Energie Lobbyismus
Siemens Energy: Regierungsberatung muss unabhängig sein
Die Professorin für Energiewirtschaft, Veronika Grimm, ist Beraterin der Bundesregierung. Zugleich ist sie aber seit Februar auch Aufsichtsratsmitglied des Konzerns Siemens Energy. Dies ist ein großer Interessenkonflikt. Doch die öffentliche Kritik daran blieb bisher ohne Folgen.
Die schweren Unwetter in Süddeutschland haben uns gerade wieder vor Augen geführt: Wir alle sind auf Klimaschutz angewiesen – und dazu gehört, dass sich die Wirtschaft zügig von fossilen Energien verabschiedet. Für den Umbau der Energiewirtschaft ist die Bundesregierung dringend auf Fachkenntnisse angewiesen. LobbyControl setzt sich deshalb dafür ein, dass Regierungsberatung frei von mächtigen Konzerninteressen ist.
Siemens Energy sitzt mit am Tisch
Im Moment ist der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage (auch Rat der Wirtschaftsweisen genannt) nicht frei von Interessenkonflikten. Denn Veronika Grimm hat den Rat trotz Kritik bis heute nicht verlassen. Sie ist Expertin für Energiemärkte und berät als Wirtschaftsweise die Bundesregierung. Sie ist zugleich Aufsichtsrätin von Siemens Energy und erhält dafür mindestens 120.000 Euro im Jahr.
Siemens Energy zählt zu den größten deutschen Konzernen und lässt sich seine Lobbyarbeit gegenüber der Politik jährlich gut eine Million Euro kosten. Ein großer Teil der Konzerngewinne stammen aus fossilen Geschäftsfeldern. Aktuell erhofft sich das Unternehmen Großaufträge im Rahmen der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung.
LobbyControl wendet sich an die Bundesregierung und fordert: Setzen Sie sich für neue Regeln für den Sachverständigenrat ein, die Tätigkeiten wie die von Frau Grimm künftig ausschließen!
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Als Mitglied des Aufsichtsrats von Siemens Energy wird sich Grimm den Interessen des Konzerns eng verbunden fühlen. Es ist deshalb nicht vorstellbar, dass die Wissenschaftlerin die Bundesregierung noch neutral beraten kann. Tatsächlich fiel Grimm bereits kurz nach Annahme ihres Siemens Energy-Postens mit einem Sondervotum beim Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen auf. Während die übrigen Wirtschaftsweisen sich klar für die verstärkte Elektrifizierung des Güterverkehrs aussprachen, beharrte Grimm auf Wasserstoff-Tankstellen. Das entspricht den Interessen des Konzerns: Siemens Energy baut gerade sein Wasserstoffgeschäft aus – ein Bereich, für den Milliarden Fördergelder von der Bundesregierung vergeben werden.
Glaubwürdigkeit zerstört
Veronika Grimm gehört außerdem mehreren weiteren energiepolitischen Beratungsgremien der Bundesregierung an, darunter dem Nationalen Wasserstoffrat und der Expertenkommission zum Monitoringprozess „Energie der Zukunft“ beim Wirtschaftsministerium. Im Wasserstoffrat ist sie eine von drei Wissenschaftler:innen und sitzt dort Seite an Seite vor allem mit Unternehmen, die wirtschaftliche Interessen im Wasserstoffsektor haben – so unter anderem auch Siemens Energy. Das NGO-Bündnis Klima-Allianz, das Mitglied im Wasserstoffrat ist, beklagt, dass dort Umwelt-, Verbraucher- oder Menschenrechtsschutz kaum behandelt werden, sondern Geschäftsinteressen dominieren.
Grimm kann in ihrer Mehrfachrolle als Wissenschaftlerin, Regierungsberaterin und Aufsichtsrätin eines Dax-Konzerns kein Problem erkennen. Doch unter diesem offenkundigen Interessenkonflikt leidet die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Politikberatung. Es besteht der Anschein, dass Grimm ihre Tätigkeit als Beraterin künftig im Interesse von Siemens Energy ausübt. Sie kann dies nur ausräumen, wenn sie sich aus allen Beratungsgremien der Bundesregierung zurückzieht. Auch die übrigen vier Wirtschaftsweisen legen ihr nahe, den Sachverständigenrat zu verlassen.
Strenge Regeln für den Umgang mit Interessenkonflikten
Der Fall Grimm zeigt: Es braucht neue Regeln für den Sachverständigenrat, um Interessenkonflikte zukünftig zu vermeiden. Das erfordert eine Änderung des Gesetzes für den Sachverständigenrat. Nach den Bestimmungen dürfen Wirtschaftsweise bei ihrer Berufung in den Rat nicht gleichzeitig einen Wirtschaftsverband oder eine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisation vertreten. Diese Regelung stammt noch aus den 60er Jahren. Heute sind es jedoch nicht mehr nur diese Verbände, die mit gezielter Lobbyarbeit politische Entscheidungen beeinflussen. Auch Unternehmen setzen sehr viel in Bewegung, um ihre Interessen politisch durchzusetzen. Die Bundesregierung muss das Gesetz modernisieren. Außerdem sollten die Wirtschaftsweisen ihre Tätigkeiten und Einkünfte offenlegen, die zu Interessenkonflikten führen können. Das wären wichtige Schritte, um dem privilegierten Einfluss von Konzernen zu beenden.