AfD Rechtsextremismus
Sellners Musterstadt und der outsourcende Faschismus
Beim Geheimtreffen rechter Vordenker im November kommt auch ein sogenannter „Masterplan“ zur „Remigration“ auf den Tisch. Doch das Konzept eines „Musterstaates“, wie es dort vorgestellt wird, ist nicht neu. Vordenker sind unter anderem Unternehmer, Superreiche – und die CDU.
Noch immer finden Demonstrationen gegen die AfD statt, ausgelöst durch das Geheimtreffen in Potsdam. Inzwischen sind weit über eine Million Menschen auf die Straße gegangen. Sie demonstrieren unter anderem gegen Rechtsextremismus und gegen den Masterplan Martin Sellners, Migrant*innen in eine „Musterstadt“ in Afrika zu deportieren. Im merkwürdigen Kontrast zu diesen endlich stattfindenden Massendemonstrationen steht die fehlende Analyse und Einordnung dieses Musterstadt-Plans. Bestenfalls wird auf Parallelen zur räumlichen Nähe der Wannseekonferenz mit den Deportationen in die „jüdische Mustersiedlung“ KZ Theresienstadt oder auf den Madagaskarplan der Nazis verwiesen. Dass aber schon lange und von vielen Seiten an solchen „Musterstadt“-Masterplänen gearbeitet wird und wie diese konkret aussehen, darüber liest man in den Medien kaum etwas.
In einem Interview hat Andreas Kemper im Campact-Blog über die anstehenden Landtagswahlen gesprochen – und wie die AfD sie nutzen will.
Faschismus und Maskulismus Hand in Hand
Ich kann im Rahmen dieses kurzen Beitrags nur skizzieren, welche Tendenzen mindestens betrachtet werden müssten, um die Vorarbeiten für den Deportations-„Masterplan“ in den Blick zu bekommen. Wichtig wäre, nicht nur die AfD und deren völkischen Faschismus zu betrachten. Hinweise auf den Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahlen, Maximilian Krah, der 15 bis 25 Millionen Menschen als „potentiell problematisch“ markiert, oder vor allem Björn Höcke, der eine großangelegte „Remigration“ von 400.000 nicht „biodeutscher“ Menschen jährlich (!) als Generationenprojekt mit „wohltemperierter Grausamkeit“ ankündigt und erklärt, er könne mit zwanzig bis dreißig Prozent weniger Bevölkerung in Deutschland gut leben, sind wichtig und die finden sich auch in den größeren Medien.
Aber bereits der Antrag der AfD im Bundestag von 2021, die Entwicklungspolitik durch die Errichtung von „Charter Cities“ zu ersetzen, liegt medial eher im dunklen Bereich. Gerade hier finden sich die Überschneidungen von einem völkischen Faschismus mit der Bewegung des Rechts-„Libertarismus“ bzw. „Anarchokapitalismus“, die besser als „proprietaristisch“ bezeichnet werden kann. Denn diese proprietaristische Bewegung arbeitet schon lange an der Errichtung souveräner „Privatstädte“ oder auch „Charter Cities“. Und gerade eben erst hat der proprietaristische Tech-Investor Balaji Srinivasan auf die Zusammenarbeit von „Konservativen“ und „Libertären“ hingewiesen. Srinivasan, der einen „Network State“ von Privatstädten errichten will, wurde schon länger eine Nähe zur US-amerikanischen Szene des „neoreaktionären“ „Dark Enlightment“ nachgesagt.
Die wahre Hufeisen-Theorie
Am 27. Januar 2024 frohlockte er bei X (ehemals Twitter) angesichts einer Studie zum geschlechtsspezifischen Auseinanderdriften von rechten und linken Einstellungen, die Republikaner seien „The man’s party“. Und einen Tag später kommentierte er seinen inzwischen 2,5 Millionen Mal aufgerufenen Tweet mit den Worten: „Es ist ein Muster, das ich schon seit Jahren beobachte, ein sich abzeichnender organischer Konsens zwischen Männern vieler verschiedener ethnischer Gruppen und Hintergründe. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Botschaften, die Positionierung und das Selbstverständnis der Rechten. Und es kann sein, dass sich Konservative und Libertäre über die Grenzen hinweg, unabhängig von der Rasse, auf eine Reihe gemeinsamer Thesen über den Wert der Männlichkeit einigen.“ (Eigene Übersetzung aus dem Englischen).
Bereits 2008 hatte sein Investoren-Kollege Peter Thiel seine Unterstützung von Privatstadt-Initiativen mit dem Hinweis begründet, dass die „Libertären“ keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen würden, seit Sozialhilfeempfänger*innen und Frauen das Wahlrecht hätten. Demokratie und Kapitalismus seien Widersprüche. Hier haben wir es mit der wahren Hufeisentheorie zu tun. Bislang sollte mit der Hufeisentheorie die Nähe von „links- und rechtsextremen“ Bewegungen aufgezeigt werden, die über den „Kollektivismus“ miteinander verbunden wären. Das Auseinanderdriften des Wahlverhaltens von jungen Frauen und Männern deutet jedoch an, dass es ein Hufeisen von völkischen Nationalismus und Neoliberalismus/“Libertarismus“ gibt, welches durch antifeministische Einstellungen wie Maskulismus und Familismus aufrecht erhalten wird und Demokratie durch (Volks-/Unternehmens-)Führung ersetzen will. Und insbesondere in dieser „Musterstadt“/“Migrationsstadt“-Strömung scheinen der völkische Nationalismus und der Proprietarismus nun konkrete Überschneidungen zu finden.
Wenn wir nach geschichtlichen Vorbildern suchen, sollten wir die kolonialen Konzentrationslager im damaligen Deutsch-Südwestafrika oder die betriebsnahen Konzentrationslager im Nationalsozialismus vor der Wannseekonferenz im Blick haben. Ich selber bin kein Historiker und verweise daher hier auf die Arbeiten von Jonas Kreienbaum.
Am 18. Januar war Andreas Kemper in der politischen Interviewsendung „Jung & Naiv“ zu Gast. Themen dort waren unter anderem die Entwicklung der AfD und der Rechtsruck innerhalb der Partei und in Deutschland.
Das Konzept Musterstadt ist nicht neu
Angela Merkels persönlicher Afrikaberater, Günter Nooke, schlug 2019 die Errichtung von Migrantenstädten in Afrika vor. Insbesondere würden durch solche Städte „Rückführungen unproblematisch möglich“ gemacht. Er bezog sich insbesondere auf die proprietaristische Privatstadtbewegung von Titus Gebel und den Vordenker von Charter Cities, Paul Romer. 2022 lud er sie zum World Economic Forum nach Davos ein, zur Sonderkonferenz „Cities, not Camps“. Dabei waren auch Vertreter des „Refugee City“-Ansatzes dabei. Zu ihnen zählen unter anderem die Deutschen Kilian Kleinschmidt, der für die UN Stadtstrukturen im jordanischen Flüchtlingscamp Za’atari mit 84.000 Menschen geschaffen hatte, und Joachim Rücker, der als „Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Stabilitätspartnerschaft Mittlerer Osten“ für die Umsetzung des „Jordan Compact“ arbeitete.
Am Rande dieser Konferenz in Davos brachte das Altru Institut Vertreter des Refugee-City-Ansatzes, die zugleich auch in der Schaffung von Privatstädten involviert waren (Michael Castle Miller und Joachim Ruecker), mit Kurtis Lockhart vom Charter Cities Institute und Christian Kälin von Henley&Partners zusammen.
Henley&Partner ist das führende Unternehmen in der Vermittlung von Staatsangehörigkeiten für Superreiche. In dieser Zeit scheint auch die Zusammenarbeit von Titus Gebel, der in Davos über Migrantenstädte als Privatstädte referierte, mit dem ‚Passhändler‘ Christian Kälin begonnen zu haben. Sie setzen sich seither gemeinsam für die Schaffung von „Global Cities“ als börsennotierte, entdemokratisierte Migrantenstädte ein. Diese Privatstadtbewegung boomt. Allein zwischen Mitte November und Anfang Dezember 2023 fanden in Prag die Privatstadtkonferenz „Liberty in our Lifetimes“ von Titus Gebel, in Amsterdam die erste „Network State“-Konferenz von Balaji Srinivasan und in Dubai die Henley&Partners-Konferenz statt. Bei letzterer ging es um die Frage, wo in zwanzig Jahren die Erde unbewohnbar sein wird und wo sich entsprechend die Gründung von privat betriebenen Klima-Migrations-Städten lohnt. Schon Merkel-Berater Nooke wies darauf hin, dass solche Städte notwendig würden, weil demnächst 100 Millionen Menschen auf der Flucht seien, und diese den „Migrationsdruck“ senken könnten.
Pläne der CDU sind nicht weit entfernt
Die Vorarbeit wird nun anscheinend von der AfD genutzt. Höcke schrieb bereits, dass Kultur immer die Folge der Kolonisation gewesen sei. Entsprechend bietet Sellner mit seinen Masterplan an, dass die Migranten selber beim Bau der Musterstadt anpacken. In dieser von Deutschland oder der EU gepachteten Musterstadt in Afrika bzw. in den dort befindlichen deutschen steuerbefreiten Unternehmen könnten sie sich mit ihrer Tüchtigkeit bewähren. Wer sich nicht bewähre, werde in die weniger attraktiven Ankerzentren in Afrika verfrachtet. Man könnte diese Musterstädte, also auch als Ausmusterstädte bezeichnen. Und ich frage mich an dieser Stelle, was denn in dieser Logik dann noch dagegen spräche, nicht nur Menschen mit Migrationsgeschichte in diese Deportationsstädte – kurz Deports – zu „remigrieren“, sondern sie generell zur Ertüchtigung von „Minderleistern“ zu nutzen. Hier greifen völkische und radikalkapitalistische Ideologien einer schönen neuen Welt ineinander.
Sorgen sollte uns, dass auch die CDU in ihrem neuen Grundsatzprogramm eine Sonderzone in Afrika einrichten will, in der alle Geflüchteten ihren Asylantrag stellen sollten. Bei Anerkennung des Fluchtgrundes dürften sie dann in dieser Sonderzone bleiben, allerdings nicht nach Deutschland kommen. Dieser Plan unterscheidet sich nur noch graduell von Sellners faschistischem Masterplan.