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3 Fragen an … ein*e Organisator*in des FLINTA*-March in Berlin

Am kommenden Sonntag, dem 19. Januar, gehen in Berlin Hunderte Menschen für die Selbstbestimmungsrechte von Schwangeren, Trans*-Rechte sowie gegen geschlechtsspezifische Gewalt auf die Straße. Drei Fragen zur Demo an Sky aus dem Organisationsteam.

Teilnehmende einer Demo in Berlin am 8. März 2024. Foto: Lukas Stratmann
Teilnehmende einer Demo in Berlin am 8. März 2024. Foto: Lukas Stratmann

„Your body, My choice. Forever.“

Mit diesem Satz des rechtsextremen Aktivisten Nicholas Fuentes startete nach dem Wahlsieg Donalds Trumps eine Flut an sexistischen Posts – und lässt sich als Drohung verstehen. Daten aus sozialen Netzwerken zeigen, dass auf Facebook, X (ehemals Twitter) und Co. die Nutzung des Slogans von jungen nationalistischen Influencern gegenüber FLINTA* extrem zugenommen hat.

FLINTA*

Das Akronym FLINTA* steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen. Das Sternchen am Ende soll zusätzlich weitere Variationen der Geschlechtervielfalt einbeziehen. Vereint werden die vielfältigen Identitäten, die der Begriff FLINTA* umfasst, durch ihre Benachteiligung und strukturellen Diskriminierungen im patriarchalen System.

Auch für Frauen* in Europa verschlechtert sich die Lage. In vielen europäischen Staaten sind oder kommen rechte Parteien an die Macht. Mit Folgen für Frauen*und trans Personen. Deshalb plant ein breites Bündnis feministischer Gruppen für Sonntag, 19. Januar, eine Demo in Berlin. Wir haben mit Sky aus dem Organisationsteam gesprochen.

Sky, Du organisierst den FLINTA*-March in Berlin mit. Was war Deine und Eure Motivation, eine so große Demo auf die Beine zu stellen?

Der Impuls dazu kam an dem einen sehr schicksalbehafteten Tag im November, an dem Trump zum neuen US-Präsidenten gewählt wurde und gleichzeitig hier in Deutschland die Bundesregierung zerbrach. Auch in anderen Teilen der Welt wird die Situation schlimmer; in Afghanistan werden Rechte von Frauen* weiter eingeschränkt, im Irak soll das Age of Consent von 18 auf 9 Jahre herabgesetzt werden (Anm.d.Red.: Schutzalter; so wird das Alter bezeichnet, ab dem eine Person juristisch als einwilligungsfähig für sexuelle Handlungen angesehen wird).

Ich habe mich danach viel mit Freund*innen ausgetauscht und festgestellt: Wir haben alle die gleichen Sorgen und Ängste. Aber auch: Ich möchte mich dieser Angst und Ohnmacht nicht hingeben. Irgendwer muss doch was machen! Und dieser jemand war dann eben ich.

Der Flinta*-March wird von verschiedenen Organisationen unterstützt. Auch Campact unterstützt die Initiative und Demo.

Ich habe danach mit Freund*innen telefoniert und gesagt: ‚Hey, ich hab da diese Schnapsidee, in zweieinhalb Monaten eine feministische Zentraldemo auf die Beine zu stellen.‘ Genau an dem Wochenende, an dem in den USA der People’s March stattfindet, einen Tag vor Donald Trumps Amtseinführung, einen Monat vor der Bundestagswahl – es schien einfach wie der perfekte Zeitpunkt. Und tatsächlich fanden die Leute meine „Schnapsidee“ gut. Nun stehen wir da, mit einem richtig tollen Programm und einem coolen Projekt, welches gleichzeitig so unfassbar notwendig ist.

Was sind Eure Ziele, wen und was wollt ihr mit dem FLINTA*-March erreichen?

Wir wollen prinzipiell alle Menschen erreichen, die für Gleichberechtigung einstehen. Unsere primäre Zielgruppe ist uns natürlich sehr ähnlich: junge FLINTA*-Personen, die das Bedürfnis haben, etwas verändern zu wollen. Die Angst haben und Wut auf die Politik. Die frustriert davon sind, dass rechte und destruktiv-konservative Positionen immer salonfähiger werden in dieser Gesellschaft. Aber wir richten uns auch explizit an Menschen außerhalb dieser Gruppe; wir laden zum Beispiel explizit cis-Männer auf unsere Demo ein. Wir freuen uns über Allies. 

Es gibt ein gesellschaftliches Ziel, das wir erreichen wollen. Wir wünschen uns, dass progressive Themen wieder mehr im gesellschaftlichen Kontext besprochen werden und in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Gerade dominieren rechte Kräfte den Diskurs und rechte Themen und Sichtweisen bestimmen, worüber wir sprechen. 

Wir haben außerdem drei Kernforderungen an die Politik.

Schwangerschafts-abbrüche legalisieren!

Über 150.000 Menschen unterstützen bereits eine Petition auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, und setzen sich für die Abschaffung von Paragraf 218 ein.

  • Die erste ist die Abschaffung des Paragraf 218 und die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Wir sind der Meinung, dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht ins Strafgesetzbuch neben Mord und Totschlag gehört. Die Körper von Schwangeren dürfen nicht weiter instrumentalisiert und politisiert werden.
  • Die zweite Forderung ist die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Im letzten Lagebericht der Bundesregierung war zu sehen, dass geschlechtsspezifische Gewalt krass zunimmt. Zeitgleich fehlen 14.000 Frauenhausplätze in Deutschland. Es braucht eine nationale Gewaltschutz-Strategie, den Ausbau von Schutzplätzen und mehr Möglichkeiten für Betroffene, sich Hilfe zu suchen.
  • Die dritte Forderung ist, dass die Rechte von trans Personen geschützt und gestärkt werden müssen. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wurde ein großer Schritt in die richtige Richtung gemacht. Die CDU hat jetzt allerdings in ihrem Wahlprogramm, dass sie das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen und gleichzeitig auch noch Gendern verbieten möchte. Trans*-Personen werden gerade stark für politische Debatten instrumentalisiert und es wird ein Feindbild aufgebaut. In den USA, aber auch hier in Deutschland, von der AfD, von der CDU. Deswegen brauchen wir den Erhalt des Selbstbestimmungsgesetzes. Gleichzeitig müssen Antidiskriminierungsgesetze gestärkt und Hassverbrechen konsequent als solche erkannt und verfolgt werden. 

Mit Blick auf die Bundestagswahl: Wie schätzt Du die Lage in Deutschland ein, und was sind Deine Gedanken zu den Spitzenkandidat*innen?

Konservative und rechte Kräfte gewinnen immer mehr an Kraft. Unser Bündnis positioniert sich nicht klar hinter einer Partei, wir verstehen uns als überparteiliche Bewegung. Aber eine Sache ist klar für uns – nämlich, dass Friedrich Merz nicht der nächste Bundeskanzler werden darf. Er hat 1997 gegen das Verbot von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt. Und auch wenn er jetzt sagt, dass er heute anders abstimmen würde, bringt er immer wieder misogyne Äußerungen. Er sagt, man muss Frauen schützen, das ist aber Heuchelei, wenn man sich anschaut, was er gleichzeitig zu konkreten feministischen Gesetzentwürfen – zum Beispiel zur Debatte um die Streichung von Paragraf 218 – sagt. 

Wir positionieren uns auch nicht klar hinter einem Kanzlerkandidaten. Wir versuchen eher den Blick darauf zu lenken, dass die drei Kanzlerkandidaten demokratischer Parteien alle weiß und cis-männlich sind, und was das für die Repräsentation der Gesamtbevölkerung bedeutet. Die AfD ist für uns keine Alternative, keine demokratische Partei, daher möchte ich Alice Weidel hier nicht als die FLINTA*-Repräsentantin der Kanzlerkandidat*innen sehen.

Für uns ist klar: Die AfD darf nicht noch stärker und Merz nicht Kanzler werden. Sonst sieht es mit den Rechten für FLINTA*-Personen in Deutschland schlecht aus. Auch das versuchen wir mit unserer Zentraldemo klarzumachen.


Der FLINTA*-March startet am 19. Januar um 12 Uhr am Brandenburger Tor. Es gibt eine Laufdemo und eine Kundgebung mit verschiedenen Redebeiträgen, unter anderem von Luisa Neubauer, und Musik. Aus dem Berliner Umland, Brandenburg, Hamburg, Bremen und NRW gibt es bereits vereinzelte Gruppen, die zusammen nach Berlin fahren. Hör Dich einfach mal bei aktivistischen Gruppen in Deiner Gegend um, oder organisiere selbst eine Fahrgemeinschaft zur Demo. 

Infos zur Demo und den Forderungen des Bündnisses
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