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Großer Fortschritt bei Lobbyregeln … und was die Ampel noch tun muss

Strenge Lobbyregeln schaffen Vertrauen in die Politik und ermöglichen demokratische Kontrolle. LobbyControl bewertet die Politik der Ampel-Regierung im neuen Lobbyreport 2024.

Aktive und Mitglieder von LobbyControl bei einer Schilder-Aktion im Jahr 2021 vor dem Bundestag zum Thema Lobby-Fußabdruck.
LobbyControl 2021 bei einer Aktion vor dem Bundestag. Foto: Christian Mang / LobbyControl

Die Regierungszeit der Großen Koalition endete 2021 in Sachen Lobbykontrolle mit einer schlechten Bilanz. Strengere Lobbyregeln wurden nur nach öffentlichem Aufschrei eingeführt. Vieles blieb unbearbeitet, weil der politische Wille fehlte. Demgegenüber hatte sich die Ampel-Koalition zum Start deutlich mehr vorgenommen, um Lobbyismus effektiver zu regulieren. Nach zweieinhalb Jahren hat LobbyControl eine Bilanz vorgelegt. Der neue Lobbyreport 2024 zeigt den Fortschritt bei Lobbyregeln und wie diese wirken.

Imke Dierßen ist politische Geschäftsführerin von LobbyControl. Im Campact-Blog schreibt sie über Lobbyismus und politische Machtungleichgewichte.

LobbyControl stellt den Lobbyreport 2024 kostenlos zur Verfügung.

Lobbykontrolle schützt unsere Demokratie

Die schwarz-rote Regierungszeit war geprägt von beispiellosen Lobbyskandalen wie der Maskenaffäre. In dieser Zeit hatte sich Deutschland zudem abhängig von russischem Gas gemacht und den rechtzeitigen Umstieg auf erneuerbare Energien versäumt – einflussreiche Lobbynetzwerke hatten erheblich dazu beigetragen. Mit den negativen Folgen hat die Gesellschaft bis heute zu kämpfen.

Solche Skandale beschädigen das Vertrauen der Bürger:innen in die Politik. Über Parteigrenzen hinweg sehen viele den starken Einfluss von Interessengruppen auf politische Entscheidungen als großes Problem und fühlen sich allzu oft nicht repräsentiert. Der heutige Lobbyismus ist geprägt durch ein Machtgefälle zum Nachteil von Interessen, die über wenig Geld und wenige Zugänge zur Politik verfügen. Das führt zu unausgewogenen Entscheidungen. Deshalb sind effektive Transparenz- und Lobbyregeln so wichtig, um verloren gegangenes Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.

Großer Fortschritt und gravierende Lücken

Nun hat die Ampel-Koalition neue, sinnvolle Regeln auf den Weg gebracht und damit zum Teil jahrzehntealte Blockaden überwunden. Zu nennen sind die Verschärfung des Lobbyregisters, die Einführung einer Lobby-Fußspur für Gesetze, strengere Regeln für Seitenwechsel von Beamt:innen und ein Entwurf für einen neuen Straftatbestand der Abgeordnetenkorruption.

Für die Einführung des Lobby-Fußabdrucks hat auch Transparency International Deutschland e.V. gekämpft. Mit ihrer Petition bei WeAct haben sie der Bevölkerung eine Stimme in der Diskussion gegeben. Lies hier mehr zu ihrer Petition:

Trotzdem bleiben gravierende Lücken bestehen, wie bei der Parteienfinanzierung. Hier hat die Reform zwar spürbaren Transparenzgewinn erbracht. Die Koalition war jedoch nicht bereit, eine Obergrenze für Spenden und Sponsoring einzuführen, wie es sie in 20 EU-Ländern bereits gibt. So spendet die Metall- und Elektroindustrie jährlich mehrere 100.000 Euro an verschiedene Parteien. Bei solchen Summen laufen Parteien Gefahr, ihre Politik mit den Interessen der Geldgeber in Einklang zu bringen, damit die Großspende im nächsten Jahr nicht ausfällt.

Unerlässlich: Eine starke politische unabhängige Aufsicht

Ein besonders folgenschwerer Missstand ist es, dass bestehende Regeln allzu oft nicht konsequent durchgesetzt und kontrolliert werden. So gibt es zum Beispiel Mängel bei der Umsetzung der Regeln, die es seit 2021 nicht mehr erlauben, dass Abgeordnete nebenbei bezahlte Lobbyarbeit machen. Der CSU-Abgeordnete Peter Ramsauer erhält als Präsident des Vereins Ghorfa Geld und vertritt die Interessen arabischer Industrie- und Handelskammern in Gesprächen mit Staatssekretär:innen und Minister Robert Habeck. Dies steht im Widerspruch zum Gesetz und ist nicht mit der Unabhängigkeit des Mandats vereinbar. Es ist sehr unbefriedigend, dass unklar ist, ob die zuständige Bundestagsverwaltung diesen Sachverhalt überprüft und ein Ordnungsgeld verhängt hat.

Es besteht in vielen Bereichen also weiterer Handlungsbedarf für eine effektivere Lobbykontrolle. Dennoch ist Deutschland seit dieser Legislaturperiode endlich auf dem Weg zu einem zeitgemäßen Regelungsrahmen für Transparenz und Integrität in der Politik. Damit die Regelungen auch Wirkung entfalten, ist die Schaffung einer starken politisch unabhängigen Aufsicht für Transparenz und Integrität jedoch unerlässlich.

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Autor*innen

Imke Dierßen ist Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitete viele Jahre bei Amnesty International als Referentin und Abteilungsleiterin. Dort hat sie gelernt, wie schwierig es für die Zivilgesellschaft sein kann, sich gegen einflussreiche Akteure aus Politik und Wirtschaft durchzusetzen. Seit 2015 ist sie politische Geschäftsführerin von LobbyControl. Für den Campact-Blog schreibt sie über Lobbyismus und politische Machtungleichgewichte. Alle Beiträge

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