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Mein Kind ist queer

Der Sohn schwul oder bi, die Tochter lesbisch oder trans – entdeckt das eigene Kind seine Sexualität oder Geschlechtsidentität, können einige gut damit umgehen, andere tun sich schwerer. Aber was genau können Eltern machen, um die Jugendlichen zu stützen und zu stärken?

Demoteilnehmer*innen halten sich bei einer Pride-Demo an der Hand. Eine Person trägt ein Armband in Regenbogenfarben, die andere eine rote Schleife.
Foto: IMAGO / Müller-Stauffenberg

Das Coming-out ist etwas, das jeder queere Mensch früher oder später durchlebt. Es geht darum, die eigene Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung zu erkennen, anzunehmen und schließlich nach und nach mit der Welt zu teilen. Jugendliche, die nicht heterosexuell sind, finden das in der Regel im Alter von 13 bis 16 Jahren heraus. Auf dieses innere Coming-out folgt dann – mal früher, mal später – das äußere Coming-out, also das Öffentlichmachen.

Ein Coming-out betrifft vor allem das Kind bzw. den Menschen, der sich outet – kann aber auch das Leben einer ganzen Familie durcheinanderwirbeln. Nicht alle Eltern können damit gleich gut umgehen. Die einen wissen intuitiv, was zu tun ist, andere hadern mit der Neuigkeit und fragen sich, was die richtige Reaktion sein könnte. Die folgende Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie soll aber einen ersten Überblick geben, was queeren Jugendlichen und ihren Eltern in dieser sensiblen und nicht immer leichten Lebenslage helfen kann.

Tipp 1: Grundlagen schaffen

Eltern sollten frühzeitig beginnen, eine offene und vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre zu schaffen, in der Kinder über Gefühle, Emotionen und den eigenen Körper sprechen können – es gibt keine bessere Basis für emotionale Gespräche in der Pubertät. 

Ein Mädchen mit Regenbogenrucksack steht vor protestierenden Menschen mit Schildern.
Foto: Andreas Gebert / Campact (CC BY-NC)

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Gemeinsam mit dem Kind lassen sich geschlechtsspezifische Stereotypen und Phrasen in Filmen und Büchern hinterfragen; das gibt dem Kind das Gefühl, vollkommen in Ordnung zu sein, so wie es ist. Eltern können queere Freund*innen oder Kolleg*innen erwähnen und signalisieren, dass alle Orientierungen und Lebensformen gleichwertig sind. Das schafft eine vertrauensvolle Grundlage, in der sich Kinder geborgen und aufgehoben fühlen.

Tipp 2: Nicht drängen

Spricht ein Kind mit seinen Eltern über die eigene sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität, ist das ein großer Vertrauensbeweis – dem Gespräch ist ein langer Prozess beim Kind selbst vorausgegangen. Es war wahrscheinlich in dieser Zeit mit Ängsten und Unsicherheiten beschäftigt, deshalb kann es etwas dauern, bis es sich Erwachsenen anvertraut. 

Übrigens: Väter und Mütter vermuten viel häufiger, dass ihr Kind schwul, lesbisch oder bi sein könnte, als es tatsächlich der Fall ist. Eltern sollten Sohn oder Tochter kein Gespräch aufzwingen, nur weil sie Vermutungen über die sexuelle Orientierung haben. Das Kind kommt auf sie zu, wenn es so weit ist. 

Tipp 3: Zuhören und da sein

Auch wenn es schwer fällt: Eltern sollten geduldig bleiben und warten, bis ihr Kind das Gespräch sucht. Sie sollten Sohn oder Tochter auf jeden Fall ernst nehmen und nicht die Vermutung oder gar Hoffnung äußern, alles könnte nur eine Phase sein.

Das Kind bestimmt das Tempo und entscheidet, wann es mit anderen Familienmitgliedern oder Menschen über seine sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität spricht. Eltern können ihrem Kind vertrauen, es wird die richtigen Entscheidungen treffen – und auf die Erwachsenen zukommen, wenn es so weit ist. Queere Jugendliche benötigen Zuspruch und Rückendeckung, wenn sie sich vor Verwandten oder in der Schule outen möchten. Von den Eltern brauchen sie das Gefühl von Sicherheit und die Gewissheit, dass sie an ihrer Seite stehen: egal, was passiert.

Tipp 4: Eigene Ängste nicht auf das Kind übertragen

Es ist ok, nach dem Coming-out des eigenen Kindes Ängste und Unsicherheiten zu haben. Wird mein Kind in der Schule gemobbt? Ist es unsere Schuld? Was sagen die Verwandten und Nachbarn? Ich habe mir doch immer Enkel gewünscht! Und was ist mit Aids?

Viele Eltern fürchten, dass ihr Kind nach dem Coming-Out gemobbt wird. Mögliche Warnsignale: Das Kind will nicht mehr in die Schule, träumt nachts schlecht oder hat morgens Magenschmerzen, ist viel krank oder bringt kaputte Schulsachen mit nach Hause. Weitere Infos gibt es beim Verein Zeichen gegen Mobbing.

All das sind Punkte, für die sich Eltern nicht schämen müssen. Die meisten Sorgen werden sich mit der Zeit klären. Nur: Belasten sollten sie ihr Kind nicht damit – es durchlebt eh schon gerade turbulente Zeiten.

Tipp 5: Unterstützen

Eltern können gemeinsam mit ihrer Tochter oder ihrem Sohn schauen, ob es eine queere Jugendgruppe in der Nähe gibt. Für alle, die Lust auf Austausch mit anderen Erwachsenen haben, ist eine Elterngruppe gut – gerade für diejenigen, die merken, dass sie mit der Neuigkeit ringen und das Gefühl haben, nicht wirklich für ihr Kind da sein zu können. 

Die Seite „Liebesleben“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat einen Beratungsstellenfinder, das Queer Lexikon bietet eine Karte mit Jugendgruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 

Ganz wichtig: Eltern sollten dem Kind in dieser herausfordernden Zeit immer das Gefühl geben, an seiner Seite zu stehen – zum Beispiel, wenn es sich in der Schule oder vor Verwandten outen möchte.

Tipp 6: Heartstopper schauen

Zum Schluss ein Fernsehtipp für alle, die es noch nicht kennen: die britische Serie Heartstopper. Die Szene, in der sich der 16-jährige Nick vor seiner Mutter, gespielt von Olivia Coleman, als bisexuell outet, geht nicht nur ans Herz. Sie zeigt auch, wie positiv und einfühlsam Eltern auf ein Coming-out von ihrem Kind reagieren können – und wie das diese Kinder stärkt und ermutigt.

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Autor*innen

Henrik Düker ist Politikwissenschaftler und Soziologe. Bei Campact arbeitet er als Redakteur, im Blog beschäftigt er sich vor allem mit LGBTQIA*-Themen. Alle Beiträge

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