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5 Fakten zum Disability Pride Month

Der Pride-Monat und Pride Paraden sind mittlerweile weltweit bekannt. Darüber hinaus gibt es noch den weitaus unbekannteren „Disability Pride Month“. Wofür steht er und was gibt es darüber zu wissen? Lies hier mehr.

Eine Teilnehmerin im Rollstuhl und andere Menschen mit Plakaten und Bannern bei der Disability Pride Parade 2014 in Berlin. Auf einem großen Banner im Hintergrund steht "Schubladen zu Sägemehl!"
Teilnehmende der Disability Pride Parade 2014. Seit 2013 findet die Parade jährlich in Berlin statt. Foto: IMAGO / Future Image

Der „Pride Month“ (auch „LGBT-Pride“, „Gay-Pride“ oder einfach nur „Pride“) ist weltweit bekannt und ein fester Termin im Kalender. Jedes Jahr im Juni feiern Queers und die LGBTQIA*-Community einen Monat lang – und treten für ihre Rechte und gegen Diskriminierung ein. Die Regenbogen-Flaggen an Gebäuden, in Geschäften und auf Social Media sind mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Deutlich weniger bekannt ist der „Disability Pride Month“. Er findet jährlich im Monat Juli statt. Worum geht es beim Disability Pride Month, wer sind die Akteur*innen und für was setzen sie sich ein? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was ist der Disability Pride Month und woher kommt er?

„Disability Pride Month“ bedeutet auf Deutsch sinngemäß „Monat des Stolzes von Menschen mit Behinderungen“. Entstanden ist der Disability Pride Month in den USA. Im Juli 1990 erklommen Aktivist*innen die Treppe zum Kapitol in Washington D.C.: im Rollstuhl, auf Knien oder mit Krücken. Die Aktion zog viel Aufmerksamkeit auf sich, auch weil sie den damaligen Präsidenten George H. W. Bush zur Unterzeichnung eines neuen Bürgerrechtsgesetzes drängte. Der daraufhin am 26. Juli 1990 verabschiedete „Americans with Disabilities Act“ (ADA) war ein Meilenstein der Bürgerrechte für Menschen mit Behinderung. Deswegen ist der Juli ein Monat des Stolzes.

Inklusive Sprache bedeutet nicht nur, die Vielfalt der Geschlechter sichtbar zu machen, sondern auch, antirassistisch und diskriminerungssensibel zu sein.

Im Kontext von Behinderung wird die Formulierung „Menschen mit Behinderungen“ oder „Mensch/Person mit Behinderung“ allgemein akzeptiert und genutzt. Andere, vermeintlich beschönigende Ausdrücke, verstärken Stigmata und Stereotype noch zusätzlich.

Mehr über inklusive und diskriminierungsfreie Sprache liest Du zum Beispiel im Glossar des Projekts „Leidmedien”.

Für was steht der Disability Pride Month?

Der Disability Pride Month soll, ähnlich wie der LGBTQIA* Pride Month im Juli, auf die Rechte von Menschen mit Behinderung aufmerksam machen und zeigen, welche Diskriminierungserfahrungen sie machen. Außerdem soll er Berührungsängste abbauen und das Thema Behinderung aus der Tabu-Zone holen.

Der Monat dient dazu, die Erfahrungen und Erlebnisse von behinderten Menschen in ihren lokalen und globalen Gemeinschaften anzuerkennen und sichtbar zu machen. Denn Schätzungen zufolge lebt etwa eine Milliarde Menschen weltweit mit einer Behinderung; alleine in Deutschland gibt es 8 Millionen schwerbehinderte Menschen. Der „Disability Pride Month“ bietet eine Möglichkeit, auf Verbesserungspotential hinzuweisen, zum Beispiel bei den Themen Barrierefreiheit, Inklusion und Selbstbestimmung. Es geht darum, die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit gleichzeitig zu feiern und einzufordern. Oft wird eine medizinische Diagnose benutzt, um zu erklären, warum jemand nicht an der Gesellschaft teilhaben kann. Stattdessen sollte es darum gehen, was die Person braucht, um besser teilhaben zu können.

Der Disability Pride Month bietet daher auch eine Möglichkeit, darauf hinzuweisen: Behinderung hat nicht nur einen körperlichen Anteil, sondern immer auch einen sozialen. Was als Behinderung verstanden und gewertet wird, kann sich gesellschaftlich und historisch immer wieder verändern. Der Begriff Behinderung ist vielschichtig und facettenreich. Dieses Thema ist mit Blick auf den Rechtsruck in Deutschland und Europa immer dringlicher. Denn Parteien wie die AfD sprechen sich für den Abbau von Inklusion aus.

Hat die Disability Pride auch eine Flagge?

Zum Disability Pride Month gibt es auch eine Flagge. Sie wurde von Ann Magill entworfen und trägt fünf Farben auf einem dunkelgrauen Untergrund. Alle Farben haben unterschiedliche Bedeutungen; sie stehen für:

Die Disability Pride-Flagge, entworfen von Ann Magill. Sie zeigt fünf farbige Streifen auf einem dunkelgrauen Untergrund. Die Streifen gehen von links oben nach rechts unten quer und parallel zueinander durch den dunkelgrauen Kasten. Copyright: CC0 1.0, gemeinfrei

🔴 Rot für körperliche Behinderungen
🟡 Gelb für Lernschwierigkeiten, kognitive Behinderungen und Neurodivergenz
⚪️ Weiß für unsichtbare und undiagnostizierte Behinderungen
🔵 Blau für psychische Erkrankungen
🟢 Grün für Sinnesbehinderungen
⚫️ Dunkel-Grau für Menschen mit Behinderungen, die ihr Leben verloren haben und für Opfer von ableistischer Gewalt

Gibt es den Disability Pride Month auch in Deutschland?

In Deutschland findet der Disability Pride Month bisher kaum statt. Ausnahme ist Berlin: Hier gibt es schon seit über zehn Jahren eine Disability Pride Parade. Sie hat ihren Ursprung in der „Mad Pride“, einer Bewegung von Psychiatrieerfahrenen, die sich 1993 erstmals in Toronto gründete.

Am 13. Juli 2013 als fand die erste Parade in Berlin als „Disability & Mad Pride Parade 2013“ unter dem Motto „behindert und verrückt feiern“ statt. Von Anfang an waren hier neben Psychiatrieerfahrenen auch Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen dabei. Organisiert wird die Parade von einem Kollektiv. Dieses trifft sich regelmäßig, um die jährliche Demo zu organisieren und den Forderungskatalog auszuarbeiten, der den Weg in eine inklusive und solidarische Zukunft weiter vorantreiben soll.

Wie stehen Personen mit Behinderungen zu dem Aktionsmonat?

Menschen mit Behinderungen in Deutschland begrüßen generell die vermehrte Aufmerksamkeit für mehr mehr Gerechtigkeit und Teilhabe. Es gibt allerdings auch Kritik, beziehungsweise vorsichtige Einordnungen für den Begriff „Disability Pride“. So schreibt der Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit Raúl Krauthausen in seinem Blog:

Anfangs haderte ich mit dem Begriff. Denn „Pride“, ins Deutsche mit „Stolz“ übersetzt, wirft erst mal die Frage auf: „Stolz worauf?“. Warum sollte man überhaupt Stolz auf die eigene Behinderung empfinden? Fühlt sich das nicht ein wenig masochistisch an? Stolz auf etwas zu sein, das aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft (und teilweise meiner eigenen Internalisierung) im Grunde „nicht funktioniert“?

Raúl Krauthausen in „Das sind die Tücken des ‚Disability Pride Month‘“

Wie auch viele Mitglieder der LGBTQIA*-Community haben Menschen mit Behinderungen oft eine langwierige Geschichte hinter sich, die von Selbstzweifeln, Schuldgefühlen, fehlender Selbstakzeptanz, Scham und manchmal auch Selbsthass geprägt ist. Eine Behinderung bedeutet oft, von anderen abhängig zu sein, außen vor zu stehen, auf jeden Fall: anders als „die Norm“ zu sein. Während manche Menschen bereits mit einer Behinderung geboren wurden, werden andere erst im Laufe ihres Lebens behindert, durch eine Krankheit oder einen Unfall. Es ist sehr unterschiedlich, wie Menschen damit umgehen.

Raúl Krauthausen sagt dazu: „Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, ‚behindert‘ zu sein. Für manche ist es eine Identität. Für mich war es anfangs eine Schande. Für viele von uns ist es beides – und eine Entwicklung.“ Und:

Ich denke, dass jeder einzelne Mensch mit einer Behinderung es verdient, stolz auf sich selbst zu sein und sich nicht von einer ableistischen Gesellschaft um diese angemessene und gerechtfertigte Selbstachtung betrügen lässt. „Disability Pride Month“ ist ein Anlass, die eigene Einzigartigkeit und die der anderen zu feiern. Stolz darauf zu sein, wer wir sind und dass wir sind.

Raúl Krauthausen in „Das sind die Tücken des ‚Disability Pride Month‘“

Der Disability Pride Month ist ein Monat, in dem die Persönlichkeit, Bedürfnisse und Belange von Menschen mit Behinderungen in den Vordergrund gerückt werden sollen. Wie beim LGBTQIA* Pride Month gilt aber auch hier: Ein einzelner Monat reicht nicht, um langfristig etwas zu bewirken. Im besten Fall funktioniert ein Pride-Monat als Schlaglicht – das die Menschen daran erinnert, sich auch die übrigen elf Monate im Jahr einzusetzen.

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Autor*innen

Linda Hopius hat Wissenschaftsjournalismus, Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Als freie Journalistin schreibt sie zu den Themen Umwelt und Naturschutz. Dazu arbeitet sie als Naturmentorin in der Natur- und Erlebnispädagogik und berichtet darüber auf ihrem Instagram-Kanal @lindasnaturgeschichten. Für Campact arbeitet sie seit 2024 als freie Redakteurin. Alle Beiträge

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