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Wie feurig ist die Brandmauer wirklich, Herr Merz?

Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern: Trotz vermeintlicher Brandmauer gibt es immer wieder Kooperationen zwischen CDU und AfD. Und Merz unternimmt nichts. Lies hier, wie die Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Partei die Demokratie gefährdet.

Ein AfD Logo auf einem PC-Monitor im Hintergrund und davor ein Foto von Friedrich Merz CDU auf einem iPad. Friedrich Merz steht nach seinem Aussagen im ZDF Sommerinterview bezüglich bezüglich der AfD in der Kritik.
Ein AfD Logo auf einem PC-Monitor im Hintergrund, davor ein Foto von Friedrich Merz. Foto: IMAGO / Rene Traut

Dezember 2021, Friedrich Merz wird der neue Parteivorsitzende CDU. In seiner ersten Rede nach der finalen Abstimmung findet er klare Worte: „Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben.“ Und: „Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.“ Eine klare Positionierung für die Demokratie und gegen die rechtsgerichtete AfD und ihre regionalen und lokalen Verbände, möchte man meinen.

Die besagte Brandmauer bröckelt: CDU-Chef Merz steht vor einer Mauer. Durch ein Loch in der Mauer ist das AfD-Logo sichtbar.
Foto: Campact e.V. [CC BY-NC-ND 3.0]

Schon über 230.000 Menschen fordern gemeinsam mit Campact von CDU-Chef Merz, eine klare Kante gegen die AfD. Schließe auch Du Dich an:

Was bedeutet eine Brandmauer zur AfD eigentlich?

Die Einstellung von Friedrich Merz zur AfD war am Anfang eigentlich ganz klar. Er „werde im Verhältnis zur AfD von Anfang an sehr konsequent sein“, hieß es da. Und er zitierte Franz-Josef Strauß, der mal gesagt habe: Eine Jacke, die man einmal falsch zuknöpfe, ließe sich oben nicht mehr korrigieren. Soll in diesem Kontext heißen: Wenn man auch nur ein, zweimal auf kommunaler, Landes- oder auch Bundesebene mit der AfD kooperiere, würde das langfristige Folgen für Politik und Gesellschaft haben. Er kündigte im Zeichen der „Brandmauer“ als Konsequenz Untersuchungsverfahren und Parteiausschlüsse für Landesverbände und einzelne Politiker*innen an, die mit der AfD zusammenarbeiten oder mit ihnen gemeinsam abstimmen würden. Die CDU hatte sich bereits 2020 dazu verpflichtet, weder direkt noch indirekt mit der AfD zusammenzuarbeiten.

Auslöser war damals der „Fall Kemmerich“ in Thüringen. Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich ließ sich mit Stimmen der rechtsextremen AfD um Björn Höcke – und der CDU – zum Ministerpräsidenten wählen. Dieser Tabubruch schlug hohe Wellen. Ein Eil-Appell von Campact, der Kemmerich zu einem Rücktritt und Neuwahlen aufforderte, verzeichnete innerhalb weniger Stunden zehntausende Unterzeichnungen.

Will Merz eine Zusammenarbeit mit der AfD?

Seit Merz‘ ursprünglicher Aussage zur Brandmauer sind zwei Jahre ins Land gegangen – und er relativiert sie seitdem mehr und mehr. Im ZDF-Sommerinterview im vergangenen Jahr ließ er durchblicken, dass er eine Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene manchmal für notwendig und duldbar betrachte. Nach ausladender Kritik, auch aus Reihen der eigenen Partei, ruderte er wieder zurück und verkündete: „Ein Nein ist ein Nein“, auch auf kommunaler Ebene. Doch es zeigt, dass Merz ideologisch wackelt.

Auf der Klausur der CSU im vergangenen Sommer sagte er, er wolle mit der Union „Alternative für Deutschland – mit Substanz“ sein. Eine unglückliche Wortwahl, die aber eines klar zeigt: Die Union nähert sich thematisch der AfD immer mehr an und fischt bewusst im Themen-Pool der Rechtsextremen nach Stimmen. Dass eine solche inhaltliche Annäherung nicht nur unglücklich, sondern auch schädlich für Demokratie und Gesellschaft ist, führt Sibel Schick in ihrem aktuellen Blog-Beitrag genauer aus.

Arbeitet die CDU in Thüringen mit der AfD zusammen?

In den vergangenen Jahren mehrten sich auch tatsächliche Zusammenarbeiten zwischen CDU und AfD, die ohne Konsequenzen blieben. Vor allem in Thüringen – gerade dort, wo der Verfassungsschutz den AfD-Landesverband als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft hat.

  • Im Juni 2022 wollte die CDU einen Gesetzentwurf gegen den Windkraftausbau durchdrücken und zählte dabei auf die Stimmen der AfD. Denn alleine hatten CDU und FDP keine Mehrheit, doch die AfD-Fraktion um Björn Höcke hatte ihre Unterstützung zugesichert.
  • Im September 2023 hat die Thüringen-CDU eine Senkung der Grunderwerbsteuer durchgedrückt – möglich war das nur mit den Stimmen der AfD. Björn Höcke spricht von einem Schritt in die richtige Richtung.
  • Im Dezember kommt erneut das Thema Windkraft in Thüringen auf den Tisch. Und wieder kooperieren CDU, AfD und FDP, um ihre Anliegen gegenüber der Rot-Rot-Grünen Minderheitsregierung durchzusetzen. Und das, obwohl es schon im Jahr zuvor Kritik an der Zusammenarbeit gab.

AfD-Experte Andreas Kemper ordnet die Lage in Thüringen in einem Interview ein:

Die Thüringer CDU gibt Höcke und seinen Leuten damit die Macht, Politik mitzubestimmen – und ebnet auch den Weg für eine noch engere Zusammenarbeit nach der Landtagswahl in diesem Jahr.

Wie steht die CDU zur AfD?

In Teilen der Bundespartei kommen die unklare Haltung oder die offensichtlichen Kooperationen nicht gut an – viele lehnen eine Zusammenarbeit mit der AfD ab. Während Parteichef Friedrich Merz das Problem kleinredet, fordert etwa NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst: keine gemeinsame Politik mit der extremen Rechten. Auch andere prominente Politiker wie der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer oder Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther wollen keine Kooperation mit der AfD. Weitere Stimmen in der Union schrecken vor einer offenen Auseinandersetzung zurück. Sie zögern, Merz und den Thüringer Landesverband öffentlich anzugreifen. Das bedeutet: Kooperationen wie in Thüringen haben am Ende keine Konsequenzen für die Verantwortlichen.

Wo gibt es noch Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD?

Gerade kommunal bröckelt die vermeintliche Brandmauer zur AfD: Abgeordnete der CDU stimmen regelmäßig Anträgen der AfD zu. Immer wieder organisieren sie sich sogar Mehrheiten für eigene Beschlüsse mithilfe der AfD. Im Kommunalwiki finden sich dutzende Beispiele – nicht nur aus Thüringen. Ein Auszug:

  • In Eilsleben in Sachsen-Anhalt wurde das AfD-Mitglied Martin Ahrendt, das bei Naziaufmärschen gesichtet worden war und sich bei Facebook als Anhänger rechtsextremer Musikbands geoutet hatte, als Mitglied in die CDU-Fraktion aufgenommen. Nach Anfragen von Reportern wurde die Mitgliedschaft offiziell beendet, die informelle Zusammenarbeit jedoch nicht.
  • In Görlitz in Sachsen wurde in der ersten Sitzung nach der Kommunalwahl 2019 ein von der AfD aufgestellter, bekanntermaßen rechtsextremer und als Waffennarr bekannter Kandidat für ein Mandat als sachkundiger Einwohner im Ausschuss für Ordnung mit 20 zu 19 Stimmen gewählt, obwohl die AfD nur 13 Sitze im Stadtrat hat.
  • In Chemnitz in Sachsen erreichte die CDU mit Unterstützung von Abgeordneten der FDP, AfD und der rechtsextremen Lokalpartei „Pro Chemnitz“, dass Vertreter*innen von freien Trägern oder Wohlfahrtsverbänden keine Sitze mehr im Jugendhilfeausschuss bekamen. AfD-Stadtrat Lars Franke, früher bei „Pro Chemnitz“, schrieb dazu auf Facebook: „Es ist gut, dass die konservativen demokratischen Kräfte im Chemnitzer Stadtrat konspirativ und nicht gegeneinander arbeiten.“

Zeige auch Du Friedrich Merz, dass er die Brandmauer aufrechterhalten muss!

Diese Beispiele sind alle klare Zeichen dafür, dass die vermeintliche „Brandmauer“ zur AfD nicht wirklich Bestand hat. Campact wendet sich daher mit einem Appell an den CDU-Vorsitzenden Merz und seine Partei: Schließen Sie jetzt auf allen Ebenen gemeinsame Abstimmungen mit der AfD aus! Über 230.000 Menschen haben den Appell bereits unterzeichnet. Sei auch Du dabei:

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