhalb der EU blockieren diese beiden Länder schärfere Regeln jedoch auch weiterhin. Seit 2008 liegt die Reform der […]
Es bewegt sich etwas in Europa – sehr, sehr langsam. Die EU-Finanzminister/innen haben der Kommission gestern geschlossen ein Mandat erteilt, mit der Schweiz und anderen Drittstaaten erweiterte Steuerabkommen zu verhandeln. Bislang hatten dies Österreich und Luxemburg verhindert. Innerhalb der EU blockieren diese beiden Länder schärfere Regeln jedoch auch weiterhin.
Seit 2008 liegt die Reform der EU-Zinsrichtlinie brach. Die Richtlinie sieht im Grundsatz vor, dass die EU-Mitgliedsstaaten sich gegenseitig automatisch über Zinseinkünfte auf Auslandskonten von EU-Bürger/innen informieren. Mit einigen Ausnahmen: Seit jeher verteidigen Österreich und Luxemburg ihr Bankgeheimnis mit Zähnen und Klauen – bislang mit Erfolg. Statt Informationsmitteilungen zu verschicken dürfen sie eine Quellensteuer auf Zinseinkünfte erheben und anonym an die Heimatländer der Steuerpflichtigen übermitteln. Auch mit der Schweiz, Monaco, Liechtenstein, San Marino und Andorra hat die EU analoge Abkommen geschlossen, weshalb diese Länder ebenfalls Quellensteuern auf die Zinseinkünfte von EU-Bürger/innen einsammeln.
Leider weist die alte Zinsrichtlinie große Schlupflöcher auf. So können Steuerbetrüger/innen ihre Vermögen etwa hinter Briefkastenfirmen, Versicherungsmänteln oder Ermessensstiftungen verstecken und so der Erfassung durch die Richtlinie entgehen. Deshalb hat die EU-Kommission 2008 eine überarbeitete Variante der Zinssteuerrichtlinie vorgestellt. Diese Variante könnte die Schlupflöcher der alten Zinsrichtlinie stopfen und ein enorm wirkungsvolles Instrument zur effektiven und gerechten Besteuerung von Kapitaleinkünften werden. Könnte. Denn bislang wurde sie von Österreich und Luxemburg erfolgreich blockiert.
Für sich selbst – und damit auch innerhalb der gesamten EU, denn Entscheidungen in Steuerfragen müssen einstimmig geschlossen werden – blockieren die beiden Länder diese Erweiterung auch weiterhin. Unter dem internationalen Druck haben sie gestern beim Treffen der EU-Finanzminister jedoch immerhin zugestimmt, mit Drittstaaten über eine Erweiterung der bestehenden Steuerabkommen zu verhandeln. Eine absurde Situation: Mit anderen Staaten soll eine Reform verhandelt werden, die innerhalb der EU bislang nicht durchgesetzt werden konnte. Doch der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden hat dies zur Bedingung für ein Einlenken seines Landes gemacht.
Offen ist bislang, ob die Drittstaaten weiterhin bei der Erhebung von Quellensteuern bleiben können, oder ob die Kommission sie auch zur Übernahme des Automatischen Informationsaustausches drängen wird. In einer Pressemitteilung des Ministerrates heißt es dazu, die Kommission solle über „äquvialente Maßnahmen“ verhandeln. Als solche galt die Erhebung von Quellensteuern bislang. Mehr und mehr Länder, darunter auch Deutschland, drängen jedoch darauf, den Informationsaustausch zum Standard für die weltweite Zusammenarbeit gegen Steuerflucht und Steuerbetrug zu erheben.
Eine neue Chance, Luxemburg und Österreich doch noch zum Einlenken auch innerhalb der EU zu bewegen, gibt es schon am 22. Mai beim Gipfel der EU-Regierungschefs. Wichtigstes Thema auf der Agenda: Steuerflucht.
Österreich und Luxemburg sind die einzigen beiden Länder in der EU, die sich mit Hinweis auf ihr Bankgeheimnis weigern, automatisch Angaben über die Guthaben von ausländischen EU-Bürgern in ihrem Land an die anderen Mitgliedstaaten weiterzuleiten.
Im Rahmen der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie geben die Mitgliedstaaten seit 2005 Auskünfte über Zinserträge von EU-Ausländern an deren Heimatländer weiter. Die um ihr Bankgeheimnis fürchtenden Länder Österreich und Luxemburg erheben bislang eine Quellensteuer, die sie großteils an die Heimatländer von EU-Ausländern weiterreichen – ohne aber weitere Angaben zu den Anlegern zu machen. Beide Länder signalisierten zuletzt, dass sie sich der Praxis der anderen Staaten anschließen könnten. Die Zinsbesteuerung mit den Nicht-EU-Ländern Schweiz, Liechtenstein, Andorra, San Marino und Monaco hat die EU durch Abkommen geregelt.