Klimakrise Protest
Klimaschutz in der Defensive: Wie kommen wir da raus?
Ob Springer-Presse, fossile Lobbyverbände oder die FDP: Sie alle machen Stimmung gegen den Klimaschutz. Die Klimabewegung bringt das in die Defensive. Wie sie da wieder heraus kommen kann, erläutert Campact-Vorstand Christoph Bautz.
Es ist beunruhigend: Mehr Tempo fürs Klima – vor Kurzem teilte das noch eine breite Mehrheit. Doch plötzlich drohen wir viele Menschen zu verlieren. Denn die Auswirkungen von Klimaschutz erreichen immer mehr den Alltag von uns allen. Gegen Kohlebagger im Rheinland oder der Lausitz, gegen Spritschlucker auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt oder München; dahinter konnten sich viele versammeln. Doch plötzlich geht es um den eigenen Heizungskeller, den Dämmstandard von Wänden und Fenstern, um das Auto vor dem Haus. Viele haben gerade weniger Angst vor der Klimakrise an sich – und mehr vor den Folgen von Klimaschutz-Maßnahmen und den Kosten für sie selbst.
Schmutzkampagnen von Springer und Co.
Genau diese Ängste befeuern Springer-Presse und fossile Lobbyverbände, Union, FDP und AfD. Mit Schmutzkampagnen und völlig verdrehten Fakten. Gegen die Wärmepumpe und für grünen Wasserstoff zum Heizen – obwohl es den überhaupt nicht gibt. Gegen E-Autos und für E-Fuels – die es genauso wenig gibt. Mit einer Kampagne gegen „Verbote“ und für „Technologieoffenheit“ stellt die fossile Lobby Klimaschutz als Klientelinteresse einer grünen, gut betuchten Minderheit aus den Großstädten dar.
Nein, Deine Gasheizung muss nächstes Jahr nicht auf den Schrott! Aber den Gegnern der Wärmewende kommt es entgegen, wenn Du das denkst. Im Campact-Podcast erfährst Du, wie Medien, Parteien und Lobbyisten die Diskussion überdreht haben:
Die Folgen: In Berlin verfehlt der Volksentscheid für mehr Klimaschutz krachend das nötige Quorum und fast 50 Prozent stimmen mit Nein. 78 Prozent lehnen Habecks Pläne für ein schrittweises Verbot neuer fossiler Heizungen im Eigenheim und Mehrparteienhäusern ab. In der Regierung verbündeten sich SPD und FDP, um die Klimaschutz-Pläne der Grünen auszubremsen. Und setzen durch, dass das Klimaschutzgesetz ausgehöhlt und neue Autobahnen noch schneller gebaut werden sollen.
Klimabewegung in der Defensive
Wir als Klimabewegung geraten in dieser Situation in die Defensive. Vor vier Jahren waren wir noch mit 1,4 Millionen auf den Straßen. Hinter Fridays for Future stellte sich die Breite der Gesellschaft. Jetzt dominieren die Aktivist*innen der Letzten Generation die öffentliche Wahrnehmung. Sie blockieren mit ihren Aktionen genau diese Breite der Gesellschaft – und verstärken die Polarisierung beim Klimaschutz. Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Proteste der Letzten Generation sind in ihrer Gewaltfreiheit und Entschlossenheit absolut legitim und haben großen Respekt verdient. Aber sie sind nicht vermittelbar, solange sie mit ihren Bildern die Konfliktlinie gegenüber großen Teilen der Bevölkerung ziehen. Und nicht gegenüber fossilen Konzernen und blockierenden Politiker*innen.
Das ruft nach einem Strategiewechsel der gesamten Bewegung: In einer Situation, wo viele über die Veränderungen beunruhigt sind, die mit Klimaschutz einhergehen, müssen wir wieder alles dran setzen, breite Mehrheiten für uns zu gewinnen. Doch wie geht das ganz konkret?
Drei Wege, um die Klimabewegung stark zu machen
Hier sind drei Ansätze, über die wir bei Campact zusammen mit vielen Partnern aus der Klimabewegung gerade nachdenken:
- Wir müssen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit viel enger zusammendenken. Nur wenn die Menschen Klimaschutz nicht als Bedrohung wahrnehmen, findet er Unterstützung. Hierfür darf es nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben, sondern es braucht ganz konkrete Vorschläge. Etwa für die gerade heiß diskutierte Gesetzgebung für eine Heizungs- und Wärmewende. Es braucht eine einkommensabhängige Förderung für den Heizungswechsel, die bei sehr niedrigen Einkommen bis zu 80 Prozent der Umrüstungskosten übernimmt. Nur so können wir die Kampagne der fossilen Lobby gegen „Habecks Heizungshammer“ brechen und ins Leere laufen lassen.
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- Statt – wie die Letzte Generation – den Konflikt mit großen Teilen der Bevölkerung zu suchen, sollten wir die 1 Prozent Superreichen in den Fokus nehmen. Sie tragen mit ihren Privatjets und Luxusyachten, Pools und Nobelkarossen exorbitant mehr zur Klimazerstörung als der Durchschnitt der Bevölkerung bei. Sehr viele Menschen empfinden dies als ungerecht. Dekadente Klimazerstörung muss die Regierung verbieten oder hoch besteuern. Mit den Einnahmen können wir die Kosten für die soziale Abfederung des klimagerechten Umbaus der Gesellschaft stemmen. Klimaschutz und Verteilungsfragen müssen wir viel enger zusammendenken.
- Gerade dominieren die Ängste vor den Folgen von Klimaschutz-Maßnahmen die Debatte. Doch das kann sich schnell wieder ändern: wenn die Klimakrise im Sommer wieder greifbar und fühlbar wird. Dörrt die Landschaft aus, brennen erneut die Wälder, lösen Starkregen Hochwasser aus, wird vielen Menschen wieder bewusst, worum es bei der Klimakrise geht: um eine soziale Frage. Denn die Leidtragenden sind zuallererst die wenig Privilegierten in der Gesellschaft. Wenn wir wieder mit Extremwetterereignissen konfrontiert sind, müssen wir als Klimabewegung vorbereitet sein. Und mit sehr konkreten Forderungen weit konsequenteres Handeln der Regierung durchsetzen.
Alle drei Ansätze können nur wirkmächtig werden, wenn sich ganz viele Menschen dahinter stellen und aktiv werden. Bei Großdemonstrationen oder Aktionen zivilen Ungehorsams (Lies hier, warum ziviler Ungehorsam wichtig ist), bei Debatten mit lokalen Abgeordneten oder dezentralen Aktionen auf dem Marktplatz. Nur in dieser Vielfalt sind wir stark.