Demokratie Feminismus Trump
Hoffentlich bestehen
Am Tag der Amtseinführung von Trump zirkuliert online ein Zitat von Martin Luther King. Es lohnt sich, über dessen Aussage nachzudenken – auch hier in Deutschland, gerade mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl.

Mehrere Dutzend Dekrete hat Donald Trump alleine an seinem ersten Tag verabschiedet. Viele von ihnen machen Verfügungen seines Vorgängers Joe Biden ungültig, zum Beispiel zur Transgeschlechtlichkeit, zum Arbeitsrecht oder zu den Rechten von migrantischen Bürger*innen. Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire
Es ist geschehen. Der verurteilte Straftäter, der Faschist, der Trans- und Frauenfeind Donald J. Trump wurde am 20. Januar als der 47. Präsident der USA vereidigt. Er konnte den Tag wohl kaum erwarten: Bereits in den ersten Stunden schaffte er per Dekret Transgeschlechtlichkeit ab, zumindest auf dem Papier. Er hob das Staatsbürgerschaftsrecht per Geburt für Kinder von Migrant*innen auf, verhängte nationalen Notstand an der Südgrenze, um sie noch brutaler und menschenrechtswidriger zu bewachen und im noch größeren Stil abzuschieben.
Außerdem begnadigte er alle verurteilten Täter*innen des Capitol-Sturms, von denen einige als Rechtsextreme bekannt sind. Am selben Abend wurde die Website „reproductiverights.gov“, die Informationen zu reproduktiver Gesundheit und Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stellte, offline genommen. Etwa zeitgleich zeigte Trumps „Partner in Crime“ Elon Musk den Hitlergruß. Musk bedankte sich dabei bei allen, „die es möglich machten“ – obwohl er derjenige ist, der „es“ möglich machte. Mit seinen großzügigen Geldspenden als der reichste Mann der Welt und der riesigen Bühne und kostenlosen Werbung auf X als dessen Inhaber verschaffte er dem Trump-Wahlkampf einen massiven Anschub. Was klingt wie die ersten Seiten eines neuen, dystopischen Romans, ist jetzt der politische Alltag.
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„Die Rechte von trans Personen zu stärken ist nicht links“
Was in der größten Wirtschafts- und Militärmacht politisch vor sich geht, interessiert die ganze Welt. Auch die deutsche Presse beschäftigt sich diese Woche mit der Frage, wie mit Trump umzugehen ist. So schreibt René Pfister in seinem Spiegel-Artikel: „Nüchtern betrachtet spiegeln sich in Trumps Triumph vor allem unsere Defizite. Es liegt in unserer Hand, sie zu beseitigen.“ Der Journalist diagnostiziert, dass Trump näher am Puls der amerikanischen Gesellschaft sei als die Demokraten, „die mit Biden zwar einen Mann der Mitte als Präsidenten hatten, aber als Partei weit nach links abgedriftet sind – insbesondere in gesellschaftspolitischen Themen.“ Als Beispiel führt Pfister unter anderem das Thema Transgeschlechtlichkeit an.
Die Rechte von trans Personen zu stärken ist allerdings nicht links, genauso wie die Haltung, dass alle Menschen mit Würde und Respekt behandelt werden sollen. Das sind demokratische Grundsätze. Wenn man das als zu weit links und Grund für eine Wahlniederlage betrachtet, dann ist also die Schlussfolgerung: Man sollte fundamentale Menschenrechte mit Füßen treten, wenn man wählt, damit man bloß nicht zu rechts tendierende Wähler*innen aufregt und dazu animiert, Neonazis zu wählen. Dann wird man aber genau das, was man angeblich nicht sein will oder fürchtet. Die US-amerikanischen Demokraten mögen nämlich vieles sein, links sind sie allerdings nicht.
Trump und seine Netzwerke
All das liegt nicht sehr weit von Europa entfernt, zumindest wenn man die Entfernung nach Gesinnung rechnet. Nicht umsonst waren einige europäische Faschist*innen wie Giorgia Meloni aus Italien, Nigel Farage aus England und Mateusz Morawiecki aus Polen zur Amtseinführungszeremonie von Trump eingeladen, genauso wie Beatrix von Storch und Tino Chrupalla (beide AfD) aus Deutschland. Von der Partei, die laut Julia Klöckner die AfD überflüssig machen soll, soll der Außenpolitiker Jürgen Hardt ebenso eine Einladung bekommen haben, berichtet das Nachrichtenportal Euronews. Dass so viele ausländische Politiker*innen dabei sein sollten, ist außergewöhnlich. Allerdings verständlich, wenn man die eingeladenen Gäst*innen nach Qualität ordnet. Die Zeremonie scheint ein guter Anlass, sich mit Gleichgesinnten aus Übersee zu vernetzen. Und warum vernetzt man sich? Natürlich, um Bündnisse einzugehen.
Effektiv organisierter Frieden
Trump wurde ironischer- und vielleicht sogar zynischerweise gerade am diesjährigen „Martin Luther King“-Tag am 20. Januar vereidigt, worauf viele US-amerikanische Social-Media-Nutzer*innen hinwiesen. Auch ein Zitat aus dessen Rede „Die Opfer des Krieges in Vietnam“ vom 1967 zirkulierte:
Diejenigen von uns, die den Frieden lieben, müssen sich genauso effektiv organisieren wie die Kriegsfalken.
Martin L. King Jr im Jahr 1967 über den Krieg in Vietnam
Leidenschaftlich, berührend und ehrlich, wies King in ebenjener Rede auf die Folgen eines blutigen Krieges in vielerlei Hinsicht hin. Er warnte die Öffentlichkeit, dass der Vietnam-Krieg Entwicklungen lostreten könne, die die gesamte Menschheit und die Existenz als Ganzes auf der Erde gefährden und sogar zerstören könnten.
Es ist kein Zufall, dass gerade dieses Zitat zirkuliert, und es lohnt sich, darüber nachzudenken. Denn wir erhalten täglich die Chance, groß oder klein, etwas zu bewirken. Faschist*innen vernetzen und organisieren sich, inzwischen sogar auf sehr High-Profile-Events wie Amtseinführungszeremonien. Was machen wir? Oder so herum: Machen wir genug, oder ginge da mehr?
Wie sehr Deutsche den Frieden lieben, wie gut sie sich für den Frieden organisieren können, wird bei der Bundestagswahl am 23. Februar geprüft. Man kann nur hoffen, dass wir bestehen.