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Kamala Harris for President: Wie frauenfeindlich wird der Wahlkampf in den USA?

Kamala Harris wird höchstwahrscheinlich die neue Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei in den USA. Bei Feminist:innen und Demokrat:innen löst das Freude aus – aber wir sollten uns im Wahlkampf auf einiges gefasst machen. Inken Behrmann schreibt über frauenfeindliche Attacken im Netz versus 40.000 Schwarze Frauen für #Kamala.

Die designierte Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten, Kamal Harris, bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in West Allis, Wisconsin, USA.
Foto: IMAGO / Middle East Images

Über 80 Millionen Dollar Wahlkampfspenden an einem Tag. Die designierte neue Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei in den USA, Kamala Harris, stellte bereits am ersten Tag ihres Wahlkampfes einen neuen Rekord auf. So viel Geld wie am Montag wurde noch nie an einem einzigen Tag für einen Wahlkampf gesammelt. Und auch im Internet löst Kamala Harris Euphorie aus: Neue Memes und Clips feiern die Demokratin mit swag. Auf der anderen Seite aber machen sich auch die Republikaner bereit – für einen sexistischen und rassistischen Wahlkampf gegen die Frau, die die erste Präsidentin of Color der USA werden könnte. The fight is on.

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Sexismus und Rassismus im Wahlkampf

Bereits kurz nachdem Kamala Harris vom derzeitigen Präsidenten Joe Biden als Präsidentschaftskandidatin empfohlen wurde, begannen Desinformationskampagnen gegen sie heiß zu laufen. Im Zentrum steht insbesondere eine Geschichte. Nämlich, dass sie sich am Anfang ihrer Karriere durch eine Affäre mit dem Bürgermeister von San Francisco „hochgeschlafen“ hätte. Die Fakten sind dagegen: In den 1990er Jahren hatte Kamala Harris eine kurzzeitige Beziehung mit dem Bürgermeister von San Francisco, Willie Brown. Dieser war bereits seit 1981 von seiner Frau geschieden. Harris’ politische Karriere begann erst circa 15 Jahre später. 

Im Internet jedoch kursieren bereits sexualisierte Wahlkampflügen mit Bezug auf die Geschichte – zum Beispiel montierte Bilder von Harris mit Knieschonern, die eine Verbindung zu Oralsex implizieren oder auch verunglimpfende Spitznamen wie „Heels-up Harris“. Hier zeigt sich bereits: Desinformation und sexualisierte Diffamierungskampagnen werden in diesem Wahlkampf eine große Rolle spielen.

Verschwörungserzählungen über Kamala Harris

Bereits 2021 untersuchte eine Studie des Wilson Center Desinformationskampagen gegen Frauen in politischen Ämtern. Sie deckte rechte Misinformationen gegen Harris auf, die nun wieder Fahrt aufnehmen. Eine ist schon aus dem Obama-Wahlkampf 2008 bekannt. Damals warf Donald Trump dem Anwärter der Demokraten Barack Obama vor, er wäre nicht in den USA geboren worden – eine zwingende Bedingung, um in den USA Präsident werden zu können. Dieselbe Geschichte wird nun über Kamala Harris gestreut, deren Mutter und Vater jeweils aus Indien und Jamaica in die USA immigrierten. 

Sowohl in Bezug auf Obama als auch auf Harris ist die Behauptung, sie wären nicht in den USA geboren, natürlich falsch – aber eine perfide Geschichte, um rassistische Vorurteile zu bedienen und Zweifel über ihre Eignung und Integrität als US-Amerikaner:innen zu säen. Denn obwohl es im Fall Obamas sogar seine veröffentlichte Geburtsurkunde zum Beweis gibt, bleiben die Misinformationen haften. 2016 waren noch immer 41 Prozent der Republikaner:innen überzeugt, Obama sei nicht in den USA geboren.

Auch die zweite Verschwörungserzählung ist bereits aus dem Umfeld der Obamas bekannt: Die Behauptung, Kamala Harris wäre in Wirklichkeit Transgender; in der Vergangenheit wäre sie ein Mann namens „Kamal Aroush“ gewesen. Photogeshoppte Bilder von Kamala Harris sollen diese Lüge beweisen. Dahinter steht die Annahme, dass eine Frau „natürlicherweise“ nicht so politisch erfolgreich und durchsetzungsfähig sein könnte, und deshalb „eigentlich“ ein Mann sein müsste. Natürlich ist auch diese Verschwörungserzählung aus dem QAnon-Umfeld falsch. Aber auch sie sät Unsicherheit und Zweifel an der Integrität von Harris. 

Das Stereotyp der hypersexuellen Schwarzen Frau 

Während die letzten beiden Verschwörungserzählungen wohl vor allem bei verschwörungstheoretischen Republikaner:innen Gefallen finden dürften, kann die erste Geschichte am ehesten eine Belastung für Harris im Wahlkampf bedeuten. Denn sie nimmt das gesellschaftliche Stereotyp der „Jezebel“ auf; ein rassistisches Stereotyp, dessen Kern ist, dass Schwarze Frauen sexuell hyperaktiv und freizügig wären. Das Stereotyp kursiert in den USA seit der Sklaverei – damals, um Schwarzen Frauen, die von weißen Sklavenhaltern vergewaltigt wurden, die Schuld dafür zu übertragen.

In abgewandelter Form hält sich das Bild der hypersexuellen („promiscuous“) Schwarzen Frau bis heute und ist im unterbewussten Kanon der US-amerikanischen Kultur präsent. Damit in Verbindung steht das Bild von Schwarzen Frauen als Prostituierte und Verführerinnen von „unschuldigen“ Männern. Die Verschwörungserzählung, Kamala Harris hätte sich zu Beginn ihrer Karriere wahlweise sexuell für einen besseren Job verkauft, oder als Escort gearbeitet, aktualisiert nun dieses Stereotyp auf perfide Art und Weise, weil es unterbewusste Stereotype auf Harris anwendet und scheinbar bestätigt.

Trumps Wahlkämpfe leben von sexistischen und rassistischen Anfeindungen

Nicht nur die letzten Stunden, auch die vergangenen Wahlkämpfe, in denen Donald Trump eine tragende Rolle spielte, lassen nicht gerade vermuten, dass dieser Wahlkampf auf einer sachlichen Ebene geführt werden wird. Stattdessen müssen wir uns auf gezielten Sexismus und Rassismus gefasst machen. Schon im Wahlkampf gegen Hillary Clinton 2016 wurden in erheblichem Maß gezielt Fake News über Clinton gestreut. Der Skandal wurde später unter dem Namen „Cambridge Analytica“ bekannt. 

Auch gegen Hillary Clinton richteten sich damals besonders viele sexualisierte Slogans: Sie reichten von Reimen wie „She’s a cunt, vote for Trump“ (deutsch: „Sie ist eine Fotze, wählt Trump“), über Wortspiele wie „Trump that Bitch“ (zu deutsch: „Übertrumpfe / Besiege diese Schlampe“). Oder sexualisierten Beleidigungen und Vergleiche zwischen Hillary Clinton und Monica Lewinsky, einer Praktikantin im Weißen Haus, mit der Hillary Clintons Ehemann Bill Clinton während seiner Präsidentschaft eine Affäre hatte: „Hillary sucks, but not like Monica“ (Wortspiel mit „to suck“, Wortbedeutungen ist einerseits „saugen“ und wird auch als Umschreibung für Oralsex verwendet, auf der anderen Seite heißt „something sucks“, „etwas ist scheiße“.) Schon Hillary Clinton hatte mit sexualisierten Anfeindungen zu kämpfen – im Fall von Kamala Harris aber könnten sie in der Mischung rassistischer und sexistischer Stereotype in der Gesellschaft auf besonders fruchtbaren Boden fallen.

Kamala Harris als „crazy cat lady“

In ein anderes sexistisches Horn stoßen die Bemerkungen Donald Trumps, man müsse nur Harris’ Lachen sehen, um zu sehen, dass sie „verrückt“ sei: „Ich nenne sie lachende Kamala. Haben Sie sie schon einmal Lachen gesehen? Sie ist verrückt. Man kann viel an einem Lachen erkennen. Sie ist verrückt.“ Hier spielt Trump auf ein Stereotyp an, das der „crazy black bitch“: Es besagt, dass Schwarze Frauen besonders verrückt und emotional instabil wären. 

Auch der designierte Vizepräsidentschaftskandidat der Republikaner J.D. Vance bezeichnete Kamala Harris als Teil einer Gruppe von „childless cat ladies“ („Kinderlosen Katzenfrauen“) in der Demokratischen Partei, die unglücklich in ihrem eigenen Leben wären. Diese Rhetorik zeichnet ebenso ein Bild persönlich unglücklicher, aber verrückter Karrierefrauen und diskreditiert so Harris’ Persönlichkeit und Kompetenz.

Der K-hive und über 40.000 Schwarze Frauen*: Harris’ Fanbase

All diese Ausblicke geben Anlass zur Sorge. Auf der anderen Seite aber kann die Präsidentschaftskandidatur von Harris zu einem großen Erfolg werden – denn was sie für die rechten Republikaner zur Zielscheibe von Hass macht, bringt ihr Fans bei Schwarzen Frauen* und jungen Demokrat:innen ein. Die Rekord-Spenden geben darauf einen Vorgeschmack. 

Aber nicht nur das: Seitdem Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin gehandelt wird, entstehen Memes und Clips, in denen Kamala Harris gefeiert wird, am laufenden Band. Sie gilt als „cool“ und ein bisschen verrückt – was ihr in der Internet-Kultur jedoch eher Fans und Aufmerksamkeit einbringt. Ihre Meme-Produktion hat sogar einen eigenen Namen: der K-hive. Auch Wähler:innen-Gruppen, die sich mit Harris identifizieren können, können in dieser Wahl den entscheidenden Unterschied machen. Direkt am Montag gab es einen Online-Call mit Schwarzen Frauen*, die sich im Wahlkampf für Kamala Harris engagieren wollen. Über 40.000 Menschen nahmen spontan teil. Eine besonders hohe Wahlbeteiligung von Schwarzen und Frauen* sicherte schon 2012 die Wiederwahl Barack Obamas. 

Welcher Vizepräsident?

Zuletzt ist auch die Frage, wen Harris zu ihrem Vizepräsidenten macht, entscheidend dafür, wie angreifbar sie für misogyne Kampagnen ist. Eine zweite Frau – wie die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, die aktuell für den Posten im Gespräch ist, brächte die Gefahr mit sich, als matriarchales Gespann diffamiert zu werden. Aber auch ein Mann als Vizepräsident hätte Fallstricke: Ist es im Geschlechterbild der USA vermittelbar, dass eine Schwarze Frau nicht nur Präsidentin, sondern auch direkte Chefin eines Mannes wäre? In heterosexueller Lesart könnten sich insbesondere viele Männer, die ohnehin um ihren gesellschaftlichen Status fürchten, von einer solchen Konstellation an der Spitze des Staates bedroht fühlen – eine Wählergruppe, die 2016 bereits für Hillary Clinton ein Problem war. 

Dieses Bedrohungsgefühl könnten sich Republikaner zunutze machen und in einer Angst-Kampagne behaupten, Männer würden in Zukunft von Frauen unterdrückt. Eine interessante Wahl dagegen wäre der aktuelle Verkehrsminister Pete Buttigieg. Der aus Michigan kommende Bürgermeister ist das erste offen homosexuelle Mitglied eines Bundeskabinetts in den Vereinigten Staaten. Aufgrund seiner sexuellen Orientierung könnte er von Republikanern mit einem sehr orthodoxen Geschlechterverständnis nicht so leicht in ein heterosexuelles Konkurrenzverhältnis zu Harris gesetzt werden – und somit möglicherweise weniger ein Bedrohungsgefühl in der heterosexuellen Geschlechterordnung auslösen. 

Aber die Entscheidung darüber und über alle weiteren wichtigen Wegmarken, trifft nun Kamala Harris selbst. Zum ersten Mal in der US-amerikanischen Geschichte ist eine Frau of Color am Zug. Und das allein ist – bei allem Ärger, den dieser Wahlkampf noch mit sich bringen wird – ein Grund zu feministischer Freude.

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Autor*innen

Inken Behrmann ist für Klimaschutz und Feminismus unterwegs. Nachdem sie als Campaignerin bei Campact und in der Klimabewegung Kampagnen für Klimaschutz organisiert hat, promoviert sie aktuell an der Universität Bremen. Für den Campact-Blog schreibt sie Texte gegen das Patriarchat. Alle Beiträge

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