Digitalisierung
Smartphone oder SUV: Was empfiehlt eine Öko-KI?
Der neue KI-Chat des Öko-Unternehmens Ecosia wirbt damit, nachhaltige Antworten zu geben. Aber wie kann eine KI nachhaltig sein? Friedemann Ebelt hat den Test gemacht.
Auch mit einer herbstlichen Bronchitis in der Brust habe ich nicht auf meine Fediverse-Spaziergänge auf der Suche nach positiven Nachrichten aus der Digitalisierung verzichtet. Ehrlicherweise sind es nicht Spaziergänge, sondern Wanderungen. Die Klickwege zu positiven Nachrichten sind dann doch etwas weiter. Beim Herumsteigen in einer meiner Mastodon-Spalten, mit denen ich bestimmten Hashtags und Accounts folge, flitzte ein Screenshot an mir vorbei: „The greenest Browser on Earth“. Das ist der Slogan der Suchmaschine Ecosia.
Das engagierte Berliner Unternehmen nutzt Einnahmen aus dem Online-Werbegeschäft, um Bäume zu Pflanzen und ist damit, laut eigener Aussage, „zu 200 % kohlenstoffnegativ“. Den erwähnten Screenshot hat Stephen Farrugia gepostet, der sich darüber wundert, dass Ecosia nun auch einen KI-Chat mit einem Green Mode anbietet. Das sieht auf den ersten Blick nach einem satten Widerspruch zu den Zielen des Unternehmens aus, weil KI-Anwendungen für ihren großen Hunger nach Wasser und Energie bekannt sind. Aber vielleicht kann der Green Mode genau dieses Problem lösen?
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KI-Suchmaschinen-Trend
Seit Ende 2023 bietet Ecosia auf der Website der Suchmaschine eine KI-Funktion. Seit Anfang 2024 gibt es sogar einen eigenen Browser mit einem KI-Chat. Beide Chats basieren auf der Technik von OpenAI. Der Clou ist, dass sich ein nachhaltiger Modus für den Chat aktivieren lässt. Dass Browser- und Suchmaschinenanbieter KI integrieren, ist ein Trend. Der erhöht allerdings den Ressourcenverbrauch, weil die erforderliche höhere Rechenleistung auch höhere Anforderungen an Hardware stellt und mehr Energie verbraucht als klassische Suchanfragen.
Diesem Trend folgen vor allem die großen Anbieter, die, anders als Ecosia, kein klimafreundliches Geschäftsmodell haben. Beispiel Google: KI hat die Emissionen von Treibhausgasen in die Höhe schießen lassen. „Ecosia ist ein Social Business Unternehmen, das Bäume pflanzt und schützt. Wir widmen 100 % unseres Gewinns dem Planeten und schaffen einfache Möglichkeiten für die Menschen, jeden Tag klimaaktiv zu sein“, sagt das Unternehmen über sich. Aber hilft der KI-Chat dabei?
Die ökologischen Kosten von AI
In den USA verfolgt OpenAI den Plan, ein Fünf-Gigawatt-Rechenzentrum zu errichten. Der Verbrauch würde etwa der Stromproduktion von fünf Kernkraftwerken entsprechen; genügend Energie für etwa fünf Million Haushalte. Tatsächlich ist der Ausbau von KI-Kapazitäten eine politische Priorität, nicht nur in den USA. Microsoft will die Expansion von OpenAI finanzieren und beitreibt selbst Energiepolitik. In Pennsylvania will das Unternehmen, dass das Kernkfraftwerk Three Mile Island wieder in Betrieb genommen wird. Ende der 70er-Jahre gab es dort eine Kernschmelze, 2015 kam es zu einem Brand in der Anlage.
Während OpenAI-Chef Sam Altman davon träumt, eine Superintelligenz zu bauen, die die größten Probleme der Menschheit lösen kann, fällt immer mehr Putz von der KI-Fassade. Denn der aktuelle Nutzen schon für das Lösen weit trivialerer Aufgaben fällt ernüchternd aus. Zum Energiehunger kommen einige, nach wie vor ungelöste, Probleme von KI. Die Systeme halluzinieren, spucken Unwahrheiten aus und wiederholen Stereotype. Wir haben bereits jetzt zu viel Desinformation im Internet – nicht zuletzt beim Thema Klimawandel. Wollen wir wirklich künstlicher statt menschlicher Intelligenz das Denken über unseren Planeten anvertrauen?
Ab in den Green Mode
Um ein besseres Gefühl zu bekommen, habe ich mich testweise dem KI-Chat von Ecosia anvertraut. Meine erste Frage war: „Wie kann ich den Ecosia Green Mode aktivieren?“ Die Antwort (wie alle weiteren Antworten habe ich sie auf das Wesentliche gekürzt): „Um den Ecosia Green Mode zu aktivieren, können Sie die folgenden Schritte befolgen: (…) Gehen Sie auf die Ecosia-Website oder öffnen Sie die Ecosia-App. Klicken Sie auf das Menüsymbol oder die Einstellungen (meistens ein Zahnrad-Symbol). Suchen Sie nach der Option für den Green Mode und aktivieren Sie diese.“ Das war leider falsch, richtig ist: Im Browser ecosia.org/chat öffnen und unten neben dem Eingabefeld auf das Globus-Symbol klicken, dann „Nachhaltige Antworten“ auswählen. Die App und den Mobil-Browser habe ich nicht ausprobiert.
Nach der Aktivierung werde ich freundlich begrüßt: „Es ist großartig, dass Sie sich für den Ecosia Green Mode interessieren. Solche Funktionen sind ein kleiner, aber wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren digitalen Welt. Wenn wir schon dabei sind, könnten wir auch über andere Möglichkeiten sprechen, wie wir unseren ökologischen Fußabdruck im Alltag reduzieren können.“ Das lese ich gern. Aber der Verweis auf „unseren ökologischen Fußabdruck“ irritiert mich. Das Konzept macht die Nutzer*innen verantwortlich für den Ressourcenverbrauch. Aber was ist mit Microsoft, Google und OpenAI? Nicht ohne Grund hat der Erdölkonzern BP das Konzept dieser „Schuldumkehr“ von einer PR-Firma etablieren lassen. Es lenkt den schuldbehafteten Blick weg von der Tatsache, dass die wirklichen Entscheidungen für oder gegen eine nachhaltige und faire digitale Welt in Ministerien und Firmenzentralen getroffen werden. Diesen Ansatz wiederum verfolgt das Konzept des ökologischen Handabdrucks, bei dem es um das Einwirken auf die relevanten Strukturen geht.
Weniger Verbrauch im Green Mode?
Ich bin natürlich trotzdem daran interessiert meinen Verbrauch im Alltag zu reduzieren. Darum frage ich: „Wie viele Ressourcen verbraucht der Ecosia Chat zur Beantwortung dieser Frage?“ Die Antwort ist weit weniger präszise, als ich es mir von einer datenbasierten Rechenmaschine erhoffe: „Die genauen Ressourcen, die für den Betrieb des Ecosia Chats benötigt werden, sind nicht öffentlich zugänglich. Generell hängt der Ressourcenverbrauch von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Serverinfrastruktur und der Nutzung durch die Benutzer.“ Im FAQ zum Chat heißt es: „Wir haben den Kohlenstoff-Fußabdruck unseres KI-Chatbots geschätzt und nach unseren ersten Schätzungen erhöht er den gesamten Kohlenstoff-Fußabdruck von Ecosia nicht wesentlich.“
Auch damit kann ich wenig anfangen. Mich würde die Schätzung sehr interessieren. Vielleicht erhöht die KI die Ecosia-Bilanz nur deshalb nicht wesentlich, weil die Funktion im Vergleich zur Kernfunktion, der Internetsuche, bisher wenig genutzt wird? OpenAI liebt Daten, hält aber, wie andere KI-Anbieter, Zahlen über den Ressourcenverbrauch zurück. Das macht sie zu schwierigen Kooperationspartnern für nachhaltige Unternehmen.
Nächste Frage: „Verbraucht der Ecosia Green Mode weniger Energie, Wasser oder CO2-Equivalente als der normale AI Chat?“ Leider nein: „Der Ecosia Green Mode selbst ist darauf ausgelegt, das Bewusstsein für nachhaltige Praktiken zu fördern, aber es gibt keine spezifischen Informationen darüber, ob er weniger Energie, Wasser oder CO2-Äquivalente verbraucht als ein normaler AI-Chat.“ Jetzt erst verstehe ich, dass der Green Mode mir inhaltlich andere Antworten gibt, selbst aber offenbar nicht nachhaltiger arbeitet als der normale Modus.
Normaler Modus vs. Green Mode
Ich frage die Chat-KI im normalen Modus: „Welches Smartphone soll ich neu kaufen? Das neue [XY] oder das neue [AB]?“ Folgendes empfiehlt die KI:
„Die Entscheidung (…) hängt von mehreren Faktoren ab, die Sie berücksichtigen sollten:
- Betriebssystem: iOS (…) oder Android (…)
- Kamera: Beide Smartphones haben ausgezeichnete Kameras, aber sie bieten unterschiedliche Stärken. (…)
- Software-Updates: XY bietet in der Regel längere Softwareunterstützung für seine Geräte (…)
- Design und Benutzererfahrung: (…) Überlegen Sie, welches Design Ihnen besser gefällt und welche Benutzererfahrung Sie bevorzugen.
- Budget: Vergleichen Sie die Preise und überlegen Sie, welches Modell in Ihr Budget passt. (…)
Wenn Sie an nachhaltigen Aspekten interessiert sind, wie der Lebensdauer von Smartphones oder umweltfreundlichen Herstellungspraktiken, lassen Sie es mich wissen, und ich kann Ihnen gerne mehr Informationen anbieten.“
Im Green Mode ist die Antwort in weiten Teilen wortgleich. Aus „Software-Updates“ wurde „Langlebigkeit und Software-Updates“, danach folgte die gleiche Erklärung. Der Absatz „Design und Benutzererfahrung“ fehlt. „Budget“ heißt jetzt „Preis“. Neu sind zwei Absätze: „Nachhaltigkeit: Beide Unternehmen haben Initiativen zur Nachhaltigkeit, wie Recyclingprogramme und die Verwendung von recycelten Materialien. Wenn Ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist, könnten Sie die spezifischen Praktiken beider Marken vergleichen.“ und „Funktionen und Spezifikationen: Überprüfen Sie die technischen Spezifikationen und Funktionen, die Ihnen wichtig sind, wie Akkulaufzeit, Displayqualität und besondere Features.“ Damit bin ich so schlau wie zuvor, aber habe Zeit, Wasser und Energie verbraucht.
Zur Veranschaulichung noch eine Frage im Green Mode: „Soll ich mir einen neuen SUV mit 440 oder mit 620 PS kaufen?“ Antwort: „Das ist eine spannende Entscheidung! Wenn du zwischen einem SUV mit 440 und 620 PS überlegst, ist es wichtig, auch die Umwelt im Blick zu behalten. Ein SUV mit 440 PS hat in der Regel einen geringeren Kraftstoffverbrauch und produziert weniger CO2-Emissionen als ein Modell mit 620 PS. Außerdem könntest du in Betracht ziehen, einen Hybrid- oder Elektro-SUV zu wählen. Diese Fahrzeuge sind nicht nur umweltfreundlicher, sondern bieten oft auch eine großartige Leistung und ein tolles Fahrgefühl!“ Wenn ich die PS hochdrehe, erscheint auch ein 700 PS SUV als vergleichsweise ökologisch. Ich bin in einer KI-Echokammer. Wie in einem Popsong höre ich im Zweifel, was ich hören will.
KI-Nachhaltigkeit herbei halluziniert
Zum Abschluss will ich von der KI wissen: „Gibt es neben Ecosia andere Beispiele für auf Nachhaltigkeit optimierte AI Chats? Nenne jeweils die Internetadresse.“ Ist sie hier nun endlich, das Ziel dieser Wanderung, eine positive Nachricht? Es sieht erstmal so aus:
„Es gibt tatsächlich einige spannende AI-gestützte Chats und Plattformen, die sich auf Nachhaltigkeit konzentrieren! Hier sind ein paar Beispiele:
· Sustainable AI – Diese Plattform bietet Informationen und Tools, die Unternehmen helfen, nachhaltiger zu werden. Website: sustainableai.com
· EcoBot – Ein Chatbot, der Nutzern hilft, umweltfreundliche Entscheidungen zu treffen. Website: ecobot.ai
· Greenify – Diese Plattform bietet Ratschläge zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks. Website: greenify.com
Schau dir diese Seiten an, um mehr über ihre Ansätze zur Nachhaltigkeit zu erfahren! Und vergiss nicht, dass jeder kleine Schritt zählt, um unseren Planeten zu schützen. 🌍✨“
Leider existiert keine der drei Webseiten. Ist das nachhaltig-utopisches Denken, dass wir meiner Meinung nach dringend für eine nachhaltige und faire Digitalisierung brauchen? Nein, die KI halluziniert nur. Auch das ist ein bekanntes und ungelöstes Problem. Mich würde es unwahrscheinlich interessieren, wie die KI auf diese Antwort kam, aber auch das behält sie für sich. In kleinen Buchstaben verrät sie lediglich unter dem Chat-Texteingabefeld: „Antworten sind eventuell nicht ganz richtig.“ Ich beende meine digitale Wanderung und frage mich – nicht die KI – wo es wirklich gute Antworten gibt.