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Only when it’s dark enough: Über den Widerstand gegen Trump

Auf die Wahl Donald Trumps folgten Fassungslosigkeit, Trauer, Wut. So ging es auch Inken Behrmann. Doch sie will den Kopf nicht in den Sand stecken. Mit Kamala Harris und Martin L. King sucht sie nach Chancen und Hoffnungsschimmern in den bevorstehenden schwierigen Zeiten – und nach Möglichkeiten, Widerstand gegen Hass und Autokratie zu leisten.

Aktivisten bei einem Protest gegen die kommende Trump-Regierung. Der Slogan auf ihren Plakaten: "We won't back down" ("Wir lassen uns nicht unterkriegen").
Aktivist*innen bei einem Protest gegen die kommende Trump-Regierung. Der Slogan auf ihren Plakaten: "We won't back down" ("Wir lassen uns nicht unterkriegen"). Foto: IMAGO / TheNews2

Manchmal trennen nur wenige Stunden Hoffnung, gespannte Nervosität und Erwartungsfreude von Enttäuschung, Fassungslosigkeit und Angst. So ging es mir am vergangenen Mittwoch, als mich die Nachricht vom Wahlsieg des Republikaners Donald Trump erreichte. Seitdem stelle ich mir viele Fragen: Wie konnten die USA einen Frauenfeind und Rassisten mit faschistischen Absichten wählen? Was bedeutet diese Wahl für die Demokratie, für People of Color und für die Gesundheit und Selbstbestimmungsrechte von Frauen*? Werden Menschen in den USA nun inhaftiert und deportiert, nur weil sie eine Grenze überquert haben? Schließlich: Ist mit diesen Wahlen die Ära des progressiven gesellschaftlichen Fortschritts endgültig vorbei? 

Only when it is dark enough, can you see the stars

In der Rede, in der sie ihre Niederlage bekannt gab, zitierte Kamala Harris ein altes amerikanisches Sprichwort: Only when it is dark enough can you see the starsNur, wenn es dunkel genug ist, kann man die Sterne sehen. Meine erste Reaktion darauf war: Na toll, das soll mich jetzt trösten?! Das ist ja ein schönes Bild, aber wenn ich Sterne sehen kann, ist es direkt um mich herum vor allem eines: sehr dunkel. In der politischen Metapher heißt das: Die Ungerechtigkeit regiert. Und konkret: Rassismus, Frauenverachtung und Ableismus schlagen hohe Wellen. 

Die Vorboten der dunklen Trump-Ära sind bereits sichtbar. In vielen US-Staaten erhielten Schwarze Menschen in den Tagen nach der Wahl Betrugs-Nachrichten auf ihre Handys, sich sollten sich bereithalten – am nächsten Tag würden sie zur Sklavenarbeit auf Plantagen abgeholt. Die Absender der Nachrichten sind noch unbekannt. Klar ist, dass sie Schwarze Menschen einschüchtern und das Überlegenheitsgefühl von White Supremacists nach dem Wahlsieg Trumps zur Schau stellen sollen.

In den sozialen Netzwerken, in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz gewinnen auch frauenfeindliche Statements an Zugkraft. Daten aus sozialen Netzwerken zeigen, dass auf Facebook, X (ehemals Twitter) und Co. die Nutzung des widerlichen Slogans „Your Body, my Choice“ von jungen nationalistischen Influencern gegenüber Frauen* extrem zugenommen hat. Auch Forderungen, das Frauenwahlrecht wieder abzuschaffen, tauchten in den letzten Wochen vermehrt auf. Diese Slogans wiederum bleiben nicht im Netz. Insbesondere an Schulen wurde der Slogan aufgegriffen, um Mitschüler:innen einzuschüchtern. Angesichts dieser konkreten Auswirkungen eines Trump-Sieges würde ich gerne auf Dunkelheit und Sterne verzichten.

In der Dunkelheit orientieren wir uns an Sternen

Fakt ist: Ich kann es mir nicht aussuchen. Doch im Dunkeln sind Sterne nicht nur schön. Vor GPS und Kompass boten sie Orientierung: Reisende, ob zu Wasser oder zu Land, fanden ihren Weg anhand der Sternbilder am Nachthimmel. Jetzt heißt das: Zeiten besonderes großer politischer und gesellschaftlicher Ungerechtigkeit können unseren Kompass darauf ausrichten, was Gerechtigkeit und Freiheit in unserer Zeit bedeuten – und wo wir gebraucht werden.

Während der letzten Präsidentschaft von Donald Trump sind viele Menschen immer wieder dem Ruf nach Gerechtigkeit und Gleichberechtigung gefolgt: Im Frühsommer 2020 erreichten die Proteste von Black Lives Matter ihren Höhepunkt, zwischen 15 und 26 Millionen Menschen protestierten über Monate gegen Rassismus und Polizeigewalt. In 40 Prozent der Counties, also der Landkreise in den USA, fanden Proteste statt. Auf die Wahl Trumps folgten auch die größten Demonstrationen des Landes für Frauenrechte: Beim „Women’s March“ protestierten Millionen Frauen* und Männer für Gleichberechtigung und körperliche Selbstbestimmung. Bei den Midterm-Wahlen 2018 kandidierte landesweit eine historische Zahl an Frauen* und People of Color für politische Ämter. Die folgenden demokratischen Vorwahlen zur Präsidentschaft waren die diversesten in der Geschichte des Landes – und endeten damit, dass zum ersten Mal eine Schwarze Frau US-Vizepräsidentin wurde: Kamala Harris.

Die Jahre 2017 bis 2021 sind natürlich keine Blaupause für die kommende Präsidentschaft von Donald Trump. Progressive schreiben, dass die Antwort auf Trumps letzte Wahl Ärger und Widerstand war – dieses Mal scheinen Erschöpfung und Depression zu dominieren. Trump ist gut vorbereitet und wird mit neuem, handverlesenem Personal effektiver arbeiten können, als während seiner letzten Präsidentschaft. Gerade, was die Gesundheitsversorgung von Frauen* im gynäkologischen Bereich, aber auch die Deportation und Inhaftierung von Migrant:innen und den Abschied von Klima- und Umweltschutz anbelangt, wird die Präsidentschaft Trumps weitreichende und fatale Folgen nach sich ziehen. Wie und wohin sollen wir uns jetzt also orientieren?

Have we been to a Mountaintop?

Angesichts der heraufziehenden Dunkelheit lohnt es sich, die Rede zu lesen, aus der Harris das Sprichwort geliehen hat: Am Abend vor seiner Ermordung sprach Martin Luther King Jr. in Memphis, Tennessee, über sein Leben voller Rassismus und Ungerechtigkeit – und dennoch über das Glück, in dieser Zeit leben zu dürfen, in der auch die amerikanische Bürgerrechtsbewegung groß wurde. Wenn Gott ihn gefragt hätte, wann er leben wolle, so King, hätte er gesagt: in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. King fährt fort:

Now that’s a strange statement to make, because the world is all messed up. The nation is sick. Trouble is in the land. Confusion all around. […] But I know, somehow, that only when it is dark enough, can you see the stars. And I see God working in this period of the twentieth century in a way that men, in some strange way, are responding.  […] Now, I’m just happy that God has allowed me to live in this period, to see what is unfolding.

(„Nun, das ist eine seltsame Aussage, weil die Welt völlig durcheinander und kaputt ist. Die Nation ist krank. Im Land herrschen Schwierigkeiten und Ärger. Überall ist Verwirrung. […] Aber irgendwie weiß ich, dass man nur dann, wenn es dunkel genug ist, auch die Sterne sehen kann. Und ich sehe, dass Gott in dieser Zeit des zwanzigsten Jahrhunderts auf eine Weise wirkt, auf die die Menschen – auf seltsame Art und Weise – antworten. […] Nun, ich bin einfach glücklich, dass Gott mir erlaubt hat, in dieser Zeit zu leben, um zu sehen, was sich Neues entfaltet.“)

Die Rede beendet King fast prophetisch – und passend zur heutigen Lage:

I don’t know what will happen now. We’ve got some difficult days ahead. But it doesn’t matter with me now. Because I’ve been to the mountaintop. […] And I’ve looked over. And I’ve seen the promised land. I may not get there with you. But I want you to know tonight, that we, as a people, will get to the promised land. 

(„Ich weiß nicht, was jetzt geschehen wird. Uns stehen schwere Tage bevor. Aber das spielt für mich keine Rolle mehr. Denn ich war auf dem Gipfel des Berges. […] Und ich habe hinüber geblickt. Und ich habe das Gelobte Land gesehen. Vielleicht werde ich nicht mit euch dorthin gelangen. Aber ich möchte, dass ihr heute Nacht wisst, dass wir als Menschen das Gelobte Land erreichen werden.“)

Der progressive Wahlkampf war nicht umsonst

In einer Periode großer Ungerechtigkeit und Ungleichheit, inmitten von Rassentrennung, Ermordungen, Lynchings, Gewalt und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen sagt Martin Luther King: Er ist dankbar, dass er einen Blick auf eine gerechtere Zukunft werfen konnte. Sie ist noch nicht da, aber er konnte eine Vorahnung davon bekommen, wie sie aussehen könnte. Auch wenn man die christliche Intonation nicht mitträgt, so gilt doch: Zeiten großer Ungerechtigkeit und Konflikte sind auch Zeiten großen gesellschaftlichen Wandels. 

Willkommen im Campact-Blog

Schön, dass Du hier bist! Campact ist eine Kampagnen-Organisation, mit der sich über 3 Millionen Menschen für progressive Politik einsetzen. Im Campact-Blog schreiben das Team und ausgezeichnete und versierte Gast-Autor*innen über Hintergründe und Einsichten zu progressiver Politik.

Das trifft auch heute zu. So traurig und frustriert ich aktuell vom Wahlergebnis bin, so bin ich gleichzeitig auch froh über den Wahlkampf für Kamala Harris, der uns eine neue Vision von Politik gezeigt hat. Eine Politik, die viel Freude an politischer Gestaltung und Veränderung hat, entschieden, multireligiös, witzig ist. Mit Platz für Schwarze Frauen wie Michelle Obama und weiße Männer wie Tim Walz, schwule Väter wie Pete Buttigieg und LatinX wie Alexandria Ocaso-Cortez, Asian-Americans und jungen Frauen, die sexuellen Missbrauch überlebt haben. Mit konkreten Politikvorschlägen für wirtschaftliche Reformen, vielen Memes und persönlichen Momenten. Das ist wahrscheinlich nicht Kings biblisches versprochenes Land – aber eine neue Politik, die die Vision von Gleichheit, Gerechtigkeit und demokratischem Enthusiasmus lebt.

Einige Sterne sind schon zu sehen

Die kommenden Jahre werden fraglos dunkler. Aber einige Sterne, die uns Orientierung für eine Vision der kommenden Zeiten geben können, sind schon zu sehen: 

  • Zeitgleich mit den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen haben zehn Staaten über das Recht auf Abtreibung abgestimmt. In sieben Staaten wurde das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in die Staats-Verfassung aufgenommen. In drei Staaten wurde das Recht auf Abtreibung durch längere Fristen verbessert. 
  • Alle Abgeordneten, die der progressiven Gruppierung Justice Democrats innerhalb der Demokrat:innen angehören, haben ihre Wiederwahlen für den US-Congress gewonnen. Die Justice Democrats setzen sich besonders für Klimaschutz, Antirassismus, Gleichberechtigung und Umverteilungspolitik ein. Sie kämpfen für eine diversere, jüngere und an Gerechtigkeit orientierte Politik.
  • Junge Frauen* in den USA wurden für ihre Rechte mobilisiert. Sie sind die demografische Gruppe, die nach Schwarzen Frauen am stärksten demokratisch gewählt hat. Und das nicht ohne Grund: Trump will ihre Rechte einschränken, Harris stand für ihren Aufbruch in eine Zeit gleichberechtigter Politik. Menschen werden oft durch ihre ersten politischen Erfahrungen stark geprägt – von dieser Generation junger Frauen* werden wir noch einiges hören!

Alle zusammen gegen den Faschismus

Auf viele meiner Fragen habe ich auch am Ende dieses Textes keine Antwort. Menschen werden unter rassistischen, frauenfeindlichen und ableistischen Attacken leiden. Die Gesundheitsversorgung wird wahrscheinlich schlechter werden, das Wahlergebnis für Menschen in der Ukraine und Gaza kaum zu überschätzende Folgen haben. Wie gut die demokratischen Institutionen dem faschistischen Angriff standhalten, bleibt abzuwarten. Aber eines, das will ich nicht hinnehmen: Dass die Ära der progressiven Politik nun vorbei ist. Denn dafür sind wir zu viele – knapp 70 Millionen Demokrat:innen allein in den USA –, die jetzt mehr denn je für Gleichheit und Gerechtigkeit streiten.

Urgesteine der demokratischen Partei planen bereits ihren Widerstand gegen die Trump-Regierung: Die demokratischen Gouverneure von Kalifornien, Minnesota, New York, Illinois und Massachusetts haben angekündigt, ihre Bevölkerungen inklusive LGBTIQ+ und Migrant:innen zu schützen. Die linke Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez forderte dazu auf, sich dem Vertrauensverlust in autokratischen Systemen durch Community-Building entgegenzustellen. Und die progressive Senatorin Elizabeth Warren veröffentlichte bereits Schritte, um Trump einzuschränken, zu verlangsamen, einzelne Politiken zu verhindern und gefährdete Bevölkerungsgruppen zu schützen.

Wie schon Martin Luther King Jr. sagte: 

We will continue to work and fight, until justice rolls down like water and righteousness like a mighty stream. (adaptiert aus dem Buch Amos 5:24)

„Wir werden weiter arbeiten und kämpfen, bis das Recht strömt wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein mächtiger Strom.“

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Autor*innen

Inken Behrmann ist für Klimaschutz und Feminismus unterwegs. Nachdem sie als Campaignerin bei Campact und in der Klimabewegung Kampagnen für Klimaschutz organisiert hat, promoviert sie aktuell an der Universität Bremen. Für den Campact-Blog schreibt sie Texte gegen das Patriarchat. Alle Beiträge

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