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Warum wir einen Kraftakt fürs Klimageld brauchen

Sieben Jahre nach dem Koalitionsvertrag soll das Klimageld kommen. Viel zu spät und eine Gefahr für den Zusammenhalt. Unser Plan für die Beschleunigung.

Globaler Klimastreik von Fridays for Future in Berlin
Globaler Klimastreik von Fridays for Future in Berlin, Foto: IMAGO / IPON

Wenn 250.000 Menschen beim Klimastreik auf die Straße gehen, dann kann die Bundesregierung vor allem eines nicht: Weghören. Und wir waren laut. Fridays for Future rief zum Klimastreik auf, eine Viertelmillion kamen und gemeinsam forderten wir etwas, das bereits im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht: das Klimageld. Eine dringend notwendige Brücke der Akzeptanz, wenn es um die Umsetzung von Klimaschutz und der sozialen Mitnahme aller Bürger*innen geht. Denn erinnern wir uns: Beim Heizungsgesetz ging es nicht um die hocheffizienten Wärmepumpen, sondern um die Frage, wie die finanzielle Last verteilt ist.

FDP verzögert die Auszahlung der CO₂-Einnahmen

Doch diese Brücke ist bislang lediglich eine Skizze auf dem Papier des Koalitionsvertrags und droht auch eine zu bleiben. Vor allem die FDP spielt auf Zeit. Ausgerechnet jene marktverliebte Partei verzögert die Auszahlung der CO₂-Einnahmen an die Bürger*innen. Weder hat das Finanzministerium bislang einen Plan, wie sie das Geld überweisen kann, noch große Ambitionen für ein neues sozialpolitisches Projekt. Christian Lindner kündigt gar an, dass aus seiner Sicht, „die Kindergrundsicherung die letzte große sozialpolitische Reform dieser Legislaturperiode“ sei.

Plakat am Rande des globalen Klimastreiks in Berlin. Darauf zu sehen: Kanzler Scholz mit Augenklappe und die Frage an ihn: Scholz, Du alter Klimaheld - wo bleibt unser Klimageld?
Ein Plakat am Rande des globalen Klimastreiks in Berlin zeigt „Klimaheld“ Scholz mit Augenklappe, Foto: IMAGO / IPON

Und so wird mit jedem Monat des Zögerns und mit jeder weiteren Klimamaßnahme zurecht die Frage gestellt, wie diejenigen, die am wenigsten haben, die Kosten tragen sollen. Dabei wäre das Klimageld die erste und beste Antwort auf diese Frage, mit der der selbsternannte Klimakanzler Olaf Scholz sein sozialpolitisches Erbe absichern, die Grünen die notwendige Transformation erklären und die FDP einen funktionierenden Markt vorzeigen könnten. Genau deshalb ist das unsere zentrale Forderung, um die Klimabewegung aus der Defensive zu holen.

Wo das Klimageld schon Realität ist

Es könnte alles so einfach sein: Sämtliche Einnahmen des steigenden CO₂-Preises gibt der Staat an die Bürger*innen zurück – und zwar sozial gestaffelt. Das ist deswegen fair, weil die Menschen im Schnitt umso mehr CO₂ ausstoßen, je mehr Geld sie zur Verfügung haben. Diejenigen, die besonders wenig Geld zur Verfügung haben, bekommen somit mehr vom Klimageld-Kuchen. Es wird also Geld von oben nach unten verteilt und das schafft die Akzeptanz für die notwendigen Klimamaßnahmen. So einfach das Prinzip, so einfach ist es auch umzusetzen. 

In Österreich wird das bereits gemacht, wenn auch leicht abgeändert. Mit dem sogenannten Klimabonus werden zwischen 110 und 220 Euro ausgeschüttet, unabhängig von Staatsbürgerschaft und Alter, abhängig jedoch vom Wohnort. Der Gedanke dahinter: Wer auf dem Land wohnt und aufgrund fehlender Infrastruktur das Auto viel nutzen muss, soll stärker entlastet werden als Stadtbewohner*innen, die keine weiten Wege zurücklegen müssen und auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen können. Vom Beschluss bis zur ersten Auszahlung hat es dort übrigens gerade einmal acht Monate gebraucht.

Auch in der Schweiz gibt es ein Klimageld – und das bereits seit 2008. Zwei Drittel der Einnahmen aus dem CO₂-Preis werden gleichmäßig an alle in der Schweiz wohnhaften Personen, die nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung versichert sind, zurück verteilt. 

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Verzögerungstaktik beim Klimageld hat System

Und in Deutschland? Wird sich vor der Umsetzung versteckt. Offiziell, weil die Verknüpfung der Kontonummer aller Bürger*innen mit der Steuer-ID kompliziert sei und „mindestens 18 Monate“ dauere, so Finanzminister Christian Lindner im August 2022. Inzwischen ist klar: Es wird deutlich länger dauern. Erst hieß es Herbst 2025, jetzt geht Wirtschaftsminister Robert Habeck von 2028 aus. Sieben Jahre für die Einführung des Klimageldes? Das ist völlig inakzeptabel. 

Doch der zentrale Grund ist nicht Deutschlands IT-Chaos, sondern ein anderer: Alle Einnahmen aus dem CO₂-Preis hat der Staat bereits für die Abschaffung der EEG-Umlage und den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verplant, mit dem etwa Batteriefabriken oder die Gebäude- und Heizungssanierung finanziert werden. Grund dafür ist die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse der Vorgängerregierung. Und so stopft Wirtschaftsminister Robert Habeck die Finanzierungslöcher für die benötigten Projekte zur Transformation. 

Somit ist derzeit für alle möglichen Fabriken Geld da, nur nicht für das Klimageld. Diese systemische Verzögerungstaktik geht auf Kosten der Akzeptanz für den Klimaschutz. 

Ein Sondervermögen Klimaschutz jetzt!

Diese Taktik lässt das Klimageld zum Opfer der Schuldenbremse werden, von der weder Kanzler Scholz noch Finanzminister Lindner abrücken wollen. Solange aber diese Bremse in Kraft ist, müssen die notwendigen Batteriefabriken, die Dämmung der Gebäude oder der Tausch der Heizung aus dem Topf fürs Klimageld bezahlt werden. Umso mehr braucht es ein Sondervermögen für den Klimaschutz, damit diese Notwendigkeiten finanziert werden und die Verunsicherung den Bürger*innen genommen wird. 

Warum die Klimabewegung jetzt eine Erzählung der Hoffnung braucht und wie die USA dabei zum Vorbild werden können.

Woher das Geld nehmen? Über Kredite und indem wir das Geld von denen nehmen, die die Klimakrise am meisten befeuern: Öl- und Gaskonzerne und Superreiche. Denn noch nie in ihrer fossilen Geschichte haben die Konzerne so hohe Gewinne erzielt, wie im letzten Jahr. Allein die fünf fossilen Dinosaurier Exxon Mobil, Chevron, Shell, Total Energies und BP fuhren rund 200 Milliarden Euro Gewinn ein.

Gleichzeitig verfeuern Privatjets und Edelyachten, Luxuslimousinen und Swimmingpools das klimaschädliche Öl und Gas und setzen damit gigantische Mengen CO₂ frei. Um so gerechter ist es, wenn Superreiche für Klimamaßnahmen des Staates weit mehr aufkommen als bisher. Somit wäre das Geld aus den CO₂-Einnahmen endlich frei für das Klimageld.

Wir brauchen einen Kraftakt fürs Klimageld

Doch selbst wenn heute das Klimageld beschlossen würde, bräuchte es derzeit zwei Jahre, bis alle ihr Klimageld hätten, weil die IT des Bundes nur 100.000 Überweisungen pro Monat schafft. So witzig das erst einmal klingt, so absurd ist es. Damit das nicht passiert, braucht es einen gesellschaftspolitischen Kraftakt: 

Die Bundesregierung darf nicht erst 2028 das Klimageld einführen und damit sieben Jahre nachdem es im Koalitionsvertrag versprochen wurde. Dazu müssen die Ministerien zusammenarbeiten, rasch die IT-Infrastruktur geschaffen und die Gelder aus den CO₂-Einnahmen ihrer ursprünglichen Idee zugeordnet werden: dem Klimageld. Passiert das nicht, droht ab 2027 bei der Einführung des zweiten europäischen Emissionshandel auf Verkehr und Gebäude eine gewaltige Kostenexplosion, die nicht sozial abgefedert ist. Dieser soziale Sprengstoff kann uns den Zusammenhalt in der Gesellschaft kosten, den Klimaschutz absägen und wirtschaftliche Verwerfungen erzeugen. Immerhin: Es scheint der Regierung auch aufgefallen zu sein. Christian Lindner rechnet 2025 mit 13 Milliarden Euro Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung und will „einen größeren Teil davon pro Kopf an die Bürgerinnen und Bürger“ auszahlen. Also doch vor 2028? Das wäre ein starkes Signal, aber es braucht hier Klarheit.

Vorteile des Klimaschutzes greifbar machen

Denn wir sehen jetzt schon, wozu diese Verunsicherung führt. Die rechtsextreme AfD liegt stabil bei 20 Prozent in den Umfragen und muss nichts tun, außer dementorenhaft die Angst und Verunsicherung der Wähler*innen aufsaugen. Die ständigen Angriffe auf den Klimaschutz können durch die Einführung des Klimageldes abgewehrt werden. Und die Bürger*innen werden noch mehr von den Vorteilen des Klimaschutzes profitieren.

Parallel dazu braucht es eine laute zivilgesellschaftliche Stimme. 250.000 Menschen haben beim Klimastreik eindrucksvoll gezeigt, dass sie laut sind und nicht aufhören werden, bis das Klimageld und darüber hinaus der notwendige Klimaschutz umgesetzt werden. Wir werden auch in Zukunft laut sein, aber dafür braucht es Durchhaltevermögen. Es braucht die Gewerkschaften, es braucht die Wohlfahrtsverbände und die Industrie hinter dem Klimageld. Denn mit jeder weiteren Klimamaßnahme wird zu Recht die Frage gestellt, wie diejenigen, die am wenigsten haben, die Kosten tragen sollen. Die Akzeptanz beim Klimaschutz droht so abzurutschen. Genau deshalb ist unsere zentrale Forderung: das Klimageld, um die Klimabewegung aus der Defensive zu holen – und zwar so schnell wie möglich.

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

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