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Offener Brief an SPD-Parteitagsdelegierte

An mehr als 200 Orten in ganz Deutschland übergeben Campact-Aktive in diesen Tagen einen offenen Brief an SPD-Parteitagsdelegierte. Kurz vor dem SPD-Parteitag vom 10. bis 12. Dezember fordern wir, dass die SPD ihre roten Linien gegen TTIP und CETA bekräftigt. Hier den offenen Brief lesen:

An mehr als 200 Orten in ganz Deutschland übergeben Campact-Aktive in diesen Tagen einen offenen Brief an SPD-Parteitagsdelegierte. Kurz vor dem SPD-Parteitag vom 10. bis 12. Dezember fordern wir, dass die SPD ihre roten Linien gegen TTIP und CETA bekräftigt.

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Die SPD hat es in der Hand TTIP & CETa zu stoppen. Grafik: Campact/Sascha Collet [CC BY-NC 2.0]

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Liebe Delegierte,

wir sind Bürgerinnen und Bürger, die in Anbetracht der geplanten Handelsabkommen TTIP, CETA und TISA in großer Sorge um zentrale Errungenschaften unserer Demokratie sind. Wir fürchten, dass diese Abkommen unseren Rechtsstaat durch Sonderklagerechte für Konzerne aushöhlen, Sozial- und Umweltpolitik ausbremsen und die demokratische Gesetzgebung durch einen Rat für regulatorische Kooperation beschädigen.  

Erst vor wenigen Wochen hat Sigmar Gabriel angekündigt, die SPD stärker für Nicht-Mitglieder zu öffnen und zu einer Beteiligungspartei auszubauen. Diese Initiative für einen offenen Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern begrüßen wir sehr – und nehmen sie auf. Wir hoffen, mit diesem Brief bei Ihnen auf offene Ohren zu stoßen.

Die SPD hat auf ihrem Parteikonvent im September 2014 rote Linien zu TTIP und CETA beschlossen, die klare Anforderungen an die Handelsabkommen definieren. In dem Beschluss werden Investor-Staat-Schiedsverfahren und unklare Rechtsbegriffe wie “indirekte Enteignung” oder “faire und gerechte Behandlung” beim Investitionsschutz abgelehnt. Die Abkommen dürfen keine Beeinträchtigung von Arbeitnehmerrechten oder Sozial- und Umweltstandards mit sich bringen. Außerdem wird die geplante regulatorische Kooperation zur Umgehung demokratischer Gesetzgebung ebenso abgelehnt wie Negativlisten bei der Dienstleistungsliberalisierung. Wir begrüßen, dass die SPD diese roten Linien als Ausdruck sozialdemokratischer Grundwerte beschlossen hat.

Besondere Sorge bereitet uns derzeit das CETA-Abkommen zwischen Kanada und der EU. Das Abkommen ist fertig verhandelt und Sigmar Gabriel muss voraussichtlich im kommenden Jahr im EU-Ministerrat darüber abstimmen. Der CETA-Vertrag enthält nicht den von der EU-Kommission im Zuge der „TTIP-Debatte“ vorgeschlagenen Reformansatz zur Einrichtung einer öffentlichen Gerichtsbarkeit für Investorenklagen gegen Staaten, sondern den „alten“ ISDS-Ansatz. Richtet sich Gabriel nach den roten Linien der SPD, dann muss er das CETA-Abkommen aus mehreren Gründen ablehnen.

  1. CETA sieht ausdrücklich Investor-Staats-Klagen bei privaten Schiedsgerichten vor. Mit dem Abkommen könnten US-amerikanische Investoren, die in Kanada ein Tochterunternehmen haben, europäische Staaten auf Schadensersatz verklagen.
  2. Mit CETA würde außerdem ein Regulierungsrat gegründet, in dem Bürokraten und Konzernlobbyisten überprüfen, ob Gesetzesentwürfe dem Abkommen widersprechen – noch vor gewählten Parlamentariern.
  3. Durch Negativlisten bei Dienstleistungen ergeben sich durch CETA zudem erhebliche Liberalisierungsverpflichtungen. Damit würden die öffentliche Daseinsfürsorge und die Gestaltungshoheit der Kommunen stark beeinträchtigt.

Aufgrund dieser und weiterer Gründe haben der DGB und der kanadische Gewerkschaftsdachverband CLC gemeinsam dazu aufgerufen, CETA nicht zu ratifizieren.

Leider hat sich Sigmar Gabriel bislang nicht unmissverständlich dazu bekannt, CETA in seiner derzeitigen Form im Ministerrat abzulehnen. Im Bundestag warb Gabriel ausführlich für den Vorschlag der EU-Handelsbeauftragten Cecilia Malmström, ein Investitionsgerichts-System (ICS) anstelle von Schiedsgerichten (ISDS) einzurichten. Doch dieser Vorschlag bezieht sich ausdrücklich allein auf TTIP – und nicht auf das fertig verhandelte CETA-Abkommen!

Allerdings sind auch Malmströms Handelsgerichte nicht mehr als eine kosmetische Korrektur. Die zentrale Kritik an den Schiedsgerichten trifft auch das Investitionsgerichts-System: Ohne jede Notwendigkeit würden damit Sonderklagerechte für internationale Konzerne geschaffen, die einheimischen Unternehmen nicht offenstehen. Auch Malmströms Handelsgerichte sollen mit hochgradig problematischen Rechtsbegriffen wie “indirekte Enteignung” und “faire und gerechte Behandlung” arbeiten. Dabei geht es allein um die Durchsetzung von Investorenrechten gegenüber den Vertragsstaaten. Die Investoren erhalten zwar viele Rechte, aber keine korrespondierenden Pflichten. Die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 (2) GG) gilt hier ebensowenig wie internationale Arbeits- und Umweltnormen. Anstatt kosmetischer Korrekturen müssen Sonderklagerechte für Konzerne grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Vor diesem Hintergrund wenden wir uns mit diesem Brief an Sie, die Delegierten des Bundesparteitages im Dezember. Dort wird es erneut eine Debatte zu TTIP und CETA geben und es stehen mehrere Anträge zur Abstimmung. Der Parteitag bietet somit eine große Chance, die roten Linien mit einem Parteitagsbeschluss zu bekräftigen und zum Ausdruck zu bringen, dass Abkommen mit Sondernklagerechten für Konzerne – und damit insbesondere CETA – nicht zustimmungsfähig sind.

Mit einer Bekräftigung der roten Linien durch einen Parteitagsbeschluss hat die SPD eine wachsende Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Einer neuen repräsentativen Umfrage zufolge halten 46 Prozent der deutschen Bevölkerung TTIP für eine schlechte Sache – gegenüber 34 Prozent, die das Handelsabkommen für eine gute Sache halten. Noch deutlicher ist die Ablehnung von Investitions-Schiedsgerichten, die 57 Prozent für eine schlechte Sache halten.

Anfang Oktober demonstrierten in Berlin rund 250.000 Menschen gegen TTIP und CETA, darunter viele Sozialdemokraten. Es war die größte politische Demonstration seit dem Irak-Krieg 2003. Viele der Demonstrant/innen haben die Hoffnung, dass die SPD TTIP und CETA stoppen wird. Denn diese Abkommen verstoßen klar gegen sozialdemokratische Grundwerte – so stellte es die Grundwertekommission der SPD im Januar 2015 fest. Und noch wichtiger: Die SPD hat es gleich vierfach in der Hand, die Abkommen zu stoppen: im EU-Ministerrat, im EU-Parlament, im Bundestag und im Bundesrat. In diesem Sinnen hoffen wir darauf, dass Sie auf dem Bundesparteitag die roten Linien der SPD unmissverständlich bekräftigen.

Mit freundlichen Grüßen

Campact-Aktive aus ganz Deutschland

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Autor*innen

Organisierte Protest gegen Castor-Transporte und ist einer der Gründungsstifter der Bewegungsstiftung. Nach dem Studium der Politik, Philosophie und Soziologie promovierte er über Zivilen Ungehorsam in der internationalen Politik. Bevor Gerald Neubauer 2015 zu Campact kam, arbeitete er als Campaigner für Greenpeace zum Thema Kohleausstieg. Alle Beiträge

10 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich war bei der großen Demo mit 250.000 Menschen in Berlin mit dabei – alles verlief friedlich, Rechte waren unerwünscht.
    Gestern musste ich in einer Sendung mit Frau Maischberger feststellen, dass die Demonstranten von der CDU-Frau Glöckner(?) erneut diffamiert wurden als Rechte und mit Galgen Herumlaufende…das Märchen wurde irgendwann einmal in die Welt gesetzt und papageienmäßig ständig nachgeplappert. Das muss endlich aufhören und die inhaltliche Debatte um TTIP und Co. geführt werden von den Politikern. C.Feller

  2. Mir gefällt die Aktion! Leider sind die Übergabezeiten für normale Arbeitnehmer üngünstig. Was spricht gegen eine Mailaktion? Ich habe privat überlegt, einige SPD-Geschäftsstellen, SPD-Bundestagsabgeordnete, etc. herauszusuchen und per Mail das Gespräch zu suchen. Das könnte von viel mehr Menschen durch geführt werden.
    Ich vermisse in dem offenen Brief den Bezug zu „unternehmerischer Verantwortung“ und „Marktwirtschaft“. Unternehmen haben die Wahl, Produkte anzubieten, die bei Kunden so interessant sind, dass sie sie kaufen. Wird dann noch umfassend über das Produkt informiert, werden sicher auch die Vorzüge des Produkts deutlich. D.h. ein Unternehmen mit interessantem Produkt kann sich nur Transparenz wünschen. Dann setzen (grob gesprochen) marktwirtschaftl. Kräfte ein. Firmen mit Produkten, für die es keine oder zu wenig Käufer gibt, müssen sich ein anderes Produkt überlegen. Und dieses Prinzip wird hier ausgehebelt!

  3. Nach allem was durchgesickert ist, kann ich nur sagen: TTIP CETA TISA sind Verrat an den Interessen der Bevölkerung – ganz gleich welchen Landes auch immer

  4. Habe mich schon mehrfach an die SPD , mit der Bitte um mehr Sozialdemokratie gewand, allein ist man zu schwach.
    WIR SCHAFFEN DAS!

  5. Traurig genug das die Bürger die Parteien auf solche Missstände aufmerksam machen müssen – aber es ist ja noch nicht zu spät. Handelt endlich im Sinne der Bürger und nicht der Kooperationen – schleißlich wollt ihr ja wiedergewählt werden. Danke

  6. Als besorgter Bürger schließe ich mich der Forderung von Compact Aktive an und fordere Sie ebenfalls auf TTIP und CETA zu stoppen.

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