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Wende in Paris

Paris treibt die Verkehrswende in den letzten Jahren enorm voran. Was für viele deutsche Städte radikal wäre, ist dort mittlerweile ganz normal.

Ein belebte Straße in Paris mit viel Grün. Auf der Straße sind Fußgänger und Fahrradfahrer – keine Autos. Paris ist ein Postivbeispiel für eine gelungene Verkehrswende.
Foto: IMAGO / viennaslide

Paris, die Stadt der Liebe ❤️ – und der Verkehrswende? Tempo 30, autofreies Seine-Ufer, erhöhte SUV-Parkgebühren – ständig gibt es neue Meldungen aus der französischen Hauptstadt. Die Verkehrswende begann bereits im Jahr 2007, als der Fahrradverleih Velib in Paris überall für leicht verfügbare Fahrräder sorgte. Damals umfasste das Radwegenetz ungefähr 200 Kilometer. Heute sind es über 1000 Kilometer. Auch sonst hat sich in den letzten Jahren viel auf den Straßen Frankreichs verändert.

Tempo 30

Seit dem 30. August 2021 gilt auf den meisten Straßen von Paris Tempolimit 30. 60 Prozent der Pariser*innen hatten sich in einer Umfrage dafür ausgesprochen. Das macht die Straßen vor allem sicherer: Ein Zusammenprall mit einem 50 km/h schnellen Auto endet laut Weltgesundheitsorganisation für 80 Prozent der Fußgänger*innen tödlich. Fährt das Auto nur 30 km/h schnell, sinkt die Zahl auf zehn Prozent. Gleichzeitig verringert sich die Lärmbelastung. Die Hoffnung besteht, dass durch das Tempolimit der Straßenverkehr insgesamt zurückgeht. In der Alpenstadt Grenoble, der Vorreiterin Frankreichs bei Tempo 30, ist das jedenfalls eingetreten. 

Parken für SUV wird teuer

Anfang 2024 ging es bei den SUV weiter: In einer Abstimmung entschieden die Pariser*innen, dass die Parkgebühren für SUV verdreifacht werden sollen: 18 Euro im Zentrum und 12 Euro in den Außenbezirken müssen ab dem 1. Oktober für die Stadtpanzer bezahlt werden. Je länger die SUV stehen, umso teurer wird es: Für sechs Stunden Parken im Zentrum werden dann satte 225 Euro fällig – allerdings nicht für Anwohner*innen, Handwerker*innen oder Pflegedienste. Die werden (vorerst) verschont, doch die Botschaft ist klar: Unser Platz ist zu kostbar für große Autos, die die meiste Zeit nur rumstehen.

Kampf gegen Klimakrise und für Gesundheit

Diese Maßnahmen mögen uns in Deutschland radikal erscheinen. Doch sie zeigen, wie weit die Verkehrswende in Paris bereits fortgeschritten ist. Treibende Kraft ist ganz klar Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Angesichts hoher Smog-Werte wollte sie die Gesundheit der Pariser*innen verbessern und sagte dem Auto den Kampf an. Weniger Autos bedeuten weniger Luftverschmutzung, weniger Lärm und weniger Unfälle. Auch der Klimawandel motiviert die Sozialistin:

Der Planet brennt und wir in Paris haben beschlossen, nicht tatenlos zuzusehen.

Anne Hidalgo (Bürgermeisterin von Paris)

Dabei ging sie geschickt vor. Hidalgo holte die Pariser*innen durch Umfragen ins Boot und investierte viel Geld, um die Stadt zu verändern. Nach ihrer Wiederwahl 2020 legte sie einen fünfjährigen Investitionsplan auf, der bis 2026 250 Millionen Euro für neue Radwege und Fahrrad-Parkplätze vorsieht.

Vorzeigeprojekte, wie die Verbannung der Autos vom Seine-Ufer, haben ihre Politik bekannt und populär gemacht. Wenn die Straße weg ist, aber dafür Naherholungsraum geschaffen wird, kommt das bei vielen Menschen gut an. Bisher haben es ihr die Pariser*innen gedankt und sie wiedergewählt. Natürlich gab es auch Widerstand. 

Proteste der Auto-Fans

Vor allem die Konservativen und die Pro-Auto-Lobby in Frankreich gehen Hidalgo scharf an. Und auch die autofahrenden Pendler*innen aus dem Pariser Umland sind über viele Maßnahmen nicht begeistert. Dabei fragt man sich etwa beim Tempolimit, warum eigentlich? Nüchtern betrachtet ist Tempo 30 heute meist ohnehin nicht möglich: Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt wegen des hohen Verkehrsaufkommens in Paris bei nur 15 km/h.

Blick in die Zukunft

Wie weit Paris schon gekommen ist, wird daran deutlich, dass nur noch 4,3 Prozent aller Wege in Paris mit dem Auto unternommen werden. Das Fahrrad kommt auf 11,2 Prozent. Doch Paris ist noch lange nicht fertig. Mehr als die Hälfte der 140.000 Parkplätze soll wegfallen. Große Teile der Stadt sind für die meisten Dieselfahrzeuge jetzt schon unzugänglich, Benziner dürfen ab dem Jahr 2030 nicht mehr in die City fahren. Bis 2031 soll das neue U-Bahnnetz „Grand Express“ mit sechs Linien auf 200 Streckenkilometern das Zentrum besser mit den Vororten und Flughäfen verbinden. 

In deutschen Großstädten sieht das oft anders aus. Auch wenn man hierzulande vielerorts erkannt hat, dass der Autoverkehr Grenzen braucht und Alternativen gefördert werden müssen, ist es in Deutschland mit der Verkehrswende noch nicht weit her. Wie verbissen hier noch für das Auto gekämpft wird, zeigt das Hickhack um die Friedrichstraße in Berlin. Auch ein Tempolimit ist weiterhin nicht in Sicht. Das Verkehrsministerium selbst verhindert die Verkehrswende hierzulande massiv. Was es für eine richtige Verkehrswende braucht, zeigt das Beispiel Paris nur zu gut: eine treibende Kraft, die sich wirklich dafür einsetzt. 


Campact setzt sich für eine klimafreundliche und sozial verträgliche Verkehrspolitik ein. Ob Radverkehr, am Menschen orientierte Städteplanung, die katastrophale Klima-Bilanz des Verkehrssektors oder das Deutschlandticket (bzw. 49-Euro-Ticket) – Campact ist in den Debatten immer ganz vorne mit dabei. Denn der Verkehr in Deutschland macht knapp zwanzig Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus. Darum streitet Campact seit Jahren für eine echte Verkehrswende. Abonniere den Newsletter, um auch weiterhin über aktuelle Themen informiert zu bleiben.

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Autor*innen

Matthias Flieder ist studierter Geisteswissenschaftler und seit 2017 Campaigner bei Campact. Nachdem er zuvor für Greenpeace hauptsächlich für Klima- und Umweltschutz aktiv war, versucht er jetzt in allen Politikfeldern progressive Politik voranzubringen. Für den Campact-Blog schreibt er über die Freuden und Leiden des Fahrradfahrens und die deutsche Verkehrspolitik. Alle Beiträge

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