Alltagsrassismus Feminismus Rechtsextremismus CDU Energie Lobbyismus Demokratie Montagslächeln Soziales Verkehr

Ruhig muss es in den USA gewesen sein, als dort zumindest ein paar Jahre Werbung nicht extrem genervt hat. Im Zuge des Mordes an George Floyd tat Werbung dort nämlich teilweise und vorübergehend so, als wäre sie woke. Davon kann man halten, was man will – aber das war die Realität auf den Bildschirmen.

Mit Trumps erneuter Präsidentschaft ist das jetzt zu Ende. Das neuste Beispiel: In einem Werbevideo preist der Jeans-Hersteller American Eagle gute Gene an, und die haben offenbar diejenigen, die blonde Haare und blaue Augen haben. So erklärt das darin neue Gesicht der Marke, die Schauspielerin Sydney Sweeney: „Gene [Genes] werden von den Eltern an ihre Nachkommen weitergegeben und bestimmen oft Merkmale wie Haarfarbe, Persönlichkeit und sogar Augenfarbe. Meine Jeans ist blau.“ Die englischen Wörter „Genes“ und „Jeans“ sind homophon, das heißt sie klingen gleich.

Blond, blauäugig, weiß

Dieses Wortspiel erklärt Samira El Ouassil in ihrer Spiegel-Kolumne wie folgt: „Nun handelt es sich bei dem Spot ganz offensichtlich um ein holpriges Wortspiel auf Basis des Gleichklangs der englischen Worte für Gene und Jeans, wobei noch nicht ganz klar ist, was dann mit den blauen Genen gemeint sein könnte – ihre Augen? Adeliges Blut? Andererseits setzt ihr Text über Genetik ja den thematischen Rahmen, der Referenzkosmos ist unbestreitbar die Würdigung dessen, was sie phänotypisch geerbt hat.“

Willkommen im Campact-Blog!

Schön, dass Du hier bist! Campact e.V. ist eine Kampagnen-Organisation, mit der sich über 4,25 Millionen Menschen für progressive Politik einsetzen. Im Campact-Blog schreiben das Team und ausgezeichnete und versierte Gast-Autor*innen über Hintergründe und Einsichten zu progressiver Politik.

American Eagle erklärt Hitlers feuchtesten Traum – blonde Haare und blaue Augen – für die idealen Gene und nutzt Eugenik, um Jeans zu verkaufen. Und interessant ist auch, dass das Unternehmen die Kritik nicht verstanden haben will. Es ginge um Hosen und nichts anderes, schrieb die Marke auf Instagram, um sich zu verteidigen. Demnach soll es in dem Werbeclip gesagt worden sein, dass Jeans vererbt würden und Merkmale wie Haar- und Augenfarbe bestimmen … Wenn man an so was glaubt. Eins der unerträglichsten Merkmale der Neuen Rechten ist vielleicht, dass sie das Selbstverständliche leugnen und damit durchkommen können. Wir leben in einer Welt, in der die Wahrheit keinerlei Mehrwert hat.

Auch Trump findet die Werbung gut

Dem Unternehmen eilte unter anderen die rechte Journalistin Megyn Kelly zur Hilfe: „Endlich haben wir eine richtige Frau mit tollen Brüsten und einen offensichtlich geilen Körper, die ein Kleid trägt oder Jeans, was auch immer.“ Dabei greift Kelly regelmäßig Frauen und Frauenkörper an, wenn sie nach ihrem rechten Weltbild nicht schön genug, zu nackt oder zu links sind. Diesmal passt allerdings alles. Das Weißsein wird als Ideal propagiert. Dazu handelt es sich bei Sydney Sweeney um eine Wählerin der Republicans, wie die britische Zeitung The Guardian enthüllte. Der Vize JD Vance behauptete, dass Linke alle, die schön sind, als Nazis beschimpfen würden. Und sogar der US-Präsident Donald Trump schaltete sich höchstpersönlich ein: „She’s a registered Republican? Now I love her ad.“ [„Sie ist registrierte Republikanerin? Jetzt liebe ich ihre Werbung!“]

Seit dem Eugenik-Werbefilm ist Medienberichten zufolge der Aktienkurs von American Eagle gestiegen. Rassismus ist und bleibt ein lukratives Geschäft. Das gilt auch für andere Formen von Diskriminierung. Zahlreiche Unternehmen, die jährlich zum Pride-Month ihre Logos mit den Farben des Regenbogens waschen, verzichteten dieses Jahr darauf.

Als der Pride noch eine Party war, haben uns die Konzerne gern unterstützt. Jetzt, wo es ein Protest ist, sind sie nirgends zu finden.

Marc Bernstein, US-amerikanischer Blogger, auf Instagram

Das Verhalten der Unternehmen zur Pride 2025 ist nämlich eine direkte Reaktion darauf, dass die Trump-Administration Initiativen für die institutionelle Öffnung und Inklusion marginalisierter Gruppen nach und nach beseitigt.

Der Wind kommt jetzt von rechts

Der woke Wind in der Werbung hat sich mit der erneuten Wahl von Donald Trump und seiner menschenfeindlichen Innen- und Außenpolitik schlagartig gedreht: Regenbögen waren schön, wenn sie Geld und Prestige einbrachten. Jetzt bringen weiße Überlegenheit, Incels und TradWives Geld und Prestige ein, also drehen sich die Unternehmen um. Es wäre auch falsch, etwas anderes zu erwarten. Das würde einen bestimmt nur enttäuschen.

Im Kapitalismus ist unsere bloße Existenz Ware. Wir sind Ressourcen, aus denen Profit gemacht werden soll. Das bestimmt unseren Mehrwert und daran liegt es, dass wir uns nicht auf Unternehmen verlassen dürfen. Wir werden nämlich schlagartig uninteressant, sobald wir keinen Nutzen mehr haben. Wir werden demnächst auch in einem immer weiter nach rechts abdriftenden Deutschland nicht nur mit problematischer Werbung, sondern auch mit menschenfeindlichem Umgang mit arbeitenden Menschen zu tun haben: Mit so vielen Unternehmer*innen und Reichen in der Koalition, können die Rechte von Arbeitnehmer*innen jederzeit noch weiter und drastischer beschnitten werden. Daher wäre es gut, wenn wir uns warm anziehen.

TEILEN

Autor*innen

Sibel Schick kam 1985 in Antalya, der Türkei, auf die Welt und lebt seit 2009 in Deutschland. Sie ist Kolumnistin, Autorin und Journalistin. Schick gibt den monatlichen Newsletter "Saure Zeiten" heraus, in dem sie auch Autor*innen, deren Perspektiven in der traditionellen Medienlandschaft zu kurz kommen, einen Kolumnenplatz bietet. Ihr neues Buch „Weißen Feminismus canceln. Warum unser Feminismus feministischer werden muss“ erschien am 27. September 2023 bei S. Fischer. Ihr Leseheft "Deutschland schaff’ ich ab. Ein Kartoffelgericht" erschien 2019 bei Sukultur und ihr Buch "Hallo, hört mich jemand?" veröffentlichte sie 2020 bei Edition Assemblage. Im Campact-Blog beschäftigte sie sich ein Jahr lang mit dem Thema Rassismus und Allyship, seit August 2023 schreibt sie eine Gastkolumne, die intersektional feministisch ist. Alle Beiträge

Auch interessant

Feminismus Die Rechtfertigungspflicht muss die Seite wechseln CDU, Feminismus, LGBTQIA* Familienministerin Prien verordnet Genderverbot Feminismus, Verkehr Segregation ist auch keine Lösung Feminismus, Globale Gesellschaft Das Centre for Feminist Foreign Policy schließt – und das geht uns alle an Feminismus, Rechtsextremismus #SkinnyTok: Warum Rechtsextreme wollen, dass Frauen dünn sind  Feminismus, Hate Speech Hass-Kampagnen gegen Frauen: Wenn Misogynie politisch wird Feminismus, Gesundheit Chefarzt klagt dafür, Schwangerschaftsabbrüche durchführen zu dürfen Feminismus, Globale Gesellschaft, Menschenrechte Wütend zusammen Alltagsrassismus, Globale Gesellschaft Wir schulden es ihnen CDU, Feminismus, Wirtschaft Wieso Merz plötzlich über Work-Life-Balance redet