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Bundestagswahl: Was sagen Parteien (nicht) zu grüner Digitalisierung?

Haben die Parteien das Thema nachhaltige Digitalisierung in ihren Wahlprogrammen überhaupt im Blick? Friedemann Ebelt hat nachgeschaut – und das Ergebnis ist ernüchternd. Nur zwei Parteien erwähnen das Thema überhaupt.

Wahlplakate zur Bundestagswahl 2025. BTW25. Zur Wahl sind bundesweit 41 Parteien zugelassen. Verschaff Dir hier einen Überblick darüber, was die größten Parteien zum Thema nachhaltige Digitalisierung sagen.
Überall Plakate, die Wahlprogramme ein einziger Dschungel: Wir schauen uns an, was die Parteien im Detail sagen. Symbolfoto: IMAGO / Arnulf Hettrich

Am 23. Februar 2025 wird der 21. Deutsche Bundestag gewählt. Umfragen prognostizieren, dass die finale Sonntagsfrage mehrheitlich mit einer Absage an Klima- und Umweltschutz beantwortet wird. Und durch die sogenannten sozialen Medien X (ehemals Twitter), Facebook und Instagram weht der eisige Wind des Trumpismus. Mark Zuckerberg will zum Beispiel die Faktenprüfung in seinen Netzwerken einstellen, was unter anderem Klimaleugnung in die Hände spielen dürfte.

Dafür muss kein Blick in die Zukunft bemüht werden, wie Matthias Meisner hier im Blog berichtet: „Die Verbreitung von Fake News ist zum festen Bestandteil von Wahlkämpfen auch in Deutschland geworden.“ Zuckerberg wünscht sich mehr „maskuline Energie“. Nur ein paar Tage später begrüßte Elon Musk die Bevölkerung der USA mit einem Hitlergruß in der neuen Amtszeit von Donald Trump. Ökologisch nachhaltige Digitalisierung ist vom Weißen Haus und den Big Tech Bros also nicht zu erwarten. Was haben die deutschen Parteien zu bieten?

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Informieren wird schwierig

Der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung soll erst am 6. Februar online gehen. Das Thema grüne Digitalisierung dürfte aber ohnehin zu speziell sein, um es unter die Fragen zu schaffen. Unter den 30 ausgewählten Organisationen, die Wahlprüfsteine an die Parteien einsenden können, sind nur fünf, für die das Thema überhaupt relevant sein dürfte. Natürlich folgen der Deutsche Naturschutzring (DNR), der BUND/Nabu, Oxfam, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ihren eigenen Schwerpunkten. Besser ist die Informationslage zur Energiewende und Klimaschutz, da haben sich unter anderem der Deutschlandfunk und die RiffReporter eingearbeitet.

Darum also hier ein gezielter Blick auf digitale Nachhaltigkeit in den Wahlprogrammen. Durchsucht habe ich die Wahlprogramme nach den Themen Verbrauch von Energie, Wasser und Ressourcen durch Digitalisierung, eWaste / Elektroschrott, Müllfluenzing / digitalen Überkonsum, Klimaschutz by Design, Permacomputing und Rechenzentren. Obacht, das ganze ist ein Einblick und keine tiefer gehende politische Analyse.

SPD, CDU/CSU, BSW und AfD: Problem nicht erkannt

Sowohl SPD (PDF), CDU/CSU (PDF), BSW (PDF), FDP (PDF) als auch AfD (PDF) haben auf den Beitrag der Digitalisierung zu Umweltverschmutzung und Klimawandel keine Antworten. Die Programme enthalten allgemeine Positionen für mehr oder weniger Klimaschutz und auch Positionen gegen Klimaschutz, aber keine Vorschläge für eine umwelt- und klimagerechte Digitalisierung. Und damit zu Linke und Grüne.

Grüne: Problem erkannt. Progressive Ideen: 0

Die Grünen (PDF) erwähnen in ihrem Entwurf des Bundestagswahlprogramm an mehreren Stellen Aspekte von Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Kurz kommentiert:

Die Kreislaufwirtschaft macht daraus mit neuen Geschäftsmodellen eine wirtschaftliche Chance, von der Wasserflasche über das Smartphone bis zum Wohnhaus. Sie braucht die richtigen regulatorischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, mehr Materialstandardisierung und gleiche Wettbewerbsbedingungen für recyceltes Material. Ein digitaler Produktpass schafft bessere Informationen über die Materialien, die in einem Produkt stecken. Dafür werden wir jetzt die Kreislaufwirtschaftsstrategie umsetzen. Wir haben uns auf europäischer Ebene erfolgreich dafür eingesetzt, dass Produkte langlebig und reparaturfreundlich hergestellt werden.

Programm zur Bundestagswahl der Grünen, Seite 16 und folgend

Kreislaufwirtschaft wird seit Jahrzehnten diskutiert. Was fehlt sind Vorschläge, wie das bei der Produktion, Nutzung und Entsorgung von Digitalisierung funktionieren soll. Die Grünen verweisen auf Erfolge auf EU-Ebene, aber gerade im Bereich digitaler Produkte und Dienstleistungen ist der Weg zu spürbaren Fortschritten noch weit. Anzulasten ist das nicht den Grünen, sondern den Parteien und Menschen, die das Problem nicht verstehen wollen.

Wir statten die jungen Menschen mit Fähigkeiten aus, die in der neuen, digitalen und klimaneutralen Arbeitswelt unverzichtbar sind. (…) Wir fördern die digitalen Fähigkeiten, Medienkompetenz, Bildung für nachhaltige Entwicklung und politische Bildung.

Programm zur Bundestagswahl der Grünen, Seiten 32 und 35

Ja, gute Sache, dringend notwendig.

Mit einer „Innovationsinitiative Zukunfts-Campus“ wollen wir Hörsäle, Labore und Bibliotheken, die
oftmals baufällig oder veraltet sind, gemeinsam mit den Ländern modernisieren und zu Experimentierräumen für den nachhaltigen, digitalen Wandel machen.

Programm zur Bundestagswahl der Grünen, Seite 36

Experimentiert muss werden, wenn eine These aufgestellt oder überprüft werden soll. Bei der Belastung von Umwelt und Klima durch kurzlebige digitale Geräte und enormen Wasser-, Ressourcen- und Energiebedarf ist allerdings nicht die Zeit zum punktuellen Experimentieren, sondern zum wirksamen Handeln.

Linke: Problem erkannt. Progressive Ideen: 1

Hier ist, was die Linke (PDF) zu Klima, Umweltschutz und Digitalisierung anzubieten hat:

Müllexporte aus der EU wollen wir verbieten. Die illegale Müllverschiffung von Elektroschrott (E-Waste) wollen wir intensiver bekämpfen.

Wahlprogramm der Linken, Seite 37

Wichtiges Thema. Allerdings ist Elektroschrott lediglich die Folge einer ökologisch dysfunktionalen Digitalisierungs- und Elektroindustrie. Bezeichnend ist, dass die Linke die einzige Partei ist, die Elektroschrott im Wahlprogramm als Thema benennt.

Wir brauchen klare rechtliche Vorgaben, um den Energie- und Ressourcenverbrauch der Digitalisierung zu senken. Garantiepfichten und Mindestupdatepflichten müssen deutlich verlängert werden, Softwareprogrammierung und Geräteeinstellung von Anfang an energiesparend sein, die Vorgaben für Rechenzentren verstärkt werden. Der Staat muss seinen Einfuss als großer Abnehmer nutzen, um soziale und ökologische Standards in den Lieferketten durchzusetzen. Einen Digitalzwang lehnen wir ab.

Wahlprogramm der Linken, Seite 62

Das ist aus meiner Sicht der progressivste Abschnitt der für die Bundestagswahl 2025 aufgestellten Wahlprogramme zum Thema nachhaltige Digitalisierung. Hardware und Software, die von vornherein energiesparend produziert werden, würde dem Prinzip „Klimagerechtigkeit by Design“ entsprechen. Leider gibt es weder in der Politik, noch in der Digitalindustrie konkrete Vorschläge, wie das beispielsweise für Social-Media-Plattformen, Streaming-Dienste, KI-Anwendungen und Big Tech aussehen könnte. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf!  

Die Bundesregierung muss Forschung zu sozialen und ökologischen Auswirkungen digitaler Technologien stärker fördern, damit wir informiert und demokratisch darüber entscheiden können, welche Technologien uns als Gesellschaft voranbringen und welche nicht hilfreich sind.

Wahlprogramm der Linken, Seite 62

Ja, wichtiger Punkt: sozial-ökologische Technikfolgeabschätzung.

Beschwörung von Chancen genügt nicht

Unterm Strich werden den Wähler:innen zur Bundestagswahl 2025 keine konsistenten Fahrpläne in Richtung ökologisch nachhaltige Digitalisierung angeboten. Falls ich etwas übersehen habe, freue ich mich über Widerspruch, gern im Fediverse auf Mastodon.

Das Thema ist unpopulär und die Wahlprogramme sind analyseschwach. Im Wahlkampf fehlt die Darstellung des Ausmaßes des Problems und folglich fehlen Lösungsvorschläge. Auch da, wo es möglich wäre, etwa bei der Diskussion über KI, wird nur in seltenen Ausnahmen an Klima und Natur gedacht. Dabei müsste dringend nicht nur über Energie-, Wasser- und Ressourcenverbrauch, sondern auch über „AI shopping“, „grüne AI“, „Müllfluenzing“ etc. gesprochen werden.

Weil das ausbleibt, sind auch die Wahlprogramme lösungsschwach. Das gilt selbst für Probleme, für die Lösungen naheliegend sind, wie beispielsweise beim Recycling von Smartphones. Schließlich sind die Wahlprogramme weitgehend visionsfrei. Das verhindert Impulse, die es braucht, um beispielsweise das Konzept „Permacomputing“ in den Alltag zu holen. Die euphemistische Beschwörung der Chancen der Digitalisierung für Umwelt und Klima, die bei jeder möglichen Gelegenheit wiederholt wird, erscheint naiv, ziellos und uninspiriert. Am 23. Februar 2025 wird der 21. Deutsche Bundestag gewählt – mit hoffentlich inspirierenden Ergebnissen.

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Autor*innen

Friedemann Ebelt engagiert sich für digitale Grundrechte. Im Campact-Blog schreibt er darüber, wie Digitalisierung fair, frei und nachhaltig gelingen kann. Er hat Ethnologie und Kommunikationswissenschaften studiert und interessiert sich für alles, was zwischen Politik, Technik, und Gesellschaft passiert. Sein vorläufiges Fazit: Wir müssen uns besser digitalisieren! Alle Beiträge

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