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Gesetzgebung darf keine Geheimsache sein!

In Brüssel werden Gesetze unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Die EU muss diese Geheimhaltung dringend beenden.

Das Bild zeigt eine EU-Flagge auf weißem Grund. Die eine Hälfte der Flagge sieht aus wie eine Tür, sie hat eine gelbe Klinke. An der Klinke hängt ein Schild mit der Aufschrift "Geheim".
Grafik: LobbyControl

Wenn in Brüssel Gesetze gemacht werden, sind die Folgen für uns alle oft weitreichend: Da geht es um die Begrenzung der Macht von Digitalkonzernen oder im nächsten Jahr um die Regulierung bezahlter politischer Werbung. Sobald Konzerne ihre Geschäftsinteressen davon berührt sehen, versuchen sie mit allen Mitteln, geplante Regelungen aufzuweichen.

Imke Dierßen ist politische Geschäftsführerin bei LobbyControl. Im Campact-Blog schreibt sie über Lobbyismus und politische Machtungleichgewichte.

So tobt aktuell eine Lobbyschlacht um das EU-Lieferkettengesetz, das die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz in den globalen Lieferketten gewährleisten soll. Es wird demnächst im sogenannten Trilog verhandelt. Doch diese entscheidenden Verhandlungen, in denen Parlament, Rat und Kommission Einigkeit über ein Gesetz erzielen wollen, finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bei der Gesetzgebung sollte Transparenz jedoch groß geschrieben werden. Nur so werden Lobbyeinflüsse erkennbar, und besteht die Chance, dass das Gemeinwohl berücksichtigt wird.

Intransparente Triloge als Einfallstor für Lobbyeinfluss

Konzerne mit viel Lobbymacht nutzen die Phase der Triloge, um noch in letzter Minute Änderungen in ihrem Interesse durchzusetzen. Über privilegierte Zugänge erhalten sie das ein oder andere Mal Informationen, wie die Verhandlungen laufen und wer welche Positionen vertritt. Das erleichtert ihnen ihre Lobbyarbeit. Demgegenüber bleiben die Verhandlungszwischenstände für eine breite Öffentlichkeit weitgehend im Dunkeln.

Eine solche Geheimniskrämerei ist in einem demokratischen Gesetzgebungsprozess jedoch inakzeptabel! LobbyControl fordert deshalb die Offenlegung der zentralen Verhandlungsdokumente eines Trilogs.

Europäisches Gericht stärkt Transparenz – und wird nicht beachtet

Mit dieser Forderung haben wir das Europäische Gericht auf unserer Seite. Im sogenannten Capitani-Urteil entschied es vor fast fünf Jahren, dass die Öffentlichkeit freien Zugang zu den Verhandlungszwischenständen der Triloge haben muss. Das Gericht hatte erkannt, dass Bürger:innen ihre demokratischen Rechte nur dann wahrnehmen können, wenn sie rechtzeitig und gut informiert sind. Das Parlament stellt die Dokumente in der Praxis jedoch nur auf Anfrage, deutlich zu spät und häufig unvollständig zur Verfügung.

Ein Beispiel: Anfang 2022 bat LobbyControl gemeinsam mit mehr als 40 anderen Organisationen das Europäische Parlament um Zusendung des aktuellen Verhandlungsdokuments zum Digitalmarkt-Gesetz. Die Verhandlungen über das Gesetz, das die Macht der Internetgiganten begrenzen soll, waren zu dem Zeitpunkt in der Trilog-Phase und von starkem Lobbyeinfluss von Google & Co geprägt. Tatsächlich schickte uns das EU-Parlament ein Dokument zu – doch in diesem fehlten die entscheidenden Informationen. Es war noch vor Beginn der Verhandlungen erstellt worden und völlig veraltet.

Druck für Trilog-Transparenz

LobbyControl will alle Möglichkeiten nutzen, um Transparenz herzustellen. Wer Gesetze für die Bürger:innen Europas macht, soll sich auch von ihnen auf die Finger schauen lassen. Eine Beschwerde bei der EU-Bürgerbeauftragten Emily O‘Reilly ist in Arbeit, damit auch sie sich der Sache annimmt. Bis O‘Reilly reagiert, kann es aber Monate dauern. Und sie kann nur eine Empfehlung aussprechen, nicht aber die EU-Institutionen zu einer Änderung ihres Verhaltens zwingen. Deshalb braucht es vor allem direkten öffentlichen Druck auf die Präsident:innen der drei EU-Institutionen, Ursula von der Leyen, Charles Michel und Roberta Metsola. Die Maßnahme, die wir verlangen, ist einfach, kostet nichts und ist unverzichtbar, damit die europäische Demokratie funktionieren kann: Stellt eure Verhandlungsdokumente ins Netz!

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Autor*innen

Imke Dierßen ist Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitete viele Jahre bei Amnesty International als Referentin und Abteilungsleiterin. Dort hat sie gelernt, wie schwierig es für die Zivilgesellschaft sein kann, sich gegen einflussreiche Akteure aus Politik und Wirtschaft durchzusetzen. Seit 2015 ist sie politische Geschäftsführerin von LobbyControl. Für den Campact-Blog schreibt sie über Lobbyismus und politische Machtungleichgewichte. Alle Beiträge

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