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PR statt Zusatzprotokoll: Was das geleakte CETA-Papier verrät

Dieses Papier sollte CETA entschärfen: der Entwurf der "Klarstellungen" - ein Zusatzprotokoll für CETA. Das von der EU-Kommission und Kanada entworfene Papier wurde nun geleakt. Wir haben den Entwurf analysiert - und erklären, was wirklich drin steckt.

Die Zusatzerklärung zu CETA wurde geleakt. Grafik: Zitrusblau/campact

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Insbesondere der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat viel darauf gesetzt, CETA in allerletzter Minute doch noch entschärfen zu können. Mehrere rechtlich verbindliche Zusatzprotokolle sollten CETA, dem TTIP-Schwesterabkommen mit Kanada, an kritischen Stellen nachbessern.

Die SPD setzt auf die Zusatzvereinbarungen

Für die SPD war die Aussicht auf rechtlich verbindliche Zusatzvereinbarungen das Zauberwort, um die widerstrebende SPD-Basis beim SPD-Parteikonvent in Wolfsburg auf Zustimmungskurs zu bringen. Dazu war Sigmar Gabriel – wie zuvor schon DGB-Chef Reiner Hoffmann – extra nach Kanada gefahren, um die Bereitschaft der Kanadier zu substantiellen Zugeständnissen auszuloten.

Die Parlamentarische Linke der SPD hat nach dem SPD-Parteikonvent im September viel Wert darauf gelegt, dass der Wolfsburger Beschluss kein Freibrief für CETA sei. Vielmehr solle dieser klare Bedingungen formulieren, die Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten seien. Ohne die Erfüllung der Forderungen könne die SPD nicht zustimmen.

Was rauskam: eine Werbebroschüre

Was nun die österreichische Kronenzeitung geleakt hat, ist kein rechtsverbindliches Zusatzprotokoll, das CETA in der Substanz in irgendeiner Weise modifiziert. Es ist der Entwurf einer „interpretierenden Erklärung“, deren rechtlicher Stellenwert von Greenpeace mit dem eines „Urlaubskatalogs“ verglichen wurde. Also ein Text, die uns mit viel schönen Worten CETA nochmal nahebringen will, aber einfach null Substanz hat. Um nur einige Punkte aufzuführen:

  • Statt Investor-Staats-Klagen ganz abzuschaffen – oder zumindest auf die Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen zurückzustutzen wie von DGB und SPD gefordert -, bekräftigt der Text erneut hochproblematische Gummibegriffe wir “faire und gerechte Behandlung”. Sie sind ein Einfallstor für kreative Konzernklagen.
  • Statt das Vorsorgeprinzip ausdrücklich und unmissverständlich zu bestätigen – wie von DGB und SPD gefordert – kommt dieses wichtige Rechtsprinzip im geleakten Text überhaupt nicht vor. Daher bietet diese Erklärung auch keinerlei Schutz vor den Ansprüchen der Genlobby, wie sie z.B. „Soy Canada“ in einem Lobbybrief an die EU-Kommission unter Bezug auf CETA bereits angemeldet hat. Dieser noch kaum bekannte Lobbybrief zeigt einmal mehr auf, wie CETA Ansatzpunkte für die Aushebelung des Vorsorgeprinzips bietet – und die Erklärung schiebt dem keinen Riegel vor.
  • Keinerlei Sanktionsmechanismus beim Bruch von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards wie vom DGB und der SPD gefordert. Stattdessen Wiederholung des bestehenden unverbindlichen Verfahrens.
  • Kein umfassender Schutz der Daseinsvorsorge wie vom DGB mit einer präzisen Klausel vorgeschlagen, und wie auch vom Deutschen Städtetag erst jüngst gefordert.
  • Das im Text hochgelobte „Recht zu Regulieren“ der Staaten gilt nur im Rahmen der Liberalisierungsvorschriften von CETA. Der Staatsrechtler Martin Nettesheim stellt im Auftrag der Landesregierung Baden-Württemberg fest, dass derlei Klauseln nicht „als eigenständige Grundlage für die Herleitung von Freiräumen der Vertragsparteien“ dienen.

Interpretierende Erklärung ändert nichts an problematischer Substanz

Vorgestern wurde ein Rechtsgutachten eines der führenden kanadischen Wirtschaftsjuristen, Steven Shrybman von Goldblatt Partners LLP veröffentlicht. Das Gutachten im Auftrag der kanadischen Organisation Council of Canadians bestätigt, dass die so genannten „interpretierenden Erklärungen“ nichts am Kern des Abkommens ändern und vor einem Schiedsgericht gegen die Rechtssubstanz des Abkommens keinen Bestand haben. Ein Schiedsgericht könne diese Erklärung akzeptieren oder verwerfen, schreibt Shrybman.

„Eine interpretierende Erklärung wird von Vertragsparteien einem Schiedsgericht präsentiert um ihre Ansichten zur Interpretation von CETA anzuzeigen, doch diese Interpretation kann von einem Schiedstribunal akzeptiert oder eben auch verworfen werden.“

Genau das war anscheinend auch die Intention. Man bekommt den Eindruck, die Erklärung sei in der PR-Abteilung der EU-Kommission entstanden mit dem Auftrag, CETA dem skeptischen Bürger noch einmal anzupreisen. Sie wurde sicher nicht mit dem Willen verfasst, die durch umfangreiche Rechtsgutachten vielfach belegten Probleme von CETA substantiell aus der Welt zu räumen.

UPDATE: Der Fachanwalt Steve Shrybman hat sich nun den geleakten Entwurf der Erklärung angeschaut und sich dabei auf die Investitionsschutzbestimmungen beschränkt. Er schreibt: „Das Dokument kann völkerrechtlich nicht im Ernst als „interpretierende Erklärung“ angesehen werden aus dem einfachen Grund, dass es nicht einmal den Anschein erhebt, die CETA-Bestimmungen zum Investitionsschutz zu interpretieren. (…) Die Kommentare zum Investitionsschutz ähneln einer Presseerklärung, die die Vorzüge der CETA-Investitionsschutzregeln aus Sicht ihrer Autoren anpreist.“

Ein Schlag ins Gesicht für die Sozialdemokratie

Der geleakte Entwurf ist aber auch eines: ein Schlag ins Gesicht für all die Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die Hoffnungen auf Last-Minute-Änderungen an CETA gesetzt hatten – und nun bitter enttäuscht werden. Nun wird sich zeigen, ob die Wolfsburger Bedingungen der SPD zur Zustimmung zu CETA wirklich harte Kriterien sind – und SPD-Abgeordnete CETA so die Zustimmung verweigern.

Auch der österreichische SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern kann mit diesem dünnen Papier nicht ernsthaft vor seine Partei treten. In einer Mitgliederbefragung stimmten 88 Prozent gegen CETA – nun könnte er kaum behaupten, mit diesem Papier sei ihre begründete Kritik an CETA ernsthaft adressiert.

Und doch könnte es so kommen – die letzten Signale aus Wien ließen befürchten, dass Bundeskanzler Kern trotzdem an CETA festhalten will. Europaweit fordern Bürger/innen den österreichischen Kanzler auf CETA zu stoppen:

Wir bleiben dran – und stoppen CETA!

Wir hatten wenig Illusionen CETA über Zusatzprotokolle und Erklärungen zu entschärfen. Dazu ist das Abkommen grundsätzlich zu falsch aufgesetzt. Faire europäische Handelspolitik braucht einen anderen Weg – und führt nicht über eine Handelspolitik, die Abkommen wie TTIP, CETA und TiSA bisher vorangetrieben haben. Erst wenn CETA scheitert, wird der Weg für einen Neuanfang frei gemacht.

Diese Aktionen haben wir geplant:

  • Am 12. Oktober protestieren wir vor dem Kanzleramt in Berlin. In der dort stattfindenden Kabinettssitzung, soll CETA durchgewunken werden.
  • Am 12. und 13. Oktober werden wir auch in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht für eine einstweilige Verfügung gegen das „vorläufige“ Inkrafttreten von CETA eintreten.
  • Am 18. Oktober werden wir in Luxemburg vor der Sitzung des Rats der Europäischen Handelsminister gegen die Zustimmung für CETA protestieren.
  • Wenn es zur Unterzeichnung von CETA am 27. Oktober kommen sollte, haben wir uns vorgenommen unsere Europa-Abgeordneten aufzufordern, CETA nicht zu ratifizieren. Dann kann CETA nicht in Kraft treten.

In Bayern unterstützen wir zudem ein Volksbegehren gegen CETA, das Bayern verpflichten soll, im Bundesrat gegen CETA zu stimmen. Den Grünen werden wir besonders in Hamburg, Hessen und Baden-Württemberg Druck machen, CETA im Bundesrat zu stoppen.

Ihr seht: CETA stoppen ist ein Marathon, kein Kurzstreckensprint.

Bleibt mit uns dran:

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Autor*innen

Jörg Haas, Jahrgang 1961, war Campaigner bei Campact. Nach einem Berufseinstieg in die Entwicklungszusammenarbeit in einem Regenwaldprojekt in Ecuador war er lange Jahre als Ökologiereferent für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig. 2008 wechselte er als Programmdirektor zur European Climate Foundation. Intensives Engagement in den UN-Klimaverhandlungen in Kopenhagen. Ohne öffentliche Mobilisierung fehlt jedoch der Handlungsdruck - daher der Wechsel zu Campact, zuerst als Pressesprecher, dann als Campaigner. Alle Beiträge

4 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich nehme an, dass es zum Schlimmsten kommt. Trotzdem müssen wir alle, die diesen Ausverkauf des Staates durch die gewählten Vertreter, von den Abgeordneten bis zu Ministern und Kanzlerin, stoppen wollen, auf allen Wegen dagegen angehen.

    Es bleibt noch der juristische Weg, den Campact und andere ja begonnen haben. Das wird noch viel Geld brauchen, muss aber sein. Nach meiner Einschätzung sind die Abkommen nicht mit unserem Grundgesetz und auch nicht mit den Verfassungen anderer EU-Staaten vereinbar. Und für die vorläufige Inkraftsetzung fehlen die rechtlichen Voraussetzungen, u.a. weil es keinen Handlungsbedarf gibt.

    Und – wurde schon mal die Option eines Streiks überlegt ? In Deutschland sind politische Streiks ungewöhnlich, aber es geht für Arbeitnehmer um sehr viel. Der DGB und die Einzelgewerkschaften sollten mit Kirchen und sozialen Verbänden ernsthaft einen Generalstreik prüfen.

    Viele Grüße
    Thomas

  2. ceta muss neu verhandelt werden. unterstützt den österreichischen Bundeskanzler kern, spö. nur er kann ceta on dieser Fassung auch mit den neuen Erklärungen verhindern

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