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Warum Beatrix von Storch nicht unterschätzt werden sollte

Beatrix von Storch gilt als Höckes Endgegnerin in der AfD. Auch wenn Höcke nach und nach die AfD auf seine faschistische Linie bringt, sollte Storch aufgrund ihrer Verbindungen im Adelsmilieu nicht unterschätzt werden.

Die Sage von Herkules, der gegen das Monster Hydra kämpft, ist ein vielzitiertes Bild in rechten Kreisen. Hier gezeigt ist das Motiv auf einem Relief, das in den 1940er Jahren das Lüdenscheider Krankenhaus zierte.
Die Sage von Herkules, der gegen das Monster Hydra kämpft, ist ein vielzitiertes Bild in rechten Kreisen. Hier gezeigt ist das Motiv auf einem Relief, das in den 1940er Jahren das Lüdenscheider Krankenhaus zierte. Foto: Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus Lüdenscheid

In diesem Artikel möchte ich zudem auf die internationalen Verbindungen von Beatrix von Storch eingehen: Zunächst ihre Rückendeckung für Eduardo Bolsonaro in Brasilien, die zu diplomatischen Protesten führte; und im zweiten Teil ihre Übertragung des strukturell antisemitischen Narrativs der verkürzten Kapitalismuskritik eines sogenannten „woken Kapitalismus“ vom (dazu passend jüdischen) Investor Larry Fink von BlackRock aus rechten Kreisen der USA auf das von Habeck geführte Wirtschaftsministerium. Vor allem mit diesem BlackRock-Narrativ könnte Storch zumindest ideologisch in der AfD den Ton angeben, die rechte „Junge Freiheit“ hat ihr dafür bereits großzügig Raum eingeräumt.

Keine Angst, dieser Artikel soll nicht den Lobgesang aus dem Cicero von vor ziemlich genau zehn Jahren wiederholen. Der damalige Cicero-Chefreporter Constantin von Magnis wies anerkennend auf die Netzwerke der durchsetzungsstarken Beatrix von Storch hin. Allerdings fand sich kein Wort zu deren Adelsnetzwerken, obwohl seine Schwester Valerie von Magnis jahrelang als persönliche Assistentin von Beatrix von Storch arbeitete.

Einen ausführlichen Beitrag von Andreas Kemper zu den Adelsnetzwerken von Beatrix von Storch liest Du hier:

Von Storch kritisiert, was sie selbst lebt und unterstützt

Dieser Hinweis auf den Nepotismus, Vetternwirtschaft, hat an dieser Stelle seine Berechtigung, da ich in diesem Artikel Beatrix von Storchs Kritik am politischen Einfluss des „Familienclans“ der Graichens im Wirtschafts- und Klimaministerium von Habeck thematisieren möchte. Weniger kritisch geht Storch mit dem eigenen Familienclan des miteinander verwandten, verheirateten, verschwägerten Adels um, der in Deutschland und Österreich den organisierten Antifeminismus dominiert. Auch die Vetternwirtschaft der Bolsonaros in Brasilien stört sie wenig. Gerade erst war sie mit einer Bundestagsdelegation in Brasilien und traf sich dort wieder mit Eduardo Bolsonaro, der vom eigenen Vater Jair Bolsonaro als Botschafter für die USA nominiert worden war.

Nach der Reise gab es diplomatische Verwicklungen, da Storch als Mitglied der Bundestagsdelegation den Präsidenten der Obersten Gerichts- und Wahlbehörde, Alexandre de Moraes, als „Brasiliens größten Verbrecher“ beleidigte und sich so den Angriffen von Eduardo Bolsonaro auf die Justizbehörde anschloss. Bereits 2018 brachte Eduardo Bolsonaro mehrfach die Absetzung des Obersten Gerichtshofes ins Gespräch. Nachdem 2021 in El Salvador das Oberste Gericht abgesetzt wurde, gab es von Bolsonaro dafür Applaus. Mehrfach ließ sich Beatrix von Storch zusammen in herzlicher Umarmung mit Eduardo Bolsonaro ablichten und kommentierte, dass sie gemeinsame Werte teilten. Schauen wir uns diese Werte genauer an.

Eduardo Bolsanaros „Werte“

Eduardo Bolsonaro vertritt menschenrechtlich problematische Postionen, wie beispielsweise die Herabsetzung des Inhaftierungsalters oder Zwangsarbeit für Gefangene. Im April 2016 forderte Eduardo Bolsonaro die Aufhebung des ‚Habeas Corpus‘, also des Rechts von Inhaftierten, innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Inhaftierung von einem Richter angehört zu werden. Im Mai 2016 forderte er, das Anti-Rassismus-Gesetz um ein Anti-Klassenkampf-Gesetz zu erweitern, eine Art ‚Sozialistengesetz‘, welches verbiete, eine Klasse gegen eine andere „aufzustacheln“, hierzu gehöre unter anderem ein Verbot der Verbreitung kommunistischer Texte oder entsprechender Erkennungsmerkmale („Hammer und Sichel“, etc.).
Bolsonaro brachte Ende Oktober 2019 die Wiedereinführung des berüchtigten Gesetzes „AI-5“ gegen Linke ins Gespräch. In Folge dieses Gesetzes wurden 1968 in der härtesten Zeit der Militärdiktatur in Brasilien wesentliche Menschenrechte außer Kraft gesetzt, wodurch Pressezensur, Folter und Ermordungen politischer Gegner*innen ermöglicht wurden.

Im Mai 2023 erhielt Eduardo Bolsonaro eine Geldstrafe, weil er im Wahlkampf gegen Lula nachweislich falsche Behauptungen in Umlauf gebracht hatte. Eigentlich wollte sein Vater ihn zum Botschafter für die USA machen, diese Vetternwirtschaft ließ sich jedoch nach Protesten nicht durchsetzen.

BlackRock: „Hydra“ des „woken Kapitalismus“?

Wenn Beatrix von Storch also hierzulande über eine Vetternwirtschaft herzieht, ist dies eine Doppelmoral. Sie fordert aber nicht nur Rücktritte aufgrund der Verwandtschaftsverhältnisse bei Habecks Wirtschaftsministerium, sondern verlangt, dass noch sehr viele „Köpfe“ dieser „Hydra“ abgeschlagen werden müssten und überträgt damit eine zentrale rechte Kampagne in den USA auf Deutschland.

Nachdem lange Zeit eine verkürzte Kapitalismuskritik gegen George Soros gefahren wurde, muss nun ein anderer Unternehmer mit jüdischem Hintergrund für die strukturell antisemtisch-verkürzte Kapitalismuskritik herhalten: Larry Fink von BlackRock. Auch hier zeigt sich wieder eine Doppelmoral. Rechte Lobbyorganisationen wie Consumers’ Research (CR) und American Legislative Exchange Council (ALEC) bekamen Probleme, weil immer mehr Unternehmen sich als Geldgeber abwendeten. Unter anderem distanzierte sich sogar der Erdölkonzern Shell von ALEC, weil die allzu offensichtlichen Klima-Fakes nicht mehr mitgetragen werden konnten. CR startete daraufhin 2019 eine Kampagne gegen ethisches Investment („woke investment“) und ALEC hat nach Auskunft der Washington Post im November 2022 entschieden, dem „Woke Capitalism“ ein Gesicht zu geben: Larry Fink von BlackRock. Unter anderem der Investor Peter Thiel, US-Präsidentschaftskandidat Ron DeSantis und Politikstratege Leonard Leo schlossen sich diesem Narrativ an.

Tatsächlich hatte Larry Fink dazu aufgerufen, die Klimakatastrophe ernster zu nehmen. Aufgrund seiner Größe wurde der Vermögensverwalter BlackRock bereits unter Obama in die Beratungstätigkeiten der Regierung einbezogen. BlackRock ist allerdings gleichzeitig einer der weltweit größten Investoren in fossile Energie, wie Urgewald e.V. immer wieder herausarbeitet. Dennoch gab es ansatzweise klimapolitisch-ethische Investionsentscheidungen, die im Zuge der Angriffe auf Larry Fink nun wieder zurückgefahren werden. Eine anderer globaler Vermögensverwalter, Vanguard, hat sich inzwischen von den ethischen Standards ESG wieder verabschiedet.

Verschwörungsideologien und propagandistische Konstrukte

Beatrix von Storch überträgt nun die Kampagne gegen BlackRock, Larry Fink, ESG und „woken Kapitalismus“ auf deutsche Verhältnisse: Megakonzerne wie BlackRock hätten den ‚Woken Kapitalismus‘ erfunden, um sich zu bereichern. Sven von Storch fasst die Position seiner Ehefrau zusammen: „Die Grünen sind Schachfiguren auf dem Spielfeld großer Hedgefonds und Schattenbanken. Wir Steuerzahler und Bürger müssen für den Gewinn der Superreichen blechen. Wir müssen auf den Urlaub und das Auto verzichten, mehr Geld für Heizen und Strom bezahlen, mehr Steuern und Abgaben bezahlen, unser Haus renovieren und die Heizung umbauen, damit sich die Investitionen der Superreichen in die Klima-Industrie gelohnt haben. Das ist Umverteilung von unten nach oben. Wir müssen aufklären und den Menschen zeigen, woher der Klimawind wirklich weht.“

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In diesem Zusammenhang erwähnt Beatrix von Storch, welches Spitzenpersonal die Grünen sich von BlackRock für Beratungstätigkeiten geholt haben: Elga Bartsch vom BlackRock Investment Institute wechselte von dort in die Leitungsposition der Grundsatzabteilung im Bundeswirtschaftsministerium unter Habeck. Allerdings unterschlägt Storch, dass das BlackRock-Institut nur eine Station von Elga Bartsch war, die bereits in den 1990er Jahren in Kiel ihre Doktorarbeit zur Vereinbarkeit von Ökonomie mit Umwelthaftungen verfasste. Die Zusammenhänge wirken konstruiert und haben eine Verschwörungsqualität von der Form, als würde man unterstellen, die Storchs würden nur propagandistisch gegen BlackRock tätig werden, weil Sven von Storch aus der selben Adels-Linie stammt wie Kurt von Storch, dessen Vermögensverwaltung ‚Flossbach von Storch‘ in Deutschland mit dem Vermögensverwalter BlackRock konkurriert. Auch das ist natürlich Unsinn, aber für eine Verschwörungsideologie kann dies reichen.

Auch gegen die CDU kann Storch mit dieser US-amerikanischen Verschwörungsideologie punkten. Galt bislang Merkel als Feindbild, tat sich die AfD schwer mit dem neuen CDU-Chef Friedrich Merz. Dieser kann aufgrund seiner ehemaligen Tätigkeit bei BlackRock nun ebenfalls wie die Grünen als Marionette von BlackRock dargestellt werden. Ein weiterer Kopf der „Hydra“ BlackRock, der laut Storch „abgeschlagen“ gehört.

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Autor*innen

Andreas Kemper recherchiert als freischaffender Soziologe zu Netzwerken der Ungleichheit und analysiert deren Ideologien. Seine kritischen Analysen zu Klassismus/Neoliberalismus (klassismus.de), Rassenbiologie und organisiertem Antifeminismus (diskursatlas.de) führten bereits im Juli 2013 zu seinem Buch „Rechte Euro-Rebellion“ zur AfD als Sammelbecken dieser Strömungen. Es handelte sich hierbei um die mit Abstand erste kritische Buchpublikation zur AfD. Kemper warnte hier nicht nur vor der Entstehung einer rechten Partei, sondern konnte auch als erster die Anschubfinanzierung durch die Finck-Gruppe genau bestimmen. Nicht zuletzt seine profunden Recherchen zu Björn Höcke (alias Landolf Ladig) führten zur Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz. Aktuell ist Kemper Mitherausgeber des 'Dishwasher-Magazins' für Arbeiter*innenkinder und recherchiert zu totalitär-kapitalistischen Privatstadtprojekten. Alle Beiträge

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