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Wie es nach den Wahlen weitergeht

Campaigner Danny ist abgestumpft, was AfD-Wahlergebnisse angeht. Doch nach der Wahl in Brandenburg kommen auch bei ihm Emotionen hoch: Wut, Angst und der Drang, sofort zu handeln. Was wir nach den drei Schicksalswahlen in Ostdeutschland jetzt tun sollten, erfährst Du in der neuen Ausgabe des "Ostblog".

Demonstration am Rande der AfD-Wahlparty in Potsdam. Ein Protest-Teilnehmer hält ein Plakat hoch mit der Aufschrift: "Demokratie braucht keine Alternative! Brandenburg zeigt Haltung"
Demonstration am Rande der AfD-Wahlparty in Potsdam, Brandenburg. Foto: IMAGO / Metodi Popow

Die Wahlen in Brandenburg sind gelaufen, die Ergebnisse sind bekannt. Wir müssen gar nicht viel drum herumreden: Es gibt absolut keinerlei Grund zu feiern. Die Ergebnisse für die extrem rechte AfD bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sind eine Zäsur. Ein Einschnitt dramatischen Ausmaßes, dessen Folgen wir uns heute vielleicht noch gar nicht richtig bewusst sind. 

Ich gebe es zu: Direkt nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen war auch ich Verfechter der Durchhalteparolen. Einer, der lieber unsere Erfolge in dem ganzen Schlamassel betont hat. Und ehrlich gesagt: Vor drei Wochen war ich nicht wirklich schockiert über die AfD-Ergebnisse. Vermutlich, weil ich mich über Monate hinweg mit diesem Wahlausgang beschäftigt habe und mich so darauf einstellen konnte. „Professionelle Distanz“ könnte man das vielleicht nennen.

Mir macht das Sorgen. Dass ich angesichts extrem rechter Spitzenergebnisse nicht sofort in Wut, Aufruf und Aktionismus verfalle, mag vielleicht professionell wirken, ist aber nicht gut. Ich fürchte, dass ich abgestumpft bin – und vielleicht wir als Gesellschaft auch immer weiter abstumpfen. Das sind definitiv Erfolge der AfD und der Normalisierung des Rechtsrucks in diesem Land. Ja, Durchhalteparolen tun da gut. Und ehrlicherweise: Es ist richtig, dass wir als Linke oder Progressive unsere Erfolge mehr betonen sollten – darin sind wir nämlich ziemlich schlecht. 

Wahl in Brandenburg bringt Gefühle ins Rollen

Also: Ja, wir haben die Sperrminorität für die AfD in Sachsen verhindert. In vielen Orten, auch in der hinterletzten Provinz, waren so viele Menschen wie noch nie auf den Beinen: Demokratiefeste auf dem Marktplatz, Kundgebungen gegen AfD-Wahlkampfevents oder Demos gegen Rechts. Zig Unternehmen haben sich öffentlich und wahrnehmbar gegen die AfD ausgesprochen. All das sind schöne Erfolge. Was hat es uns gebracht? 30,6 Prozent für die AfD in Sachsen, 32,8 Prozent und Sperrminorität in Thüringen und 29,2 Prozent und Sperrminorität in Brandenburg. 

Schwer zu sagen, wie es ausgegangen wäre, wenn wir als Zivilgesellschaft in den letzten Wochen und Monaten nicht aktiv gewesen wären. Trotzdem erschüttern die Ergebnisse und drängen allen Antifaschist*innen die Frage auf: „Was tun?“ Allmählich sacken diese Ergebnisse auch immer mehr bei mir und mein Blick darauf verändert sich. Diese Art „professionelle Distanz“ weicht nun der Analyse und echten Emotionen. 

Was sollte jetzt passieren? Drei Vorschläge:

1. Wieder über Inhalte sprechen

Parteien haben viel darüber gesprochen, wie schlecht die AfD ist, dass man sie aus bestimmten Gründen nicht wählen sollte. In der Regel waren das moralisierende Argumente, erhobener Zeigefinger. Aber auch wir, NGOs und Aktivist*innen, sind in den Reigen eingestiegen. Unsere angebotene Alternative: „demokratisch wählen“ – also irgendeine der anderen Parteien. Eigentlich egal welche. Hauptsache nicht AfD.

Ich bin der festen Überzeugung, dass das ein großer Fehler war. Denn erstens stellt das nicht nur alle anderen Parteien abseits der AfD als einen Einheitsblock dar, der kaum unterscheidbar ist. Zweitens brauche ich als Wähler Inhalte, an denen ich mich abarbeiten kann, mit denen ich mich identifiziere oder die ich ablehne. Wenn der Hauptinhalt von CDU bis Grüne beinahe lautet „Wir sind nicht die AfD“, dann wird die Wahl zur Farce.

2. Keine AfD-Politik machen

Es ist ja wirklich kaum auszuhalten, mit welcher Geschwindigkeit gerade elementare Rechte und Freiheiten in diesem Land zu Gunsten von erhofften zwei oder drei Prozent bei der nächsten Wahl über Bord geworfen werden. Was die Parteien der Ampel und der Union offenbar immer noch nicht geschnallt haben, obwohl es in Studien mehrfach belegt wurde: Es bringt nichts, aber auch wirklich gar nichts, wenn sie jetzt die Politik der AfD betreiben, AfD Forderungen umsetzen und so versuchen „verlorene Wähler zurückzugewinnen“, wie es immer heißt.

Abschottung, Grenzkontrollen, Asylrecht einschränken: Die Wähler*innen bleiben beim Original. Getreu dem Motto „Wer hat’s erfunden?“ setzen sie ihr Kreuz bei der AfD, nicht bei Parteien, die AfD-Politik kopieren. Solange diese Parteien das nicht begreifen, ist es unsere Aufgabe als Zivilgesellschaft, Druck aufzubauen und ihnen das klarzumachen – und uns gleichzeitig schützend vor die zu stellen, die am meisten unter dieser Politik leiden.

3. Neue Ansätze ausprobieren

Demo hier, Marktplatzfest dort, Social-Media-Kampagne da – geht es um Wahlen, sind wir als Zivilgesellschaft oft schon eingespielt. Wir haben einen Werkzeugkasten, den wir abarbeiten und versuchen so möglichst viele Menschen von unserer Einstellung zu überzeugen oder zu einer bestimmten Handlung zu bewegen. Das ist gut und wichtig, teilweise funktioniert es auch. Und überhaupt: Was genau die richtige Herangehensweise ist, ist ohnehin lokal total unterschiedlich und abhängig von den örtlichen Verhältnissen.

Aber im Kern machen wir doch immer wieder das Gleiche. Vielleicht ist es Zeit, neue Methoden auszuprobieren und unsere Aktivitäten den neuen Herausforderungen anzupassen. Organizing-Projekte im Viertel oder der Kommune, Haustürgespräche, Dialogformate über den Gartenzaun hinweg. Wieder mehr mit unseren Nachbar*innen sprechen, statt zu ihnen. Wieder stärker auf zivilen Ungehorsam setzen, wenn AfD, Nazis und Co. in die Stadt kommen. Und die CSDs stärker politisieren. Das Wichtigste: Jetzt nicht aufgeben, sondern durchhalten, weitermachen und zusammenstehen!

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Autor*innen

Danny Schmidt ist seit 2019 Campaigner bei Campact. Als Teil des Kampagnen-Teams gegen Rechts setzt er sich vor allem gegen das Erstarken rechter Strukturen, Bewegungen und Parteien ein. Als Nachwendekind aus der ostdeutschen Provinz lässt ihn die Frage der ostdeutschen Identitäten nicht los – für den Campact-Blog schreibt Danny Schmidt für, über und aus Ostdeutschland. Alle Beiträge

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