AfD-Notizen: Parteienstiftungen müssen antifaschistisch und antidiskriminierend sein
Die AfD ist seit 2013 dauerhaft im Bundestag vertreten. Mittlerweile haben sich aus der Partei verschiedene politische Strömungen entwickelt. Welche das sind und warum sie der Demokratie schaden, liest Du hier.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte am 22. Februar 2023, dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung 2019 in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt wurde, weil sie keine staatliche Förderung erhielt. Durch ein Parteienstiftungsgesetz müsse eine Rechtssicherheit hergestellt werden. Es geht hier um einen jährlichen zweistelligen Millionenbetrag. Und die Grundlage wäre ein Urteil aus dem Jahr 1986, dass „alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt“ mit den Parteienstiftungen berücksichtigt werden.
Campact hat einen Gesetzentwurf für ein Stiftungsgesetz erarbeitet. Das könnte verhindern, dass die AfD zukünftig von Förderung ausgeschlossen bleibt. Lies in diesem Interview alles dazu:
Die drei Strömungen der AfD
Tatsächlich alle Grundströmungen? Welche politische Grundströmung sollte die AfD vertreten? In meinen Vorträgen weise ich seit zehn Jahren darauf hin, dass die AfD drei verschiedene politische Strömungen zusammenführt: den extremen Neoliberalismus, den antifeministischen christlichen Fundamentalismus und den Faschismus. Oder um es in den Kategorien der Ungleichheitsforschung auszudrücken: Entlang der Kategorien von Class/Gender/Race sind die ideologischen Strömungen der AfD klassistisch, sexistisch und rassistisch.
Nicht erst mit der Erstarken der östlichen Landesverbände zeigten sich problematische Züge, sondern von Beginn an waren in der AfD Strömungen dominant, die sich gegen Artikel 20, Absatz 1 „Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ wandten. Beispielsweise als Hermann Behrendt im März 2014 Sprecher des Landesverbandes NRW, dem mit Abstand größten Landesverband, wurde. Behrendt forderte die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie, die Abschaffung des Streikrechts und des Kündigungsschutzes, weil die parlamentarische Demokratie „Arbeitsscheue“ schütze. „Mein Traum rüttelt an die Prinzipien des Grundgesetzes“, schrieb er, als Höcke und Kalbitz noch an ihrer Karriere arbeiteten.
Also nicht nur die faschistische Strömung, sondern auch die Strömung in der AfD, die ich „Proprietarismus“ (von lat. proprium = Eigentum) nenne, richtet sich gegen beide im zentralen Grundgesetzartikel 20 formulierten Merkmale der Bundesrepublik Deutschland: dass sie demokratisch und sozial sei. Und alle drei Strömungen der AfD kollidieren auf je eigene Weise (Rassismus, Sexismus, Klassismus) mit dem Gleichheits- und Antidiskriminierungsgrundsatz Artikel 3 des Grundgesetzes.
Die Grundströmung der AfD: Profaschismus
Wenn von einer übergreifenden Grundströmung der AfD gesprochen werden soll, müssen wir berücksichtigen, dass die AfD eine profaschistische Partei ist.
Unter „profaschistisch“ verstehe ich, dass die AfD einerseits ein Gärbecken des Faschismus ist, sie verstärkt unter anderem mit Höcke und seinem Landesverband die Entwicklung einer faschistische Strömung, und bekämpft andererseits explizite und implizite antifaschistische Initiativen und Institutionen. Ich will an diesem Punkt gar nicht diskutieren, ob die AfD inzwischen als faschistisch betrachtet werden kann. Relevant ist: Sie fördert den Faschismus. Und der Faschismus ist ganz sicher keine politische Strömung, die mit einer staatlich geförderten Stiftung finanziert werden dürfte.
Krah und Höcke: Mythos und deutscher Führungsanspruch
Wie sehr sich der Höcke-Flügel in der AfD durchgesetzt hat, zeigte sich zuletzt beim Neujahresempfang in meiner Wahlheimatstadt, im westfälischen Münster. Hier hat die AfD seit Jahren sehr schlechte Karten und daher versucht sie besonders moderat aufzutreten. Der Bezirksverband hatte Höcke am 20. Januar 2023 zum Neujahresempfang eingeladen und damit ist klar, dass der faschistische Flügel der AfD überall in Deutschland auftreten kann. Natürlich sorgte dies für entsprechende Proteste. Über fünftausend Münsteraner*innen skandierten „Ganz Münster hasst die AfD!“ und die Kaufmannschaft hisste aus Protest die Europa-Flagge.
Doch bereits zehn Tage später konnte man sich ein Interview im Namen der Fraktion „Identität und Demokratie“ im Europaparlament mit Björn Höcke ansehen. Der EU-Abgeordnete Maximilian Krah unterhielt sich mit Höcke über den Führungsanspruch Deutschlands in Europa. Zunächst benutzte der AfDler Krah noch den Begriff „Leadership“ – das deutsche Wort dürfe man ja nicht mehr sagen –, dann gingen sie zwanglos zum Begriff „Führerschaft“ über. Dass sich Krah und Höcke ein Europa nur unter deutscher Führung vorstellen können, wurde schnell klar. Allerdings machten sie deutlich, dass ihnen die aktuelle Führungsrolle nicht passe. Maximilian Krah: „Wir hoffen, deutsche Führungsrolle hätte wohl auch etwas kulturell Deutsches. Zur Zeit hat ja deutsche Führungsrolle den Auftrag, alles was kulturell deutsch ist, zu zerstören, hat man den Eindruck.“
Das ‚kulturell Deutsche‘ wiederum sei verbunden mit dem Mythos. Hier treffen sich der christliche Fundamentalismus von Krah, der für die rechtskatholische Piusbruderschaft eine Hinterlassenschaft der „Baronin von Gutmann“ von über 80 Millionen Euro steuerfrei anlegte, mit dem Faschismus von Höcke. Verklärung ist ein wichtiges Element des Faschismus, verträgt sich aber nicht mit Aufklärung und Demokratie.
Selbst der rechten Fraktion „Identität und Demokratie“ geht das Gebaren der AfD, insbesondere von Krah, inzwischen zu weit. Sie suspendierte Anfang Februar Maximilian Krah. Derweil schrieb am 6. März seine MdEP-AfD-Kollegin Christine Anderson direkt von der Trump-nahen CPAC-Konferenz: „Ich fühle mich geehrt, dass ich zu Steve Bannons privater After-Show-Party eingeladen worden bin.“ Bannon verteidigte die Erstürmungen der Regierungsgebäude in Washington und Brasilia und wird als Drahtzieher genannt.