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Die Grillwurst-Lüge

Nach der Corona-Infektionswelle in Schlachthöfen von Tönnies und Co. wollte auch die CDU Menschenrechte in der Fleischbranche stärken und hatte im Juli im Kabinett einen Gesetzentwurf dazu mitgetragen. Dann blockierte die CDU-Fraktion im Bundestag das Gesetz zum Arbeitsschutz. Sie hatte dabei nicht mit den Campact-Unterstützer*innen gerechnet, die bei den verantwortlichen Abgeordneten die Telefondrähte heiß laufen ließen.

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Diese Nachricht machte uns richtig wütend: Im Juni und Juli hatte die CDU noch betont, sie wolle sich nicht länger von Fleischbaronen wie Deutschlands größtem Schweineschlachter Clemens Tönnies ausnutzen lassen. Nun schwenkte sie voll auf den Kurs der Schlachtindustrie. Die CDU-Fraktion startete eine regelrechte Kampagne, behauptete, der verantwortliche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) würde mit dem Gesetz die Schlachtkonzerne so unflexibel machen, dass die kommende Grillsaison in Gefahr gerate.

Panik schüren

Immer wieder führten Politiker*innen den drohenden Grillwurstmangel an. Haarsträubend, fanden Gewerkschaftsvertreter*innen, weil es wesentlich bessere Lösungen für Zeiten mit hoher Arbeitsauslastung gibt als Leiharbeitsverträge. Die CDU wollte jedoch um jeden Preis das vorgesehene Verbot der Leiharbeit verhindern. Und das, obwohl längst klar war, dass die Großschlachtereien mit unfairen Verträgen Beschäftigte brutal ausbeuten – längst nicht nur bei Tönnies. Kontrolleur*innen waren überfordert, fanden in einzelnen Schlachthöfen bis zu 30 verschiedene Werkvertragsunternehmen vor.

Allerdings hatten weder Fraktionschef Ralph Brinkhaus, noch Agrarsprecher Albert Stegemann oder der für das Gesetz zuständige Max Straubinger mit der “Campact-Sonderkomission Arbeitsschutz” gerechnet.

Sondereinsatz per Telefon

Mehr als 300.000 Menschen haben seit dem Sommer unseren Appell “Schließt die Tierfabriken!” unterzeichnet. Sie fordern von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Hubertus Heil Konsequenzen aus über 2000 Corona-Infektionen in den Schlachthöfen. Arbeitsminister Heil hatte geliefert: Sein Gesetzentwurf erfüllte einen wichtigen Teil unserer Forderungen. Als die CDU zur Blockade überging, baten wir alle Unterzeichner*innen um ihren Sondereinsatz. Und sie legten los: Im ganzen Land griffen Tausende zum Telefonhörer, schrieben an die verantwortlichen Abgeordneten oder gaben die Nachricht an Freund*innen weiter.

CDU massiv in der Kritik

Die Telefone schrillten. Die Fragen der Campact-Aktiven waren gut. Die Medien berichteten über den Konflikt und zwischen den Spitzen der Fraktionen fanden intensive Verhandlungen statt. Unsere Campaigner*innen sprachen mit Abgeordneten, Gewerkschaftsvertreter*innen und Menschenrechts-Expert*innen.

Die Einigung: fast gut

Dann die Nachricht: Am 27. November einigten sich die Vertreter*innen der beiden Regierungsparteien. Werkverträge werden ab dem 1. Januar 2021 verboten. Ab dem 1. April soll es außerdem ein Verbot der Leiharbeit geben. Das ist ein erster Erfolg. Allerdings bleibt eine Hintertür: In der Fleischweiterverarbeitung ist für weitere drei Jahre bei vorhandenen Tarifverträgen doch Leiharbeit möglich. Konsequent gilt das Verbot nur in der Schlachtung und Zerlegung. Eine Person darf maximal vier Monate in dieser Struktur beschäftigt sein.

Etwas weniger furchtbar

Verbesserungen bei der Unterbringung, eine rechtliche Beratung, erhöhte Bußgelder bei Verstößen und vermehrte Kontrollen gehören ebenfalls zu dem nun beschlussfähigen Gesetz. In seiner letzten Lesungswoche im Dezember beschließt der Bundestag das Gesetz endgültig. Wir sind erleichtert. Das Ergebnis ist wesentlich besser als wir befürchtet hatten. Auf die Ausnahmeregel hätten wir gerne verzichtet. Aber auch so können Schlachtkonzerne wie Tönnies im nächsten Jahr ihre Beschäftigten nicht mehr so ausbeuten wie bisher. Die Menschen, die dort arbeiten, werden besser untergebracht und können auf Beratung und fairere Bezahlung bauen.

Vertrauen grob missbraucht

Endlich einmal ist die Fleischindustrie nicht mit ihren falschen Versprechungen durchgekommen: 2014 hatte sich die Branche mit einem Verhaltenskodex geschmückt und stolz erklärt, soziale Standards bei der Unterbringung ihrer Arbeitnehmer*innen einzuhalten. 2015 versprach sie, alle Beschäftigten bis Juli 2016 in sozialversicherungspflichtige Anstellungen zu übernehmen. Nichts davon geschah.

Dafür, dass es dieses Mal anders ausgegangen ist, möchten wir auch all denen “Danke” sagen, die bei unserer Telefonaktion mitgemacht haben. Das war ein super Einsatz!

Umbau der Tierhaltung

Die größere Aufgabe steht noch bevor: Megaschlachthöfe und -ställe an sich abzuschaffen. Die bisherige Agrarpolitik hat das Entstehen der Schlachtriesen begünstigt, auch die schwachen und zu wenig kontrollierten Regeln für Tiertransporte waren zu Gunsten von Megabetrieben und Billigfleisch.

Damit das Leid in den Ställen endet, braucht es endlich klare Auflagen und faire Preise. Bauernhöfe sollen nur noch so viele Tiere halten dürfen, wie sie selbst mit Futter versorgen können – und deren Gülle sie allein entsorgen können. Landwirt*innen, die ihre Tiere gut halten, müssen unterstützt werden – durch eine Abgabe auf Fleisch und EU-Agrarsubventionen.

Frau Julia Klöckner, Sie sind am Zug! Und: Sie müssen mit uns rechnen!

Hier klicken und den Appell gegen das Billigfleisch-System unterzeichnen
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Autor*innen

Jutta Sundermann ist seit dem Abitur Vollzeitaktivistin. Sie gründete Attac in Deutschland mit und war acht Jahre im bundesweiten KoKreis des globalisierungskritischen Netzwerks aktiv. Außerdem entwickelte und begleitete sie Kampagnen mit Medico international und Aktion Agrar. Seit März 2019 war sie bei Campact. Alle Beiträge

2 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Immer soll die Polittik ales lösen,Ihr könnt nur
    kritisieren nur es komm weder brauch bare vorschläge
    wie man, es besser machen kann fragt doch mal die
    Leute wieviel Geld sie für Fleisch und Wurst ausgeben wollen.

  2. Es lebe der Lobbyismus! Und da wundert man sich, warum wir immer mehr das Vertrauen in die Politik verlieren. Es geht wie immer und überall nur um Geld. Meiner Meinung nach sollten wir keine Debatte um schärfere Gesetze in Schlachtbetrieben führen, sondern viel weiter gehen. Es ist kurz vor 12, unser Planet geht den Bach runter und daran ist auch maßgeblich die Fleischindustrie beteiligt. Anders gesagt: Wir Verbraucher müssen unseren Konsum endlich überdenken, denn mit unserer Nachfrage sorgen wir doch dafür.

    Im Discounter für 0,99 Euro 500 Gramm Hackfleisch kaufen wollen und dann auf der Straße stehen und demonstrieren. Hört endlich auf Fleisch zu konsumieren wie verrückt, es schadet der Gesundheit und dem Planeten.

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