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TTIP & CETA: Verfassungswidrig, völkerrechtswidrig – weg damit!

Ex-Verfassungsrichter Siegfried Broß: Private Schiedsgerichte wie In TTIP und CETA geplant sind verfassungs- und völkerrechtswidrig. Sie müssen entfernt werden.

Private Schiedsgerichte, wie sie in TTIP und CETA vorgesehen sind, verstoßen gegen das Grundgesetz und kollidieren mit Prinzipien des Völkerrechts. Der frühere Verfassungsrichter Prof. Dr. Siegfried Broß bezeichnet es als „Verlust von staatlicher Souveränität und Selbstachtung“, wenn unsere Regierung sich solchen Gremien unterwirft. Ob das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof über diesen Verfassungsbruch überhaupt entscheiden können, bleibt allerdings ungewiss.

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Schiedsgerichte in TTIP und CETA sind verfassungswidrig

In einem gestern veröffentlichten Gutachten untersucht Broß die in den Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) beziehungsweise den USA (TTIP) vorgesehenen privaten Schiedsgerichte. Diese Schiedsgerichte sollen über vermeintliche Vertragsverletzungen urteilen. Klagen können ausschließlich Unternehmen – wenn sie ihre Investitionen auf der jeweils anderen Seite des Atlantiks entwertet sehen, beispielsweise durch schärfere Umwelt- oder Sozialgesetze. Verklagt werden Staaten, oft auf Schadenersatz in mehrstelliger Millionen- oder sogar Milliardenhöhe. Als „Richter“ fungieren Privatleute, meist Juristen aus großen internationalen Anwaltskanzleien. Die Verhandlungen werden, anders als Prozesse vor ordentlichen staatlichen Gerichten, bisher meist nicht öffentlich geführt. Eine Berufungsinstanz gibt es nicht.

Die Skepsis gegenüber solchen Privat-Gerichten ist verbreitet – und berechtigt, schreibt Prof. Dr. Siegfried Broß, ein pensionierter Richter und Honorarprofessor, der sowohl am Bundesgerichtshof als auch am Bundesverfassungsgericht Recht sprach: „Diese Abkommen sind nach dem derzeitigen Stand mit den Klauseln über den Investorschutz zugunsten ausländischer Unternehmen und die Einrichtung privater Schiedsgerichte verfassungswidrig.“ Daran änderten auch die vielen grundsätzlich ähnlich gestrickten Freihandelsabkommen nichts, die verschiedene Bundesregierungen seit 1959 abgeschlossen haben: „Auch wenn Deutschland eine solche ,Tradition‘ begründet hat, liegt hierin noch keine Rechtfertigung dafür, hieran unverbrüchlich festzuhalten“, betont Broß.

TTIP und CETA verletzen Grundgesetz und Völkerrecht

Nach Analyse des Rechtswissenschaftlers kollidieren die geplanten Regelungen an mehreren zentralen Punkten mit Grundgesetz und Völkerrecht:

– Wenn die Bundesrepublik CETA oder TTIP in der gegenwärtigen Form beitrete, verletzt dies das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Denn nach deutschem Verfassungsrecht sind allein ordentliche Gerichte die Instanzen, um über Klagen gegen Staaten zu entscheiden. Das schließt supranationale Gerichtshöfe, etwa im Rahmen der Vereinten Nationen oder EU, nicht aus, wohl aber private Schiedsgerichte.

– In die gleiche Richtung wie das deutsche Verfassungsrecht wirken die Grundregeln des Völkerrechts. Sie besagen: Privatpersonen und private Institutionen wie Unternehmen sind „nur mittelbar über den jeweiligen ,Heimatstaat‘ am Völkerrechtsverkehr beteiligt oder betroffen“. Klagen von Unternehmen vor privaten Schiedsgerichten gegen Staaten passen nicht in dieses System.

– Weicht man davon ab, könnten „parlamentarische Mitwirkung und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts“ durch Urteile von dazu nicht legitimierten Einrichtungen unterlaufen werden. So wird „auf dem Weg einer zwischenstaatlichen Vereinbarung über den Freihandel materiell die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland in einem Staatsorganisationsprinzip geändert„. Und das ist nicht einmal mit verfassungsändernder Mehrheit des Bundestages möglich.

Nicht akzeptabel sind schließlich Prozesse hinter verschlossenen Türen. Öffentliche Verhandlungen gehören zu den elementaren Qualitäten rechtsstaatlicher Gerichtsverfahren. Zumal das Argument, es müssten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt werden, nicht überzeugt. Die nationalen Prozessordnungen im Patent-, Wettbewerbs- oder Gesellschaftsrecht haben dafür längst praktikable Regeln gefunden.

Im Verhältnis von EU, USA und Kanada, also Regionen mit funktionierenden Rechtssystemen, spricht ohnehin wenig für überstaatliche Schiedsgerichte. Will man trotzdem partout supranationale Strukturen schaffen, etwa um Standards für spätere Freihandelsabkommen mit anderen Ländern zu setzen, schlägt Broß hierfür allenfalls „Staatsschiedsgerichte“ vor. Wenn „Vertreter der Vertragsstaaten mit Zustimmung der nationalen Parlamente“ als Richter berufen würden, sei das verfassungskonform und biete noch einen Vorteil: Ein dermaßen demokratisch legitimiertes Staatsschiedsgericht habe die Kompetenz, später auftretende Lücken und Schwächen im Vertrag durch seine Urteile zu korrigieren.

Klagen gegen TTIP und CETA sind trotzdem schwierig

Trotz dieser klaren Rechtslage könnte es sehr schwierig werden, die Schiedsgerichte in TTIP und CETA juristisch zu Fall zu bringen. Es ist für individuelle Bürger/innen nur möglich, verfassungswidrige Gesetze zu rügen, wenn sie eine unmittelbare persönliche Betroffenheit nachweisen können. Die Konzernklagen werden aber nicht gegen sie, sondern gegen ihren Staat geführt. Bürger/innen sind nur mittelbar als Steuerzahler/innen betroffen oder weil die angegriffenen Gesetze auch ihre Angelegenheiten regeln. Daraus eine persönliche Betroffenheit herzuleiten, sehen viele Verfassungsjuristen als höchst schwierig an. Die Alternative ist eine abstrakte Normenkontrollklage. Diese braucht aber ein Viertel der Mitglieder des Bundestages – die Opposition im Bundestag bringt dafür nicht genügend Stimmen zusammen. Vor dem Europäischen Gerichtshof kann sogar nur ein Mitgliedsstaat oder eine Mehrheit des Europäischen Parlaments klagen.

Deshalb müssen wir die Schiedsgerichte in TTIP, CETA und in allen alten Handelsverträgen politisch besiegen. Klar ist nach diesem Gutachten, dass das System privater Schiedsgerichte nicht reformierbar ist. Es ist grundverkehrt und muss abgeschafft werden.

Schon mehr als 1.250.000 Menschen haben die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP & CETA unterzeichnet. Jetzt mitmachen und Protest verbreiten!

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16 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Bei diesen so gearteten Politikern (mit Wirbelsäule, aber ohne Rückrat) ist es eine Selbstverpflichtung, spätestens mit der nächsten Wahl eine demokratische Entscheidung herbei zu führen !! Als Entscheidungshilfe und Motivation kann sich ein/e Jede/r hier orientieren:
    -https://duckduckgo.com/l/?kh=-1&uddg=https%3A%2F%2Fwww.youtube.com%2Fwatch%3Fv%3DOpFNlNK8j20 –

    Glück Auf und gutes Gelingen

  2. Als ehemahliger Ehrenamtlicher Richter bin ich empört darüber wie sich unsere Europäische Regierungen von Amerikanischen und zum Teil auch Europäischen Konzernen übers Ohr hauen lassen(hoffentlich nicht).Wir können nur hoffen das uns die Höchsten Gerichte helfen. Mit freundlichen Grüßen

    • Ich glaube, das wird Prof. Broß nicht tun. Die Erfolgsaussichten einer solchen Klage sind ziemlich gering. Nicht weil CETA verfassungsgemäß ist – es ist verfassungswidrig. Sondern weil Individuen nur dann klagen können, wenn sie unmittelbar eigene Betroffenheit nachweisen. Der Weg, es über Art. 38 (das Wahlrecht wird mittelbar eingeschränkt) zu versuchen, ist in der Vergangenheit meist gescheitert. Die Klage könnte schon vom Dreiergremium des Bundesverfassungsgerichts als unzulässig verworfen werden, ohne dass sich das Gericht inhaltlich damit befasst. Das könnte von den Befürwortern im schlimmsten Fall als ausgeschlachtet werden.
      Prof. Broß ist wie viele Verfassungsrichter der Ansicht, dass das Gericht nicht dazu da ist, politische Entscheidungen zu korrigieren. So jedenfalls habe ich ihn bei einer Veranstaltung verstanden. Ich glaube deshalb nicht, dass er für diese Klage zu haben wäre.

    • Hallo Maritta,
      für alles gibt es ein erstes Mal 🙂
      Ich finde, dass ein solches Engagement einer Bürgerin unterstützt unbedingt werden sollte. Langjährig tätige Verfassungsrichter wie Prof. Broß haben bestimmt das entsprechende Repertoire an juristischen Waffen parat und könnten über die Unterstützung der Klage (bestimmt auch im eigenen Interesse) dem Bürger zeigen, dass wir NOCH in einer Demokratie leben…

  3. Dürfen sich die Macher von TTIP, CETA und TISA alles erlauben – OHNE UNS BÜRGER
    zu fragen?!
    Wir werden ÜBERHAUPT NICHT gefragt, sondern werden einfach regelrecht hintergangen,
    richtig heimtückisch so etwas, im wahsten Sinne des Wortes:
    GEHEIM und voller TÜCKE,
    wie sonst soll man die Vorgehensweise bei den Verhandlungen von TTIP & Co bezeichnen?!

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