Digitalisierung Service
Gute Vorsätze gegen schlechte Trends
Welche guten Vorsätze sind eine sinnvolle Antwort auf die aktuellen Baustellen der Digitalisierung? Was nehmen wir uns vor, um Klimakrise, Autoritarismus, Hass und Hetze digital zu begegnen? Ein Ausblick auf ein Ritual, dass wir 2024 nicht nur zum Jahresbeginn erleben werden.
2024 werden wir es wieder mit ihnen zu tun bekommen. Sie wollen unsere Zukunft gestalten, uns Ziele geben, Prioritäten festlegen, Probleme lösen und Fortschritt bringen. Gerade zum Jahreswechsel, aber nicht nur dann, verfassen Menschen Werke in diesem Genre, die aus der Vergangenheit in eine bessere Zukunft führen sollen: Gute Vorsätze. Fragt sich, was gute Vorsätze ausmacht und wie damit umzugehen ist, dass Scheitern ein Teil dieser Tradition ist.
Ein guter Vorsatz ist eine ritualisierte Handlungsabsicht. Es ist ein Schwur zur Korrektur oder Anpassung in dem Moment, in dem etwas Altes aufhört und etwas Neues beginnt. Gute Vorsätze sind der Zukunft strukturgebende Übergangsrituale. Früher mag es dabei um ein gottgefälliges Leben gegangen sein. Heute geht es um Selbstoptimierung im trivialen Fall; um eine nachhaltige Lebensweise im besseren Fall.
Wie es diese Reflextradition aus babylonischen und römischen Ursprüngen so will, habe ich mich termingerecht zum Jahresneuanfang gefragt, welche guten Vorsätze für das Leben in der Digitalisierung eine sinnvolle Antwort auf aktuelle Baustellen sind. Da wäre die Klimakrise, die staatliche und kommerzielle Überwachung, Hass und Hetze im Internet und nicht zuletzt die Frage nach sozialer Gerechtigkeit. Dazu habe mich nach etwas Inspiration zu dem Thema umgeklickt.
Was nehmt ihr euch vor?
Im Englischen machen Menschen gern den Witz, dass ihre „New Year’s Resolution“ für 2024 dieselbe ist wie für 2023: 1920×1080 Pixel. Mit Blick auf den immensen Ressourcenverbrauch bei der Herstellung von digitaler Technik ist das Vorhaben, die eigenen Geräte länger zu nutzen, auf jeden Fall eine gute Idee. Im Fediverse berichtete wer in einem Tröt von dem Selbstversuch, ein Jahr lang für kein Produkt Geld auszugeben, dass mit digitalem Rechtemanagement (DRM), also einer Art Kopierschutz versehen ist, aus Protest, aber auch, um bewusst DRM-freie Software zu unterstützen.
Ein Klassiker der digitalen guten Vorsätze scheinen Backups zu sein. Endlich mal die eigenen Daten vor Verlust schützen. Allgemein habe ich viel davon gelesen, dass Menschen sich auf die eine oder andere Weise mehr Kontrolle über ihre Daten und Geräte verschaffen wollen. Zum Thema digitale Souveränität werden wir im Laufe des Jahres sicherlich oder hoffentlich oder leider auch aus der Politik wieder gute Vorsätze hören. Sich häufiger gegen Hass, Hetze und Falschinformationen stellen und Betroffene unterstützen – das habe ich auch häufiger gelesen.
Wie Du erfolgreich einen digitalen Frühjahrsputz durchführst, liest Du in diesem Blog-Beitrag von Friedmann Ebelt.
Diesmal aber wirklich die Datenschutz-Einstellungen verbessern, einen erleichternden digitalen Frühlingsputz hinlegen, der vollständige oder teilweise Umstieg auf Freie Software oder dezentrale Social-Media-Plattformen sowie der gute Vorsatz, eine neue Fähigkeit zu lernen, würden hier auch noch gut rein passen.
Vorsätzliche Bildschirmglotzstunden
Ich habe mir eine deutliche Reduktion meiner Bildschirmglotzstunden vorgenommen. Das spart gleichermaßen Zeit, Nerven sowie Ressourcen und erfordert die Priorisierung von Inhalten, die es verdient haben, gesehen und diskutiert zu werden. Den Jahreseinstieg haben natürlich die Vorträge des Chaos Communication Congress gemacht. Insgesamt 13 davon beschäftigen sich mit „Sustainability & Climate Justice“. Hier lernt ihr viel über den Energieverbrauch von Rechenzentren, über die Rollen von künstlicher Intelligenz, die Chemieindustrie, Online-Aktivismus, Softwarelizenzen für die Kreislaufwirtschaft und vieles mehr. Stöbert da mal durch. Es gibt klasse Vorträge, auch in den anderen Themenbereichen!
Digitalisieren mit Vorsatz?
Aufgefallen ist mir, dass es in vielen der Vorträge des 37C3, mal explizit, mal implizit um Zukunftsvisionen, Narrative und Framings geht, was meinen Kopf stark nicken lässt. Besonders nach Gesprächen in der Weihnachtszeit schien mir das äußerst plausibel. Kultur und Kommunikation sind die unterschätzten Treiber von Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die größten Barrieren sind nicht technisch, sondern mental, was sich in einer repräsentativen Demokratie in Form von politischen Widerständen äußert. In ihrem Vortrag schlägt Maja Göpel eine Leitfrage für eine nachhaltige Entwicklung von digitaler Technik vor: Welchen Zweck erfüllt das? Sie sagt, dass wir keine digitale Revolution brauchen. Die läuft so oder so. Was uns fehlt ist eine Revolution von Werten, nach denen wir Systeme optimieren. Die Optimierungsparameter Absatz, Umsatz, Gewinn und Bequemlichkeit bringen nix. Die Zweckfrage vor jeden anderen Satz zu stellen, ob vor dem Kauf eines Produkts oder weitergegeben an einen Hersteller, klingt nach einem top Vorsatz für 2024.
365 Tage gute und ungute Vorsätze
Gute Vorsätze werden uns das ganze Jahr über beschäftigen, weil ständig irgendetwas aufhört und etwas Neues beginnt. Gute und ungute Vorsätze werden uns erreichen in Form der Wahlprogrammen für die Europawahl 2024 am 9. Juni. Außerdem in der Gestalt von Koalitionsverträgen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen, aber auch in Form von Werbung für neue Versionen von Produkten, in Form von Business-Zielen und sogenannten Key-Performance-Indikatoren oder auch in Form von Amtseiden und weniger formellen Schwüren.
Es wird viel gesagt und geschrieben werden über digitale Nachhaltigkeit, künstliche Intelligenz, neue Supergeräte und digitale Lösungen, über Datenschutz und Datennutzung, über Freiheit und Kontrolle. Wir werden mehr oder weniger wissenschaftliche und technische Spekulationen präsentiert bekommen und entscheiden, wie wir sie bewerten und wie wir uns zu ihnen verhalten. Augen und Ohren auf bei derlei Übergängen: Aus Vorsätzen werden gesetzliche oder einprogrammierte Vorschriften, was auch Digitalisierung genannt wird.
Vorgesetzte Produkte und Erzählungen
Als kleine Zwischenerkenntnis dieser Textreihe, nehme ich mir vor, bei der Bewertung von Dingen, die mir vorgesetzt werden, besser auf zwei Aspekte zu achten: Erstens auf die Zukunftsvisionen, Narrative und Framings, die sie beschwören. Und zweitens auf die Bedingungen der Produktion. Also darauf, wer wie welche Produkte zu welchem Zweck herstellt, denn die Produktion verbraucht, fahrlässig vereinfacht gesagt, etwa 80 Prozent der Energie und Ressourcen der Digitalisierung. Für mich bedeutet das: Mehr mit Herstellern diskutieren. Das versuche ich aktuell mit Google und ganz vielleicht kommt dazu auch noch ein Text. In diesem Sinne: Einen kreativen Jahresstart euch und gutes Gelingen mit euren Vorsätzen!