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Näncy und Compact: Keine endgültige Entscheidung

Das Verbot des rechten Magazins Compact ist vorerst aufgehoben. Schon vorher setzte das Redaktionsteam um Jürgen Elsässer zu einem Gegenschlag an: Und der heißt "Näncy". Andreas Speit dazu mit einer Analyse.

Auf dem Internetauftritt vom Demokratischen Widerstand wird das Magazin Näncy für zehn Euro zum Kauf angeboten. Auf dem Cover der Publikation ist Innenministerin Nancy Faeser zu sehen. Das Näncy-Magazin sieht dem kürzlich verbotenen Compact-Magazin sehr ähnlich. Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer soll am Rande eines Treffens der AfD erklärt haben, dass sich in der aktuellen Ausgabe von Näncy Inhalte der August-Ausgabe von Compact befinden, die wegen des Verbots der dahinter stehenden Firmen nicht mehr erhältlich ist.
Foto: IMAGO / Hanno Bode

„SIEG!!!!!“ postete Jürgen Elsässer. Auf X feierte der Chefredakteur des „Compact – Magazin für Souveränität“ am 14. August einen Erfolg vor dem Bundesverwaltungsgericht. Das Gericht hatte im Eilverfahren das Verbot des Magazins durch das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser (SPD) aufgehoben. In solchen Verfahren prüft die gerichtliche Instanz die Klage nicht in aller juristischer Tiefe. Das Gericht wog aber ab, ob das Interesse der „Compact Magazin GmbH“, von der Pressefreiheit Gebrauch machen zu können, gewichtiger sei als das Interesse des Staates, mit dem Verbot verfassungsfeindliche Aktivitäten zu unterbinden. Das Gericht entschied im Zweifel für die Meinungsfreiheit. Die vorläufige Entscheidung ist keine endgültige Entscheidung.  

Näncy als Schlag gegen die Innenministerin

Die Redaktion der „Compact“ geriert sich nun als Wahrer der Presse- und Meinungsfreiheit. Schon gleich nach dem Verbot konzentrierte sich die Argumentation um Elsässer und Co. um diesen Aspekt. Nicht ohne jenseits des rechtsextremen Milieus Sorgen um die Presse- und Meinungsfreiheit aufkommen zu lassen. „2 zu 0 gegen Nancy“ heißt es jetzt in dem Milieu. Denn bereits Anfang August erschien die verbotene „Compact“ neu als „Näncy – Magazin für die deutsche Ex-Frau und den deutschen Ex-Mann“.

Auf dem Cover des Magazins für zehn Euro prangte ein Bild der Bundesinnenministerin, die eine Armbinde mit Regenbogenfarben trug. Um die Sozialdemokratin herum loderten Flammen. Sollte sie als Teufel inszeniert werden? Hörner hatte sie keine, die das Klischeebild abgerundet hätten. Die Botschaft, dass die Ministerin mit dem Verbot mit dem Feuer spielen würde, dürfte jedoch als Warnung verstanden werden.

Auf dem Landesparteitag der AfD in Sachsen-Anhalt erklärte Elsässer als Gastredner nach dem Teilerfolg prompt: „Wir haben uns unsere Zeitung zurückgeholt, jetzt holen wir uns unser Land zurück.“ Die Nähe der selbsternannten Alternative spiegelte sich erneut in der offensichtlichen Nachfolge des rechtsextremen Magazins wieder.

Wagenknecht nun verteufelt statt gefeiert

In „Näncy“ führte Elsässer mit dem sächsichen AfD-Landtagsspitzenkandidat und Landtagsfraktionsvorsitzenden Jörg Urban ein langes Interview. Das Verbot des Magazins, die Markierung als rechtsextrem – das stört den AfD-Politiker nicht, der erklärte, die stärkte Kraft im Parlament in Dresden werden zu wollen. Und deswegen mahnte er, das „jede Stimme“ fehlt, wenn sie an die Freien Sachsen gehen würde. Auf kommunaler Ebene wäre das Miteinander kein Problem, auf landespolitischer Ebene könnte der Zuspruch zum Problem werden. Ganz offen bittet der AfD-Spitzenkandidat in „Näncy“ um die Stimmen aus diesem rechtsextremen Milieu, um im Freistaat die Regierung bilden zu können.

Die möglichen hohen Wahlerfolge der AfD bei den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg will die Redaktion um Elsässer auch als eigenes Ziel vorantreiben: In der „Nr. 1“ von „Näncy“, auf die keine „Nr. 2“ folgen dürfte, greifen die Autoren der Beiträge (ja, alles Männer) auch das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) und dessen Vorsitzende an. Einst zierte ein Bild von Wagenknecht das Cover der „Compact“ mit dem Kommentar: „Die beste Kanzlerin – Eine Kandidatin für Links und Rechts“. Lange schwärmte Elsässer von Wagenknecht – auch wegen ihres pro-russischen Kurses. Die einseitige Liebe erkaltet jetzt aber wegen der offen gelassenen Bereitschaft des BSW, möglicherweise mit der CDU zusammen zu gehen.

Bezug zu Querdenken-Themen

Eine weitere Allianz bestätigt „Näncy“: die anhaltenden Kooperation mit dem Querdenken-Milieu. Schon auf dem Cover wird unter dem Titelzeilen: „Totspritzen ° Kriegstreiben ° Zensieren – Wie man ein Land ruiniert – Enthüllungen!“ angegeben, dass das „Verlagshaus Sodenkamp & Lenz Berlin“ und „DemokratischerWiderstand.de“ das Magazin verantworten. Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp verantworten das Blatt „Demokratischer Widerstand“ (DW), welches das „Coronaregime“ anprangert. Lenz wie Elsässer haben gemein, von weit links zu kommen und sich nach weit rechts gewendet zu haben, da sie Der Linken unterstellen, die politische Wokeness voranzutreiben, statt die sozialen Fragen anzugehen. Ganz wie Wagenknecht unterstellt, würden sich die Linken nicht mehr für die „arbeitenden Leute“ einsetzen. Unter dem Titel „Stabil“ heißt es in „Näncy“ auch: „Der Buchautor und Journalist Jürgen Elsässer, jahrzehntelang einer der angesehensten ‚Linken‘, wechselte aus Überzeugung nach ‚Rechts‘ – dorthin, wo das Volk ist, die Menschen sind.“

Die „Näncy“ ist vom Aufbau bis zum Layout fast identisch mit der „Compact“. Neu und grafisch hervorgehoben sind bloß Beiträge von DW, die nicht dominieren. Die Artikel lavieren zwischen politischen Verschwörungsnarrativen, rassistischen Ressentiments und idealisiertem Autoritarismus. Ein Trump, ein Putin wird mal wieder verehrt. Als Kämpfer gegen den tiefen Staat in den USA oder als Friedenspolitiker in der Ukraine. Ein „Überläufer“ von der ukrainischen Armee schildert in einem Artikel passend zur Argumentation, dass die „russischen Soldaten“ ihn als „Kameraden“ aufnahmen.  

Bekannte Autorenriege

In der Verbotserklärung führte das Bundesinnenministerium aus, das mit dem Bezug zum Volk letztlich eine Herleitung zum „Bio-Deutschen“ erfolge. Keine Überraschung: in diesem Milieu von AfD, über Identitäre Bewegung bis zum Menschenpark Veranstaltungs UG (früher Institut für Staatspolitik) ist die Argumentation des Ethnopluralismus virulent, kombiniert mit dem Argument des „großen Austausches“. Kurz: Die eigene Ethnie muss vor dem Austausch vor fremden Ethnien bewahrt und geschützt werden. In „Näncy“ konnte denn auch der IB-Kader Martin Sellner, der bereits in der Compact eine Kolumne hatte, ausführen, dass sie „die moralische Überlegenheit der Remigration beweisen“ müssten, um „die Deutschen“ und die „Europäer“ zu schützen. Sie seien „die Guten“.

Zu „den Guten“ zählt Michael Brück wohl ebenso den türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan, da er sich bei der EU-Fußballmeisterschaft mit einem Spieler solidarisierte, der der Symbol der rechtsextremen Grauen Wölfe zeigte. „Natürlich ist die Zahl der osmanischen Einwanderer in Deutschland insgesamt zu hoch und hat viele Probleme gebracht“, schreibt Brück, der von den Freien Sachsen kommt. Doch ein „positiver Heimatbezug“ sei die „normalste Sache der Welt“, fasst er zusammen. Und spitzt zu: „Kein Patriotismus ist illegal. Jede Regenbogenfahne im Stadion ist schädlicher für unser Land als tausend Wolfsgrüße.“   

In „Näncy“ versucht Martin Schwab indirekt die Aussage von Elsässer „Wir wollen einfach das Regime stürzen“ zu relativieren. Denn diese Aussage zum Systemsturz wird in der Verbotsbegründung mit angeführt. An Anfeindungen gegen „das System“ mangeltes es trotzdem nicht in der „Nr. 1“: „Krimineller Politikkreis“, „Globalistenregime“, „Systemschranzen“, „BRD-System“. Der Jargon von und um Elsässer changiert zwischen politischer Provokation und redundanter Polemik. Er dürfte noch mindestens zwei Jahren erklingen. Dann könnte der Rechtsstreit um das Verbot entscheiden sein. Die neue „Compact“ kann währenddessen schon bestellt werden. Das Titelthema: BSW und CDU. Die nächsten Ausgaben können die letzten Ausgaben sein.  

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Autor*innen

Andreas Speit ist Journalist und Autor und schreibt regelmäßig für die taz (tageszeitung). Seit 2005 ist er Autor der Kolumne "Der rechte Rand" in der taz-nord, für die er 2012 mit dem Journalisten-Sonderpreis "Ton Angeben. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" ausgezeichnet wurde. Regelmäßig arbeitete er für Deutschlandfunk Kultur und WDR. Er veröffentlichte zuletzt die Werke  "Verqueres Denken – Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus" (2021) "Rechte Egoshooter" (Hg. mit Jean-Philipp Baeck, 2020), "Völkische Landnahme" (mit Andrea Röpke, 2019), "Die Entkultivierung des Bürgertums" (2019). Alle Beiträge

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