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In fünf Schritten gegen die AfD

Die Proteste gegen Rechtsextremismus und das starke Engagement der Zivilgesellschaft zeigen Wirkung. Die ersten Schritte sind getan – jetzt müssen weitere folgen, um die Demokratie zu schützen.

Menschen protestieren gemeinsam gegen die AfD und Rechtsextremismus.
Zusammen gegen Rechts: Demo am 21. Januar in Berlin. Foto: Chris Grodotzki / Campact

Innerhalb weniger Wochen sind weit über drei Millionen Menschen in unserem Land auf die Straße gegangen – gegen Rechtsextremismus, gegen Faschismus, gegen die AfD und ihre menschenverachtenden Pläne. Und es geht weiter: Für das letzte Februar-Wochenende sind bereits zahlreiche Demonstrationen angekündigt.

Von Bautzen bis Wuppertal: In den nächsten Tagen sind wieder zahlreiche Demos gegen Rechts im ganzen Land geplant.

Inzwischen scheinen die Proteste Wirkung zu zeigen: Buchhändler nehmen das rechtsextremistische Compact-Magazin aus den Regalen, einige Umfragen deuten einen Abwärtstrend der AfD an. Und doch – wir sind noch nicht am Ziel, sondern haben nur die ersten Etappen zurückgelegt. Ziel muss es sein, die AfD bei den kommenden Kommunalwahlen und bei der Europawahl am 9. Juni durch eine möglichst hohe Wahlbeteiligung so klein wie möglich zu halten. Dafür sind fünf Schritte notwendig.

1. Wir müssen die Proteste zu einer Bewegung der Mitte machen. Denn nur wenn wir die Union an Bord holen, steht die Brandmauer gegen Rechts


„Auch wenn die Feinde der Demokratie demokratisch gewählt sind: Es sind noch lange keine Demokraten“, sagte kürzlich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und brachte damit auf den Punkt, worum es uns allen in diesen Wochen geht: den Schutz unserer Demokratie. 

Björn Höcke auf der Demobühne
Foto: Imago

Petition gegen Höcke

Der Faschist Höcke kann nächstes Jahr mit seiner Thüringen-AfD die Landtagswahlen gewinnen. Noch können wir ihn stoppen – mit einer Grundrechtsverwirkung, denn er kämpft gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.

Und ja, die Demokratie lebt vom Diskurs, von der Vielfalt der Ideen, aber auch vom Respekt vor der Demokratie. Die rechtsextreme AfD wird mittlerweile in drei Landesverbänden vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Die Jugendorganisation der Partei (Junge Alternative) ebenfalls – und AfD-Funktionär Björn Höcke ist ein Faschist. Was abstrakt klingt, bedeutet konkret: Sie sind gegen unser Grundgesetz und unsere demokratische Freiheit. Ministerpräsident Hendrik Wüst hat daher Recht. Wir müssen die Demokratie vor den Antidemokrat*innen der AfD verteidigen – aber eben aus der Mitte heraus, also von der Linken bis zur Union.

Denn die Brandmauer nach Rechts kann nur gehalten werden, wenn sich die Union klar von den Inhalten und Werten der AfD abgrenzt und wenn die derzeitigen Proteste die Union nicht ausladen. Trotz der vielen unterschiedlichen politischen Positionen zwischen den demokratischen Parteien ist es jetzt umso wichtiger, dass wir Demokrat*innen als neue Bewegung aus der Mitte heraus ein klares Zeichen gegen den Hass, den Faschismus und die AfD setzen.

2. Wir müssen besonders in den Kleinstädten und auf dem Land mobilisieren

Berlin, Hamburg, München: Ja, die Bilder von Massen an Menschen gegen die AfD waren elektrisierend. Sie gingen um die Welt, landeten in den sozialen Netzwerken – aber sie repräsentieren nur einen Teil der Proteste. In Zwickau und Bautzen, in Hoyerswerda und Pirna: Das sind die Orte, an denen sich die AfD stark und sicher fühlt, und das sind die Orte, an denen wir dagegen halten müssen – und wo die Menschen genau das tun.

Mir macht es Mut, wenn ich die aktuellen Bilder aus den Dörfern, Gemeinden und kleineren Städten sehe. Die Menschen stehen zusammen, sie setzen ein Zeichen für unsere Demokratie und Vielfalt. Und gerade Bautzen oder Hoyerswerda waren in der Vergangenheit oft gebrandmarkt, weil der wütende und rechtsradikale Mob für Schlagzeilen sorgte. Dieses Blatt wendet sich und umso mehr haben die Menschen dort allen Respekt verdient, denn sie laufen Gefahr, Opfer von Rechtsradikalen zu werden. 

Genau in diese Regionen müssen wir den Protest tragen, müssen wir die demokratischen Bewegungen stärken. Mit #ZusammenGegenRechts planen wir Großaktionen und gehen gleichzeitig in die Breite. Ob Plakate oder Türhänger, Anlaufstationen für Treffen oder weitere Lichterketten der Hoffnung: Wir müssen die Bewegung bis zur Wahl am 9. Juni am Laufen halten.

3. Wir müssen uns in den sozialen Netzwerken behaupten

Doch neben den Herausforderungen vor Ort und der Organisation der Bewegung in den Großstädten und in der Fläche müssen wir der AfD dort entgegentreten, wo sie derzeit besonders stark ist: in den sozialen Netzwerken.

Vor allem auf TikTok, aber auch auf YouTube und in fast allen anderen Netzwerken, bestimmt die AfD oft ohne Gegenwehr die Geschichten und vergiftet den Diskurs. Allein der Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, erreichte mit einem Video auf TikTok zur Europawahl 1,4 Millionen Aufrufe, in dem er folgendes sagte: „Jeder dritte junge Mann hatte noch nie eine Freundin. Du gehörst dazu? (…) Wähle nicht die Grünen, (…) und vor allem, lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts.“

Je nach Plattform beeinflusst das vor allem die Erstwähler*innen, die bei der Europawahl am 9. Juni besonders wichtig werden. Denn zum ersten Mal dürfen bereits Menschen ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben. Bei den jüngsten Landtagswahlen in Bayern und Hessen lag die AfD bei den Erstwählern bei 16 Prozent bzw. 15 Prozent – und damit auf Platz 2 oder 3 im Parteienranking. Wir bei Campact entwickeln jetzt eine Gegenstrategie, aber: Alle sind gefragt. Wir müssen dorthin gehen, wo es ungemütlich ist: bei Wind und Wetter auf die Straße, aber auch in die sozialen Netzwerke – und der AfD, Schritt für Schritt, das Wasser abgraben.

4. Wir müssen die Ampelregierung adressieren

Gleichzeitig ist die Politik unter Bundeskanzler Olaf Scholz gefragt. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte vor Kurzem: „Wir müssen der demokratischen Mehrheit beweisen, dass wir in der Lage sind, mit einer freien und offenen Demokratie die Probleme zu lösen.“ Ja, er hat vollkommen recht, und damit sind wir beim Kern des Problems angekommen: der Schuldenbremse

Arten- und Klimakrise, wirtschaftliche Transformation oder neue Infrastrukturen: Die Herausforderungen sind da. Doch die Antworten werden von der Schuldenbremse verschlungen. Spätestens seit dem Urteil aus Karlsruhe zum Bundeshaushalt ist klar: Sie gehört reformiert. Denn wollen wir den Arten- und Klimaschutz konsequent umsetzen, braucht es eine neue Landwirtschaft und eine zügige Energiewende. Wollen wir die wirtschaftlichen Herausforderungen bewältigen, braucht es Investitionen in neue Solar- oder Batteriefabriken. Und wollen wir die Menschen dabei mitnehmen, braucht es eine soziale Teilhabe durch ein Klimageld. 

Doch die Schuldenbremse wirkt wie eine Spaltaxt. Entweder nutzen wir die vorhandenen Mittel für ein Klimageld an die Bürger*innen oder wir bauen eine Batteriefabrik. Entweder investieren wir in die marode Bahninfrastruktur, oder in eine neue, nachhaltige Landwirtschaft. Das führt zu Streit, führt zu Frust – bei den demokratischen Parteien und den Bürger*innen. Es braucht ein Machtwort und das kann nur von Bundeskanzler Olaf Scholz kommen. Kommt es aber weiterhin nicht, sammelt die AfD ohne viel dafür zu tun den Frust der Wähler*innen ein und die Proteste gegen sie verpuffen.

5. Wir müssen die Kommunalwahlen und die Europawahl am 9. Juni zu einer Abstimmung über die Demokratie machen

Am Ende müssen wir zusehen, dass die Schritte in eine Abstimmung über unsere Demokratie geleitet werden. Vor allem im Osten des Landes finden am 9. Juni die Kommunalwahlen statt – und am selben Tag wählen wir ein neues Europäisches Parlament. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage zur Europawahl liegt die AfD bei 22 Prozent. Ziel muss also sein, die Wende einzuleiten, wollen wir unser freiheitlich-demokratisches Europa verteidigen und weiterentwickeln. 

Dies wollen wir mit einer hohen Wahlbeteiligung von weit mehr als 60 Prozent erreichen und es mit dem klaren Aufruf verknüpfen: „Geht wählen und wählt demokratisch“. Denn auch wenn die EU so einige Mängel aufweist, ist sie doch unser bester Garant für Frieden, Wohlstand, Arten- und Klimaschutz. 

All das hängt aber damit zusammen, ob es uns gelingt, das Bündnis auf der Straße und im Netz zu halten und auszubauen und die Menschen zur Wahl zu mobilisieren. Gelingt uns das nicht, schaffen wir keine Bewegung aus der Mitte heraus und wird der Bundeskanzler keinen Kurswechsel einlegen, wird die AfD ein leichtes Spiel haben, die gesellschaftliche Spaltung weiter voranzutreiben. Denn die Mischung aus Frust und Deutungshoheit in den sozialen Netzwerken treibt die demokratischen Parteien vor der AfD her.

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

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