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Danke, Netflix

Immer mehr Serien drehen sich um lesbische, schwule, bisexuelle und transgender Figuren. Doch eine Gruppe kommt kaum vor: asexuelle Menschen. Das ändert sich gerade – zumindest ein bisschen.

Ein Standbild aus der Netflix-Serie "Sex Education" ist zu sehen. Zwei Personen stehen nebeneinander: Links die asexuelle Figur Sarah Owen (gespielt von Thaddea Graham), rechts der Protagonist Otis Milburn (gespielt von Asa Butterfield). Beide tragen bunte, schillernde Anzüge.
Eine Szene aus "Sex Education": Sarah "O" Owen (links, gespielt von Thaddea Graham) neben der Hauptfigur Otis Milburn (gespielt von Asa Butterfield). Foto: IMAGO

Beschimpfungen, Bomben- und sogar Morddrohungen: Was war das für ein Drama, als sich am 18. März 1990 in der Lindenstraße die beiden Serienfiguren Robert Engel und Carsten Flöter küssten. Ein banaler Zungenkuss von zwei Männern – und die gute alte BRD drehte durch. 

Ich war damals noch zu jung für die Lindenstraße. Meine Serienzeit kam später: Der Prinz von Bel-Air, Beverly Hills 90210, Akte X, Friends. Das Problem: Queere Charaktere kamen hier, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Und dann oft so dargestellt, dass ich mich kaum mit ihnen identifizieren konnte.

Das Fernsehen wird queerer

Das hat sich geändert. Den Anfang machten Anfang der 2000er „Queer as Folk“ und „The L-Word“, wenn auch versteckt im Nachtprogramm des Privatfernsehens. Dann kamen die Streaming-Plattformen Netflix und Co. – und mit ihnen Serien wie Orange Is the New Black, Pose, Transparent, Feel Good, Please Like Me, Euphoria, Sex Education und Heartstopper.

Sie alle zeigen queere Charaktere in ihrer ganzen Vielfalt und Tiefe, nicht als überzeichnete Sidekicks neben heterosexuellen Hauptfiguren. Hinzu kommt: Sie bewegen sich dabei oft in einer durch und durch queeren Welt und eben nicht in einem heteronormativen Umfeld. 

Unterrepräsentiert: Asexualität und Asexuelle Menschen

Doch eine Gruppe aus der LGBTQIA+-Community hat es schwerer, den Sprung auf unsere Bildschirme zu schaffen: asexuelle Menschen. Sie haben wenig oder gar kein Verlangen nach Sexualität mit anderen Menschen. Asexualität tritt in verschiedenen Ausprägungen auf; manche empfinden kaum, andere nur unter bestimmten Umständen sexuelle Anziehung.

Schätzungen zufolge sind rund ein Prozent aller Menschen asexuell. Warum also gibt es so wenige asexuelle Figuren? Vielleicht, weil Liebe und Sex im Mittelpunkt der meisten Serien und Filme stehen, egal ob queer oder hetero. Die Storys asexueller Menschen scheinen da nicht in den Erzählstrang zu passen – zumindest auf den ersten Blick.

Damit ist nun langsam Schluss. Gleich zwei populäre Serien haben asexuellen Figuren in den letzten Monaten recht viel Raum gegeben: Heartstopper und Sex Education.

Isaac findet sich selbst

Schon die erste Staffel der britischen Serie „Heartstopper“ zeichnet sich durch ihre diverse Erzählweise aus: Nick ist bisexuell und verliebt sich in Charlie, Tara und Darcy sind ein lesbisches Paar, Tao schwärmt für die trans Schülerin Elle. In der zweiten Staffel lernen wir endlich Isaac besser kennen. Der sympathische Bücherwurm war bis dahin ein fester, aber eher unscheinbarer Teil des Freundeskreises rund um Charlie. 

Isaac küsst zum ersten Mal einen anderen Jungen und ist erstaunt, wie wenig das in ihm auslöst. Bei einer Kunstausstellung hört er dann von Asexualität und Aromantik; er beginnt, sich weiter zu informieren. Nach und nach findet Isaac immer mehr zu sich selbst – während seine Freunde um ihn herum ihre erste große Liebe finden.

Erst Florence, dann O

Die ebenfalls britische Serie Sex Education kommt sogar auf zwei asexuelle Figuren. In der zweiten Staffel ist es zunächst Florence, die als Nebenfigur einen kleinen Auftritt hat. Im Gespräch mit der Sextherapeutin Jean Milburn berichtet die Schülerin, dass sie keinen Sex haben möchte. „I think I might be broken“, ist ihr Fazit. Die Antwort von Jean:

Sex doesn’t make us whole, so how could you possibly be broken?

Mehr Raum bekommt das Thema Asexualität mit dem Auftauchen von Sarah „O“ Owen in Staffel 4. Die Schülerin outet sich selbst als asexuell; im weiteren Verlauf wird thematisiert, mit welchen Problemen und Vorurteilen sie zu kämpfen hat. Um den Charakter von O so konkret und echt wie möglich darzustellen, hatte sich Netflix im Vorfeld deshalb auch mit der asexuellen Aktivistin Yasmin Benoit beraten.

Ihr seid nicht allein

Netflix, Amazon Prime und Co. haben die inhaltliche Ausrichtung von Serien verändert. Das zeigen die Geschichten von Isaac, Florence und O. Meine große Hoffnung: Sex Education oder Pose unterhalten nicht nur, sondern beeinflussen das Denken der Zuschauer*innen. Den einen Teil sensibilisieren sie für LGBTQIA+-Themen – und jungen, queeren Menschen bieten sie eine bislang unbekannte Fülle an Role Models. Ein großes Geschenk für all diejenigen, die sich ihrer eigenen Sexualität gerade erst bewusst werden und sehen: Ich bin nicht allein.

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Autor*innen

Henrik Düker ist Politikwissenschaftler und Soziologe. Bei Campact arbeitet er als Redakteur, im Blog beschäftigt er sich vor allem mit LGBTQIA+-Themen. Alle Beiträge

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