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Digitaler Frühjahrsputz für Klima- und Datenschutz

Ein Aufruf zum Putzen unserer Smartphones, Festplatten, Clouds und Accounts – inklusive einer Check-Liste für den eigenen digitalen Frühjahrsputz und einer Portion Grundsatzkritik.

Die Grafik zeigt einen Mann, der sein Smartphone aufräumt: Es sieht so aus, als würde er aus dem Bildschirm heraus eine Treppe hinauf kommen. Es ist eine künstlerische Darstellung davon, wie ein digitaler Frühjahrsputz aussehen kann.
Digitaler Frühjahrsputz heißt auch: Smartphone aufräumen! Grafik: IMAGO / John Holcroft

Im März beginnt der Frühling und das heißt: Frühjahrsputz! Oder, wie es Unternehmensberatungen formulieren: „Attention Data Hoarders, It’s time to clean house.“ Diesen Aufruf zur Datenentsorgung sehe ich in letzter Zeit immer häufiger in Form von Werbung auf Websites und in Sozialen Medien. Er ist an Unternehmen gerichtet, die Daten anhäufen, weil sie glauben, sie irgendwann vielleicht für irgendetwas gebrauchen zu können. Oder, weil sie glauben, Speicherplatz koste nichts oder auch, weil sie nicht wissen, wie viele unnütze Daten sie verwalten und was dabei schief gehen kann.

Diese Datenhaltung auf Vorrat, also Vorratsdatenspeicherung im weitesten Sinn, betreiben die meisten von uns. Und das kostet Rechenleistung, Energie, physische Ressourcen und verursacht Risiken für Datenschutz und Datensicherheit. Individueller digitaler Frühlingsputz (engl.: digital spring clean) hilft – ist aber keine grundlegende Lösung für das eigentliche Problem. Hier kommst Du direkt zur Checkliste.

Wissen, wo die Daten sind

Anfang Februar wurde bekannt, dass die Gruppe „Letzte Generation“ ohne Absicht äußerst sensible Daten von mehr als 2.000 Personen im Internet zugänglich gemacht hatte. Die Daten wurden im Google Drive abgelegt, also einer Cloud eines Dienstleisters. Datenschützer:innen wissen aber: Es gibt keine frei schwebenden Datenwolken. Es gibt nur Computer, die von Dritten kontrolliert werden. Und so sind tausende Kontaktdaten, Informationen über psychische Konditionen und auch über die Bereitschaft, wie weit Menschen bei politischen Aktionen gehen wollen, in Hände gelangt, für die diese Daten nicht bestimmt waren. Fehlender Datenschutz wurde zum Klimaschutzproblem. Digitaler Frühjahrsputz ist ein guter Anlass, sich zu fragen: Für welche Daten bin ich verantwortlich? Sind Daten bei mir sicher? So ein gründlicher Datenputz hilf auch beim Stromsparen. Nach China und den USA hat das Internet, wenn es ein Land wäre, den höchsten Stromverbrauch weltweit. Datenminimierung bedeutet auch weniger Energiebedarf für Datenverarbeitung.

Unnütze dunkle Daten

Datenmüll-Hamstern belastet uns und unsere Umwelt. Wir haben, grob gesagt, zwei Möglichkeiten, wie wir mit überlaufenden E-Mail-Postfächern, vollgestopften Smartphones, jahrelangen Chat-Verläufen und grenzenlos wachsenden Datenbergen in Clouds umgehen können. Aufräumen oder eskalieren. Also: Zeit investieren und aussortieren oder eben mal schnell mehr Speicherplatz klicken oder ein neues Smartphone kaufen. Aus Klimaschutz-Perspektive ist letzteres keine Option, denn es bedeutet mehr Ressourcenverbrauch. Dark Data, also ungenutzte Daten, verbrauchen enorm viel Energie und verursachen einen Mehrbedarf an Datentransfers, Speichermedien und Rechenleistung.

[L]aut … Vodafone produzieren alle Cloud-Nutzer in Deutschland, die je 1.000 Fotos in Clouds speichern, jährlich gemeinsam rund 11.000 Tonnen CO₂. Das entspricht etwa der Menge, die durch 87.000 Flüge von Hamburg nach München entstehen!

warda.at

Wer Geräte möglichst lange nutzen möchte, muss verhindern, dass sie verstopfen. Zum Problem gehört aber auch, dass wir Fotos, E-Mails, Apps, Nachrichten, Abos und Accounts anhäufen, weil es einfach und bequem ist. Ein Social-Media-Account ist schnell eingerichtet. Wer seine Daten löschen will, muss hingegen lange nach dem richtigen Button im Unter-Unter-Unter-Menü suchen und selbst dann fürchten, dass in Datenbanken nur der Vermerk „gelöscht“ eingetragen wird, ohne, dass die Daten tatsächlich gelöscht werden.

Gute Technik ist schmutzabweisend

Ehrlicherweise: Digitaler Frühjahrsputz ist aufwendig und nervig. Das liegt auch daran, weil wir unsere Technik nicht grundlegend datenschutz- und klimaschutzfreundlich gestalten. Für diesen Artikel habe ich mir eine ganze Reihe von Check-Listen zum Aufräumen von Smartphones und PCs angesehen. Für Menschen, die Gerätepflege nicht zu ihren Leidenschaften zählen, ist der Aufwand einschüchternd. Wer sich die Zeit nimmt, die eigenen Betriebssysteme, Apps, Accounts, Abos und Services auf Datenschutz, Datensicherheit und Klimafreundlichkeit zu checken, kann locker eine Woche dafür einplanen. Das muss sich dringend ändern und verantwortlich dafür sind die Gesetzgeber und Hersteller. Was strukturell und damit automatisiert vernachlässigt wird, lässt sich nicht mit händischer digitaler Care-Arbeit nachträglich aufräumen.

Frühjahrsputz mit Feedback

Soweit ich sehen konnte, fehlt auf den meisten Check-Listen der Punkt, Verantwortlichen eine kurze E-Mail oder einen Tröt zu schreiben: „Danke für eure App. Ich hätte gern einen Knopf für das automatische Löschen meiner Daten alle drei Monate.“ Oder: „Ich hätte gern die Option, dass Bilder und Videos erst nach Klick auf einen Platzhalter angezeigt werden.“ Oder: „Ich hätte gern Voreinstellungen zur Datenminimierung, zum Beispiel reduzierte Auflösungen von Grafiken und Videos.“

Let’s putz!

Solange sich unsere Technik nicht selbst putzt, und so ganz wird sie es vermutlich nie autonom können, bleibt digitaler Frühlingsputz Handarbeit. Ja, es sind immer andere Dinge zu tun, aber: Digitalisierung verpflichtet auch. Es geht nicht, sich das Leben jeden Tag durch digitale Technik bequemer zu machen, aber sich gleichzeitig nicht darum kümmern zu wollen. Traditionell soll der Hausputz im Frühjahr „Unglück“ vertreiben und positive Energie freisetzen. Aufräumen, Projekte fertigstellen, kaputte Dinge reparieren und sich und seine Belange besser sortieren, steigert das Wohlbefinden. Also, trotz allem: Ran an den digitalen Frühjahrsputz!


Die fragende Check-Liste

Im Internet sind erstaunlich viele Check-Listen für den digitalen Frühjahrsputz zu finden, zum Beispiel die 10-Schritt-Methode von Saferinternet.at. Mit meiner Liste habe ich vor allem überlegt, welche Aspekte des Klimas- und des Datenschutzes beim Aufräumen eine Rolle spielen. Außerdem ist sie in Fragen formuliert. Alleine putzt es sich zäh – am besten geht es gemeinsam mit anderen. Teile die Checkliste mit Deinen Freund*innen und legt gemeinsam los!

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[ ] Kleine Selbstinventur: Bin ich mit meinem digitalen Gewohnheiten zufrieden? Möchte ich etwas an meinem Nutzungsverhalten ändern? Was bereichert mein Leben und was lenkt mich ab?

[ ] Funktionieren meine Geräte so, wie ich es will? Was kann ich verbessern und wer kann mir helfen?

[ ] Sind meine Geräte auf aktuelle Stand? Wie kann ich Sicherheitslücken schließen?

[ ] Gibt es in den Geräten die ich nutze, Einstellungen, die Daten- und Energieverbrauch sparen oder mir helfen, mich weniger ablenken zu lassen?

[ ] Möchte ich ein datenschutzfreundliches und offenen Betriebssystem ausprobieren? Informationen für alternative Smartphone- und PC-Betriebssysteme gibt es beispielsweise bei Mike Kuketz.

[ ] Welche Apps und Programme nutze ich und welche nicht? Welche lenken mich nur ab? Kann ich sie entfernen? Kann ich sie durch datenschutzfreundliche Anwendungen ersetzen? Kann ich die Einstellungen der Apps verbessern?

[ ] Erzeuge ich unnützen Datenverkehr? Wie oft klicke ich zum Beispiel, ohne zu lesen? (Dafür gibt es sogar eine Bezeichnung, das „clicking without reading“-Phänomen – gilt aber auch für Musik und Videos.) Wie oft lasse ich Geräte leer laufen?

[ ] Gibt es Accounts, die mich im Grunde nur ablenken? Welche Accounts nutze ich nicht? Kann ich Accounts löschen? Kann ich die Daten löschen lassen?

[ ] Wo liegen meine sensiblen Daten? Liegen meine Passwörter, Authentifizierungs-Dateien und meine wichtigen Dokumente an einem sicheren Ort?

[ ] Wie voll sind meine E-Mail-Postfächer? Wie kann ich sie am besten aufräumen, ohne wichtige E-Mails zu verlieren? Welche Anhänge nehmen den größten Speicherplatz ein?

[ ] Sind meine Anbieter für E-Mail, Internet, Mobilfunk, Unterhaltung und Co. klimafreundlich und datenschutzfreundlich? Sollte ich über einen Wechsel nachdenken?

[ ] Möchte ich einen datenschutzfreundlichen Messenger ausprobieren? Wer kennt sich aus, wen kann ich fragen?

[ ] Wie weit gehen meine Chat-Verläufe zurück? Möchte ich das? Kann ich die Chats archivieren? Kann ich sie löschen? Kann ich die Apps so einstellen, dass Nachrichten automatisch nach einer bestimmten Zeit gelöscht werden?

[ ] Welche Abos, Newsletter und Followings bringen mir nichts? Was kann ich de-abonnieren?

[ ] Welchen Accounts zu den Themen Klimaschutz und Datenschutz kann ich folgen?

[ ] Was kann ich mit meinen alten oder ungenutzten Geräten machen? Kann ich sie weitergeben, spenden, verkaufen oder fachgerecht entsorgen. Sind da noch Daten drauf?

[ ] Kann ich meine eigene Website, meine eigene Cloud in Bezug auf Klima und Datenschutz optimieren?

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Autor*innen

Friedemann Ebelt engagiert sich für digitale Grundrechte. Im Campact-Blog schreibt er darüber, wie Digitalisierung fair, frei und nachhaltig gelingen kann. Er hat Ethnologie und Kommunikationswissenschaften studiert und interessiert sich für alles, was zwischen Politik, Technik, und Gesellschaft passiert. Sein vorläufiges Fazit: Wir müssen uns besser digitalisieren! Alle Beiträge

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