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Gute Nachrichten für Equal Pay in Deutschland

Das ist ungerecht: Frauen werden im Schnitt immer noch schlechter bezahlt als Männer – trotz gleicher Qualifikation und Leistung. Ein Gerichtsurteil könnte das nun ändern.

Das Foto zeigt zwei Personen, jeweils zur Hälfte. Beide haben Hemden an. Die rechte Person hat lange, dunkle Haare, die zu einem Zopf geflochten sind.
Foto: Pixabay

„Ich hoffe, dass sich keine Frau mehr die Butter vom Brot nehmen lässt und jetzt so mutig ist, das einzuklagen, was auch den Männern zusteht.“ Susanne Dumas ist die Erleichterung anzuhören, als sie nach der Urteilsverkündung aus dem Bundesarbeitsgericht kommt. Vier Jahre lang hatte sie sich durch die Instanzen geklagt – und gegen ihren früheren Arbeitgeber gewonnen. Er hatte Dumas männlichen Kollegen trotz gleicher Arbeit, Qualifikation und Erfahrung um die 1000 Euro mehr gezahlt, weil diese ein höheres Gehalt gefordert hatten. Doch das Bundesarbeitsgericht gab Dumas nun in höchster Instanz Recht: Höhere Gehaltsforderungen von Männern in individuellen Gehaltsverhandlungen sind kein stichhaltiger Grund für ungleiche Bezahlung. Nicht nur für Susanne Dumas ist das ein Grund zur Freude. Das Urteil ist ein Meilenstein für die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern in Deutschland.

Gehaltsverhandlungen: Ungleicher Lohn für gleiche Arbeit

Sieben Prozent: So hoch ist der „bereinigte Gender Pay Gap“ in Deutschland seit vielen Jahren. Das heißt: Wenn man Faktoren wie höhere Teilzeitarbeit von Frauen oder schlechter bezahlte Jobs herausrechnet, dann verdienen Männer sieben Prozent mehr Geld für die gleiche Arbeit, bei gleicher Qualifikation und Erfahrung. Ein Grund für diesen fortwährenden Lohnunterschied sind individuelle Gehaltsverhandlungen. In vielen Branchen werden Gehälter einzeln zwischen Beschäftigten und der Arbeitgeberin ausgehandelt – und das benachteiligt Frauen.

Inken Behrmann schreibt im Blog zu Feminismus – wie zum Beispiel hier zum Unterschied des Gender Pay Gap zwischen West- und Ostdeutschland.

In Gehaltsverhandlungen fallen Frauen* durch ihre sozial erwarteten Rollen gleich mehrere Steine vor die Füße. Denn von Frauen* wird Empathie, Fürsorge und Einsatzbereitschaft für Dritte erwartet. Diese Erwartung macht es Frauen* schwer, in Gehaltsverhandlungen mit Nachdruck für den Wert der eigenen Arbeit und ihre Interessen einzustehen. Tun Frauen es doch – und weichen damit von Rollenerwartungen ab – werden sie häufig dafür sanktioniert. Studien zeigen, dass Personaler*innen das notwendige Durchsetzungsvermögen beispielsweise als „unsympatisch“ werten. Frauen, die von sich aus über ihr Gehalt verhandelten, wurden fünf Mal so oft dafür sanktioniert wie Männer. Sie galten als „nicht nett“ und „zu fordernd“. Zusätzlich unterschätzen Frauen* ihre Fähigkeiten oft, während Männer ihre Qualifikationen häufig überschätzen. Die Konsequenz: Für Frauen* ist es schwer, Chef*innen von längst überfälligen Gehaltserhöhungen zu überzeugen. Nicht zuletzt legen Frauen* aufgrund weiterer Care-Arbeits-Verpflichtungen oft einen Fokus auf andere Bereiche von Gehaltsverhandlungen: Wer schon versucht, flexible Arbeitszeiten oder Teilzeit zu verhandeln, um die Care-Arbeit zu Hause mit der Erwerbsarbeit zu vereinbaren, traut sich meistens nicht, auch noch mehr Geld zu fordern.

Frauen* finden sich in Gehaltsverhandlung in einem Dilemma wieder: Fordern sie hohe Gehälter ein, gelten sie als unsympatisch und werden möglicherweise sanktioniert. Fordern sie das Geld nicht, bleiben sie auf Dauer weit hinter ihren Kollegen zurück. Die Konsequenz bleibt: Je unstrukturierter und unklarer der Rahmen von Gehaltsverhandlungen, desto wahrscheinlicher kommen bei Verhandlungen sehr ungleiche Gehälter heraus. Und das Problem trifft viele Frauen*. Überall da, wo keine Tarifverträge gelten oder nicht in Anlehnung an Tarifverträge bezahlt wird, sind Gehaltsverhandlungen die Regel. Sogar viele NGOs und ThinkTanks verhandeln Gehälter individuell.

Das aktuelle Urteil

Mit dem aktuellen Urteil könnte sich jedoch einiges ändern. Denn auch im Fall von Susanne Dumas, die im Außendienst eines Metallunternehmens arbeitete, verhandelte die Firma alle Gehälter individuell. Erst durch einen Zufall fand Dumas heraus, dass zwei männliche Kollegen 1000 Euro mehr Gehalt erhielten. Und das, obwohl sie für dieselben Tätigkeiten eingestellt waren und über dieselben Qualifikationen verfügten. Auch eine weitere Kollegin, die sogar deutlich erfahrener war, verdiente weniger.

In vorigen Gerichtsverhandlungen machte das Unternehmen als Gründe für den höheren Lohn geltend, dass das höhere Einstiegsgehalt des Mannes notwendig gewesen wäre, um ihn als Mitarbeiter zu gewinnen und er perspektivisch für Leitungsaufgaben vorgesehen gewesen wäre. Susanne Dumas klagte auf Grundlage von Artikel 157 des Europäischen Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gegen die Entgeltdiskriminierung. Denn um unterschiedliche Löhne zu rechtfertigen, müssen Arbeitgeber*innen objektive Gründe vorlegen – über unterschiedliche Tätigkeiten, Qualifikation oder Erfahrung. Das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass höhere Forderungen von Männern in Gehaltsverhandlungen nicht zu diesen objektiven Gründen zählen – und deshalb auch kein ungleiches Gehalt rechtfertigen dürfen.

Man kann Equal Pay nicht mehr wegverhandeln

Das Urteil ist wegweisend – denn es gibt Frauen* eine klare Handhabe gegen die schlechtere Bezahlung. Finden sie heraus, dass Kollegen mit gleicher Qualifikation und Tätigkeit besser bezahlt werden, können sie nun auf die Lohnangleichung klagen. Natürlich ist das immer noch nicht einfach: Mit dem Auskunftsanspruch über das Gehalt von Kolleg*innen auf Grundlage des Gleichbehandlungsgesetzes müssen sie zunächst Transparenz über die Gehälter herstellen. Dann können im Anschluss die Gehaltsanpassung sowie Lohnnachzahlungen erklagt werden. Doch auch jenseits der konkreten Verfahren erhöht das Urteil die Gefahr für Unternehmen, dass es überhaupt Klagen gibt. So können sich Gehaltsunterschiede später rächen, wenn das Unternehmen nachzahlen muss. So ist es im Fall von Susanne Dumas: Sie bekommt nun 14.500 Euro Gehalt erstattet. 

„Man kann Equal Pay nicht einfach wegverhandeln“, kommentiert die Anwältin Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte das weitreichende Urteil. Arbeitgeber*innen, schreibt Lincoln auf Twitter, wären nun „gut beraten, in ihren Betrieben durchschaubare Entgeltsysteme mit objektiven Differenzierungskriterien zu entwickeln.“ Gefordert sind auf der anderen Seite die Frauen, ihren Auskunftsanspruch wahrzunehmen und Equal Pay einzuklagen. Nehmen Frauen* ihre Rechte nun in die Hand, dann gibt es gute Chancen, der Forderung nach „Equal Pay“ ein weiteres Stück näher zu kommen. Das wünscht sich auch Susanne Dumas: Sie widmet ihren Erfolg ihren beiden Töchtern – und „stellvertretend allen Frauen in Deutschland.“

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Autor*innen

Inken Behrmann ist für Klimaschutz und Feminismus unterwegs. Nachdem sie als Campaignerin bei Campact und in der Klimabewegung Kampagnen für Klimaschutz organisiert hat, promoviert sie aktuell an der Universität Bremen. Für den Campact-Blog schreibt sie Texte gegen das Patriarchat. Alle Beiträge

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