Erinnern Rechtsextremismus
Georg Elser: Der erste gegen Hitler
Am 9. April 1945 wurde Georg Elser im Konzentrationslager Dachau erschossen - einen Monat vor dem Ende des Krieges, den er verhindern wollte. Schon 1939 hatte der schwäbische Schreiner versucht, Hitler zu töten, war aber knapp gescheitert. Erinnerung an einen vergessenen Widerstandskämpfer.
Als im Januar und Februar Millionen Menschen gegen die AfD auf die Straße gehen, wird für kurze Zeit auch die Erinnerung wach an den Widerstand gegen Faschismus in der NS-Zeit. Nachfahren von Dietrich Bonhoeffer und Claus Schenk Graf von Stauffenberg appellieren an uns alle, dass wir bei Wahlen, bei Demonstrationen und bei Diskussionen im Freundes- und Verwandtenkreis der AfD entgegentreten: „Lasst uns aus der Geschichte lernen und die Demokratie stärken!“
Die AfD übernimmt langsam aber sicher TikTok, zumindest, was die Reichweite ihrer Inhalte angeht. Die Beiträge der Rechtsextremen dürfen die Plattform nicht dominieren. Wie wir uns TikTok zurückholen, liest Du in diesem Beitrag:
Dass der Theologe Bonhoeffer in einer Widerstandszelle den „Tyrannenmord“ an Hitler vorbereitete, dass der General Stauffenberg und seine Verbündeten im Juli 1944 eine Bombe in Hitlers Hauptquartier „Wolfsschatze“ legten, um das Nazi-Regime und seine Vernichtungsmaschinerie zu Fall zu bringen, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist, dass es bereits im November 1939 ein Attentat auf Hitler gab – gleich zu Anfang des Zweiten Weltkriegs, nur zwei Monate nach dem Überfall Nazideutschlands auf Polen; ganz nach dem Motto: „Wehret den Anfängen.“
Das vergessene Attentat
Anders als Stauffenberg ist der Attentäter von 1939 kein Mitläufer Hitlers – und hat auch keine hochrangigen Verbündeten. Georg Elser ist 36 Jahre alt und Mitglied des kommunistischen Rotfrontkämpferbundes; er hat eine Schreinerwerkstatt im baden-württembergischen Königsbronn und einen neunjährigen Sohn, als er ganz alleine einen selbstgebastelten Sprengsatz mit Zeitzünder im Bürgerbräukeller in München deponiert. Dort findet jedes Jahr am 8. November eine „Gedenkveranstaltung“ der Nazis an den gescheiterten Putsch von 1923 statt.
Elser hat die Tat monatelang vorbereitet. Er ist extra nach München gezogen, hat sich immer wieder in den Bürgerbräukeller geschlichen und dort über Nacht einschließen lassen, um an seiner Sprengkonstruktion zu arbeiten. Sprengpatronen und -kapseln konnte er aus einem Steinbruch stehlen, wo er für diesen Zweck gearbeitet hat. Den Zündapparat baut er aus zwei Uhrwerken. Er kann ihn auf sechs Tage im Voraus einstellen. Minutiös genau plant Elser die Detonation für den Abend des Hitlerputsch-Gedenkens um 21:20 Uhr.
Hitler hielt sich zu kurz
Doch Hitlers Rede ist an diesem Abend kürzer als gedacht. Schon um 21:07 Uhr verlässt der „Führer“ zusammen mit Heinrich Himmler, Joseph Goebbels, Rudolf Hess und weiteren Köpfen des Nazi-Regimes die Veranstaltung. Um exakt 21:20 Uhr detoniert die selbstgebaute Zeitbombe von Georg Elser. 13 Minuten zu spät. Acht Tote liegen unter den Trümmern, es gibt etliche Verletzte – doch Hitler ist entkommen. Propagandaminister Goebbels gibt das Attentat als Werk des britischen Geheimdienstes aus. Zwei angebliche „Hintermänner“ werden vorgeführt, die mit der Tat nichts zu tun haben.
In Wahrheit haben die Nazis Elser längst gefasst: Noch in der Nacht des 8. November versuchte er, bei Konstanz über die Grenze in die Schweiz zu fliehen. Aber er wird gefasst. In seiner Tasche finden die Grenzbeamten eine Ansichtskarte des Bürgerbräukellers und ein Abzeichen des kommunistischen Rotfrontkämpferbundes. Die Gestapo bringt ihn nach München, verhört und foltert ihn. Georg Elser legt ein ausführliches Geständnis ab, indem er die Hintergründe seiner Tat erklärt: „Ich hab den Krieg verhindern wollen.“
Elsner gerät in Vergessenheit
Seinen Mut bezahlt Elser mit seinem Leben. Nach vier Jahren Isolationshaft im Konzentrationslager Sachsenhausen wird Elser Anfang 1945 nach Dachau gebracht. Die Nazis wissen, dass sie den Krieg verlieren werden. Hitler will unbedingt verhindern, dass Widerstandskämpfer überleben. Auf Weisung „von höchster Stelle“ erschießt ein SS-Oberscharführer den Gefangenen Georg Elser am 9. April 1945 – 20 Tage, bevor die Alliierten das Konzentrationslager befreien und einen Monat vor der Kapitulation Nazideutschlands.
Dietrich Bonhoeffer wird am selben Tag im KZ Flossenbürg ermordet. Doch während nach dem einen versuchten Tyrannenmörder immerhin ab den 1970er Jahre Straßen benannt und Statuen errichtet werden (zu recht natürlich!), geht Georg Elser leer aus. Die NS-Propaganda, dass der britische Geheimdienst hinter dem Anschlag stecke, hat dafür gesorgt, dass sein Name und seine Beweggründe lange unbekannt bleiben. Manche vermuten sogar, die Nazis hätten das Attentat selbst inszeniert, als Vorwand für weitere Terrormaßnahmen wie beim Reichstagsbrand.
Erst als 1999 eine Biografie über Elser erscheint, werden Historiker*innen auf ihn aufmerksam. Seit November 2011 gibt es in Berlin ein Denkmal für den schwäbischen Schreiner. Geschaffen hat es der Künstler Ulrich Klages, der über Elser sagt: „Er war einfach nur ein Mensch.“ Und: „Er fiel nicht auf Propaganda herein.“
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