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Halbherzige Vorschläge gegen die Zockerei mit Essen

20 Monate brauchte der Europäische Rat, um sich auf eine gemeinsame Position zur Nahrungsmittelspekulation zu einigen. Am 3. Juli werden nun die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Europaparlament über strengere Regeln für die Nahrungsmittelspekulation beginnen. Doch um die Spekulation mit Weizen und Mais zu beenden, reichen die bisherigen Vorschläge nicht aus.

Nach der EU-Kommission und dem Europaparlament hat sich nun auch der Europäische Rat auf eine Position geeinigt, wie Nahrungsmittelspekulationen geregelt werden sollen – endlich! Die EU-Kommission hatte ihre Vorschläge dazu bereits im Oktober 2011 veröffentlicht. Das Europaparlament hat sich ein Jahr später auf seine Position geeinigt. Der Rat brauchte ganze 20 Monate um eine Einigung zwischen den Regierungen der 27 EU-Mitgliedsstaaten zu erzielen. Am 3. Juli können nun die Verhandlungen im sogenannten „Trilog“ zwischen Kommission, Parlament und Rat beginnen. Angesichts des Hungers in der Welt ist es höchste Zeit, dass die Europäische Union der Zockerei mit Nahrungsmitteln Einhalt gebietet. Doch um die Spekulation mit Weizen und Mais auf den europäischen Börsen zu beenden, reichen die bisherigen Vorschläge nicht aus.

Das wichtige Gesetzespaket trägt die sperrigen Namen „Markets in Financial Instruments Directive“, zu deutsch: „Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente“ (MiFID) und „Änderung der Verordnung (EMIR) über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister“ (MiFIR). Dahinter verbergen sich die Regeln, die künftig auf den europäischen Agrarrohstoffmärkten gelten sollen.

Das Europäische Parlament hatte sich im letzten September für bindende Grenzen für die Nahrungsmittelspekulation ausgesprochen. Der Europäische Rat will diesen Punkt schwächen und den Mitgliedsstaaten mehr Ermessensspielraum einräumen wie die so genannten Positionslimits (das sind Obergrenzen für die Anzahl der Verträge, die jeder Börsenhändler abschließen darf) ausgestaltet werden. Dieser Vorschlag führt in die falsche Richtung. Wir brauchen einheitliche Regeln für den Europäischen Binnenmarkt. Denn ohne einheitliche Regeln können aber die Börsenhändler die Preisunterschiede zwischen den verschiedenen europäischen Börsen ausnutzen, Ökonomen nennen das „Arbitrage“.

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Sowohl der Vorschlag des Europäischen Parlamentes als auch des Rates haben Stärken und Schwächen. Beide Vorschläge reichen aber nicht aus, um die Spekulation mit Nahrungsmitteln wirksam einzudämmen. Es kommt nun darauf an, dass in den Verhandlungen zwischen den EU-Gremien die positiven Elemente der beiden Vorschläge kombiniert werden und nicht die negativen. Positiv am Vorschlag des Europarlamentes ist, dass er der Europäischen Markt- und Wertpapieraufsicht (ESMA) weitreichendere Befugnisse gibt, Grenzwerte (Positionslimits) für die einzelne Händler zu setzen. Dafür schränkt der Rat die Zahl der Handelsplätze, auf denen diese Grenzwerte gelten, weniger stark ein als das Europaparlament.

Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, eine neue Kategorie von Handelsplätzen einzuführen, die Organised Trading Facilities (OTF). Nach dem Willen des EU-Parlamentes sollen hier aber im Gegensatz zum Kommissionsvorschlag strenge Regeln dafür gelten, was auf diesen Handelsplätzen gehandelt werden darf. Doch der Rat schlägt jetzt sogar vor, Aktien zum Handel in den OTF zuzulassen. Dies würde weitere Handelsströme auf weniger transparente Märkte lenken. Nach dem Vorschlag des Parlamentes würde diese Dynamik umgedreht. Außerbörsliche und sogenannte „over the counter“-Geschäfte könnten so auf diese neue geregelten Märkte gelenkt werden.

Eine wichtige Forderung, die die Nahrungsmittelspekulation von Indexfonds schlicht beenden würde, steht leider momentan gar nicht mehr zur Debatte: das Verbot von Indexfonds auf den Agrarrohstoffmärkten. Doch wir werden weiterhin gemeinsam mit unseren Bündnispartnern Druck machen, damit die Zockerei mit Weizen und Mais endlich gestoppt wird.

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Autor*innen

Yves Venedey war Campaigner im Kampagnen-Team 1, verantwortlich für Klima-Themen. Er war schon Marktforscher, Briefträger, Geschäftsführer, Journalist und Pressesprecher. Yves Venedey ist Autor des Buchs "Abschalten", das 2011 im Fischer Verlag erschienen ist. Alle Beiträge

13 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Es stand im Raum, ob nur eine oder zwei der oben genannten Maßnahmen angenommen werden sollten, doch die EU-Parlamentarier scheinen verstanden zu haben, dass die Finanzaufsicht im Umgang mit einem sich ständig wandelnden Hochfrequenzhandel eine große Bandbreite an wirkungsvollen Waffen braucht. Dieses Maßnahmenbündel sollte den Regulierungsbehörden ermöglichen, missbräuchliches, räuberisches oder destabilisierendes Verhalten im Hochfrequenzhandel wirksam zu bekämpfen, und unterstützt ähnliche Schritte der Regulierungsbehörden in anderen Märkten. Da das Instrumentarium jedoch weit über die beabsichtigten Maßnahmen in den anderen Märkten (USA, Asien etc.) hinausgeht, würde die EU als Pionier auf diesem Gebiet voranschreiten und sichere, gerechte und gesunde Märkte weltweit fördern.

  2. solange geld die welt regiert und die politik weltweit nichts dagegen tut, wird sich mit dem zocken rein gar nichts ändern. alles was die politik bis heute gemacht hat, ist nur augenwischerei

  3. (7) Um auf den europäischen Märkten für mehr Transparenz und Effizienz in Bezug auf gleiche Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen multilateralen Handelsplätze zu sorgen, ist es erforderlich, eine neue Kategorie von organisiertem Handelssystem („organised trading facility“, OTF) für Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate einzuführen und sicherzustellen, dass das System angemessenen reguliert wird und nicht diskriminierende Regeln für den Zugang zu diesem System gelten. Die Definition dieser neuen Kategorie von Handelssystem ist weit gefasst, so dass sie nicht nur heute, sondern auch in Zukunft in der Lage sein dürfte, alle Arten der organisierten Ausführung und Vereinbarung von Handelsgeschäften abzudecken, die nicht den Funktionen oder Regulierungsvorgaben der bestehenden Handelsplätze entsprechen. Folglich sind geeignete organisatorische Anforderungen und Transparenzvorschriften anzuwenden, die einer effizienten Preisfeststellung förderlich sind. Zu der neuen Kategorie von Handelsplätzen zählen auch „Broker-Crossing“-Systeme, bei denen es sich um interne elektronische Systeme handelt, die von einer Wertpapierfirma betrieben werden und Kundenaufträge mit anderen Kundenaufträgen zusammenführen. Diese neue Kategorie von Handelssystemen umfasst ferner Systeme, die sich für den Handel mit clearingfähigen und ausreichend liquiden Derivaten eignen sollten, die aber nicht die Merkmale bestehender Kategorien von Handelsplätzen aufweisen. Ihr nicht zuzurechnen sind hingegen Systeme, in deren Rahmen keine Geschäfte im eigentlichen Sinne ausgeführt oder vereinbart werden, wie etwa „Bulletin Boards“, die für die Bekanntmachung von Kauf- und Verkaufsinteressen genutzt werden, andere Einrichtungen, die potenzielle Kauf- und Verkaufsinteressen aggregieren oder bündeln, oder elektronische Nachhandelsbestätigungsdienste.

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