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Die KMK und ihre Hausaufgaben im Fach Demokratie

In der Kultusministerkonferenz gilt bisher zu wichtigen Fragen das Einstimmigkeitsprinzip. Doch was passiert, wenn es von Herbst an einen oder mehrere AfD-Bildungsminister:innen gibt? Über brennende Debatten einer traditionsreichen Institution.

Von links: Karin Prien, Bildungsministerin Schleswig Holstein; Dr. Stefanie Hubig, Bildungsministerin Rheinland-Pfalz; Christine Streichert-Clivot, Bildungsministerin Saarland und Präsidentin der Kultusministerkonferenz; und Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung; bei einem Pressetermin im Februar.
Von links: Karin Prien, Bildungsministerin Schleswig Holstein; Dr. Stefanie Hubig, Bildungsministerin Rheinland-Pfalz; Christine Streichert-Clivot, Bildungsministerin Saarland und Präsidentin der Kultusministerkonferenz; und Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung; bei einem Pressetermin im Februar. Foto: IMAGO / Political-Moments

Der Konflikt ist vorprogrammiert: Der ehemalige hessische Geschichtslehrer und heutige AfD-Vorsitzende in Thüringen Björn Höcke hat seit jeher sehr eigene Vorstellungen zur Bildungspolitik. Und die Kultusministerkonferenz (KMK), in der die zuständigen Minister:innen und Senator:innen der Länder die Bildungspolitik koordinieren, dabei zu seiner Widersacherin erklärt.

Die KMK versuche, „die Länderbildungspolitiken gleichzuschalten“, sagte der Rechtsextremist 2023 im Sommerinterview mit dem MDR: „Die Länder sind hier leider schon kastriert in diesem zentralen Politikfeld.“ Zugleich kündigte Höcke an, seine Partei werde die Schulen befreien von der „Ideologie“ der Inklusion und des Gender-Mainstreaming-Ansatzes.

Warum man Björn Höcke einen Rechtsextremisten und Faschisten nennen darf, ist hier erklärt:

Landtagswahlen könnten KMK verändern

Was für ein Horror wäre es, wenn einer wie Höcke nach der Landtagswahl im Herbst über eine Machtbeteiligung Einfluss auf die Bildungspolitik bundesweit bekäme! Unrealistisch ist das nicht. Zum einen, weil sich Höckes AfD durchaus vorstellen kann, eine CDU-geführte Minderheitsregierung zu tolerieren. Und zum anderen, weil ein Kultusminister oder eine Kultusministerin von Gnaden der AfD Macht hätte über sein oder ihr Bundesland hinaus. Denn immer dann, wenn es wirklich wichtig wird, gilt in der Kultusministerkonferenz bisher das Einstimmigkeitsprinzip – beispielsweise, wenn es ums Geld geht, um gemeinsame Einrichtungen oder die „notwendige Einheitlichkeit und Mobilität im Bildungswesen“. Schon eine Person an der Spitze eines Ministeriums reicht also für ein Veto mit faschistischer Zielsetzung.

Denn darum geht es: Gleichschaltung ist ebenso Nazi-Jargon wie Höckes Forderung, nach der es „gesunde Schulen“ in „gesunden Gesellschaften“ brauche. Hetze gegen Migrant:innen kommt dazu: Nachdem seit 2022 viele Geflüchtete aus der Ukraine in Thüringen ankamen, stellte die AfD im Erfurter Landtag den Antrag, „dass der Anteil von Schülern mit Förderbedarf zum Erwerb der deutschen Sprache bei der Klassenbildung an allgemeinbildenden Thüringer Schulen zehn Prozent nicht überschreiten darf“.

Ähnlich wie andere Institutionen, die sich gegen einen Machtzuwachs der AfD wappnen, will die KMK einem rechtsextremistischen Vormarsch jetzt vorbeugen. Vor ein paar Wochen erörterten die Ressortchef:innen bei einem sogenannten Kamingespräch das Problem. Und nahmen sich vor, die Abstimmungsmodalitäten im Rahmen einer ohnehin geplanten Strukturreform neu zu regeln. Ein Beschluss könnte noch vor der Sommerpause gefasst werden, wie der Autor aus zuverlässiger Quelle erfuhr.

Äußerungen bleiben vorsichtig

Eine vage Andeutung dazu hatten die beiden Koordinatorinnen der (SPD-geführten) A-Länder und der (uniongsgeführten) B-Länder in der KMK, Stefanie Hubig aus Rheinland-Pfalz und Karin Prien aus Schleswig-Holstein gemacht. Im Januar waren die beiden Politikerinnen in einem Doppelinterview bei dem Fachdienst „Table Bildung“ zu Gast. Könnte ein:e Bildungsminister:in der AfD die Handlungsfähigkeit der KMK gefährden? Hubig äußerte die Befürchtung, die aktuelle Debattenlage in der KMK, in der „so viel Konsens und so großen Schnittmengen“ gegeben seien, könnte womöglich „nicht auf immer und ewig so bleiben“. Prien umschrieb die Befürchtung mit den Worten, dass gerade eine „weitere Ausdifferenzierung des Parteiensystems“ zu beobachten sein – „um es neutral auszudrücken“.

Seitdem ist es, was öffentliche Äußerungen angeht, bei diesen Andeutungen geblieben. Aus zwei Gründen: Unbedingt vermeiden wollen die Bildungspolitiker:innen aus den Ländern, dass eine Änderung der Abstimmungspraxis als „Lex AfD“ verstanden wird. Und zum anderen ist vor allem im Kreis der unionsgeführten Bundesländer die Meinungsbildung dem Vernehmen nach noch nicht abgeschlossen. Und dies, obwohl sich die B-Länder-Koordinatorin Prien, die zugleich auch stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende ist, mit klaren Ansagen Richtung AfD bei anderer Gelegenheit nicht zurückhält. Als vor ein paar Tagen Höcke mit dem thüringischen CDU-Chef Mario Voigt zum TV-Duell zusammentraf, schrieb Prien auf X: „Der Faschist Höcke wendet sich wie ein Aal, wenn ihm seine Nazisprüche vorgehalten werden.“

Hausaufgabe: Zusammenhalt erarbeiten

Die offiziellen Auskünfte zum Thema aus der KMK aber bleiben reserviert: „Die Länder haben sich im März darauf verständigt, die Strukturkommission der KMK zu bitten, einen konkreten Vorschlag für eine Änderung der Geschäftsordnung hinsichtlich der Abstimmungsmodalitäten innerhalb der KMK prioritär zu erarbeiten und zeitnah vorzulegen“, heißt es aus dem Bildungsministerium in Kiel: „Diesen Vorschlag gilt es jetzt abzuwarten.“ Eine Sprecherin des Mainzer Bildungsministeriums sagt: „Die Reform ist ein so wichtiges und großes Projekt, dass wir es nicht vom möglichen Wahlerfolg einer einzelnen Partei abhängig machen.“

Auch die amtierende Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, die saarländische Ressortchefin Christine Streichert-Clivot (SPD), vermeidet auf Anfrage, einen direkten Bezug zwischen drohenden AfD-Wahlerfolgen und der Strukturform der KMK herzustellen. Sie sagt: „Es geht im Kern darum, sich auf Abstimmungsmodalitäten innerhalb der KMK zu verständigen, die diese einmalige Institution schneller, agiler und politischer machen.“

Die Diskussionen in der Kultusministerkonferenz – in der viele nur leise zum Thema sprechen – zeigen ein Dilemma, das auch für andere Organisationen gilt: Das Unbehagen mit Blick auf die Landtagswahlen im Herbst im Osten und einen zu befürchtenden Rechtsruck ist groß. Aber die Verständigung über die jetzt notwendigen präventiven Schritte ist kompliziert, der Zusammenhalt aller demokratischen Kräfte muss erst erarbeitet werden. Noch hat die Demokratie längst nicht alle Hausaufgaben gemacht.

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Autor*innen

Matthias Meisner ist freier Journalist und Buchautor in Berlin und Tirana. Er schreibt über Menschenrechte, Geflüchtete und die Bedrohung der Demokratie. Zuletzt erschien 2023 im Herder-Verlag, gemeinsam herausgegeben mit Heike Kleffner, „Staatsgewalt – wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern“. Infos unter www.meisnerwerk.de. Alle Beiträge

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