AfD Rechtsextremismus
Höcke fordert die Justiz heraus
Wiederholt benutzte Höcke in letzter Zeit die SA-Parole „Alles für Deutschland“. Die Verwendung dieser Parole kann unter bestimmten Voraussetzungen strafbar sein, weswegen Höcke jetzt angeklagt wird. In diesem Beitrag ordnet Campact-Gastautor Andreas Kemper die sprachpolitische Aktion von Höcke ein.
Björn Höcke benutzt die AfD für zwei Missionen bzw. Aufträge. Seine Mission verfolgt er weitgehend öffentlich, den dahinter stehenden „Auftrag“ eher verdeckt.
Vom Auftrag der identitären Systemopposition
Zu Höckes „Auftrag“ empfehle ich die Texte, die er unter dem Pseudonym ‚Landolf Ladig‚ verfasste, zum Beispiel „Krisen, Chancen und Auftrag“, ein Jahr vor Entstehung der AfD verfasst im neonazistischen und oftmals indizierten Magazin ‚Volk in Bewegung‘. Er skizziert hier die Energiekrise als Chance auf Systeminstabilitäten und damit einhergehend mit einer „politischen Revolution“. Der „Auftrag“ der „identitären Systemopposition“ bestünde darin, sich auf diese Revolution vorzubereiten, um dort dann die Führung zu übernehmen. Es ist die Rede von der noch bestehenden „Glut“ der im „nationalsozialistischen Deutschland“ staatlich etablierten „Antiglobalisierungsbewegung“, die durch den „ökonomisch-ideologischen Präventivkrieg“ der Alliierten auf Deutschland „beinahe total zerschlagen“ wurden.
Sollte für den Prozess gegen Höcke hinsichtlich seiner Verwendung der Parole „Alles für Deutschland“ relevant werden, ob er damit an den Nationalsozialismus anschließen wolle, wäre eine Überprüfung der Aussage des Bundesamtes für Verfassungsschutz wichtig, dass meine Plausiblilisierung nahezu unanfechtbar sei, dass Höcke hinter den Ladig-Texten stecke.
Höckes „Auftrag“
Denn Höcke gab einen „Auftrag“ an die „Junge Alternative“ in einer Weihnachtsrede vom Dezember 2014 weiter: „Wenn wir an diesen Geist anknüpfen, wenn wir wieder wir selbst werden, wenn wir unsere neurotische Phase überwinden, in der wir seit siebzig Jahren durch die Weltgeschichte dämmern, dann ist mir um die Zukunft meines Landes nicht bange. […] Wir haben das Potential, das zu schaffen. Der jungen Generation in der AfD möchte ich diesen Auftrag mitgeben.“
Unmittelbar bevor Höcke diesen „Auftrag“ am Ende seiner Rede formulierte, hatte er mehrere Punkte aufgegriffen, die sich in den drei – übrigens sehr kurzen – Ladig-Texten finden. Natürlich muss der Landesvorsitzende der AfD in seinen Formulierungen vorsichtiger sein. Die Passagen, in denen zur Vorbereitung einer Führungsrolle in der kommenden Revolution aufgerufen wurden, um an die nationalsozialistische „Antiglobalisierungsbewegung“ anzuknüpfen, wurden in dieser öffentlichen Rede weggelassen.
„Ladigs“ Vokabular
Aber er sprach allein in dieser Rede, wie zuvor „Ladig“, von „demografischen“ Problemen, die vor „vierzig Jahren“ ihren Anfang genommen hätten. „Ladig-Sprech“ war auch: Durch „Gender Mainstream“ und durch Fokussierung auf Homosexualität sei die „Polarität der Geschlechter“ gefährdet und Familien bekämen im Schnitt nicht mehr „2,1“, sondern „1,3“ Kinder in Deutschland. Die „Tragfähigkeit“ der Erde komme Mitte des Jahrhunderts an ihre Grenzen. Man bräuchte eine „kraftvolle Vision“, eine „Versöhnung von Ökonomie und Ökologie“, kurz: eine „Postwachstumsökonomie“. Das alles ist Ladig-Vokabular von 2011/12. Mehrfach sprach Höcke in dieser Rede von „Krisendynamiken“, die sich „aufpotenzieren“ würden – eine besonders verräterische Sentenz, da außer Ladig sonst niemand die Formulierung benutzte. Unmittelbar vor seiner Auftragserteilung an die JA, die sich später selbst als „Höcke-Jugend“ bezeichnete, verwies er auf den Briten Peter Watson und bezeichnete mit denselben Worten wie Ladig dieses Werk als „tausendseitiges Opus Magnum“. Wie Landolf Ladig nannte er das Buch „Genius der Deutschen“ – es heißt allerdings „Der deutsche Genius“. Diese Rede ist nur ein Teilbeleg dafür, dass Höcke hinter den Ladig-Texten steckt (lies hier mehr zu Ladig-Höcke-Synopse), aber sie ist wichtig, weil sie deutlich macht, dass er vom Auftrag Ladigs nicht abgelassen hat, sondern ihn im Gegenteil an Jugendliche vermittelt.
Andreas Kemper recherchiert als freischaffender Soziologe zu Netzwerken der Ungleichheit und analysiert deren Ideologien.
Die „historische Mission der AfD“
Anfang Dezember 2013, die AfD war noch nicht mal ein Jahr alt, lud Höcke Günter Scholdt zu dem Vortrag „Die historische Mission der AfD“. Hier sagt Scholdt, was in der aktuellen Lage, bevor „die Verhältnisse zum Tanzen kommen“, wichtig sei: „Befreien Sie uns von einem Korrektheits-Terror, der wie Mehltau auf Deutschland liegt!“ Die „Zitadelle Meinungsfreiheit“ „zurückzuerobern, scheint mir daher noch wichtiger als diese oder jene Sachlösung. Denn im vollen Umfang schafft sie überhaupt erst wieder Voraussetzungen, erfolgversprechend Alternativen zu formulieren“, führt Scholdt aus. Dann nämlich könne es zu „einem politischen Erdbeben“ kommen, „zu einer anderen Republik“.
In einem Interview vom Juli 2014 mit der Thüringischen Landeszeitung (by the way das Interview, welches ihn zuerst als Ladig-Autoren verraten hatte, weil er dort die Wortschöpfung „organische Marktwirtschaft“ benutzte, die zuvor ausschließlich Ladig verwendete) formuliert Höcke die „historische Mission“ der AfD: „Die politische Korrektheit liegt wie Mehltau auf unserem Land. Die historische Mission der AfD besteht darin, der Meinungsfreiheit in diesem Land wieder zum Durchbruch zu verhelfen“. Er hatte also Scholdts Vorschlag zur „historischen Mission“ bis hin zur Mehltau-Metaphorik übernommen.
Während der Bundespressekonferenz der AfD am 30. Juli 2014 kam von ihm dieselbe Formulierung: „Die politische Korrektheit liegt wie Mehltau über unserem Land. Und ich bin angetreten, um diese politische Korrektheit wegzuräumen.“
Konkret wurde Höcke im Mai 2014 in einer E-Mail: „Die Rückeroberung der Meinungsfreiheit ist das zentrale Motiv meiner politischen Betätigung“ und noch konkreter: „Die §§ 86 und 130 und ihre Strafbewehrung sind mehr als umstritten. […] Wir brauchen keine Begriffstabuisierung, keine Antidiskriminierungsgesetze und keine politische Strafjustiz. Hinfort damit – und zwar schnell.“
Sprachverschiebung als Ziel
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In mehreren Artikeln hatte ich bereits auf die NS-Rhetorik (DISS, Forum Wissenschaft) von Höcke verwiesen. Es geht ihm um eine Sprachverschiebung. Er hat sich nun in den Bereich der Strafbarkeit vorgewagt. Mehrfach verwendete er die Formulierung „Alles für Deutschland“. In der Stellungnahme vom 21. April 2023 zu seiner diesbezüglichen Anklage wird seine „historische Mission“ deutlich: „Wie Mehltau liegt seit vielen Jahren die Herrschaft der – vorgeblichen – ‚politischen Korrektheit‘ über unserem Land und die in der westlichen Welt einzigartige strafgesetzliche Einschränkung des Rechtes auf Meinungsfreiheit bedroht mit ihrer immer drastischer und willkürlicher werdenden Auslegung unsere freiheitliche Demokratie.“
Die „historische Mission der AfD“ erscheint klar: Die Paragrafen 86 und 130 sollen Schritt für Schritt zunächst ihre Wirksamkeit verlieren, damit anschließend ungestörter der „Auftrag“ verfolgt werden kann: Aus der noch vorhandenen „Glut“ einen „Führungsanspruch“ der „identitären Systemopposition“ zu schmieden für die erwartete „Revolution“, die das „Kraftzentrum“ der nationalsozialistischen „Antiglobalisierungsbewegung“ wieder aufleben lassen solle.