Bundestagswahl Lobbyismus
Wie eine Lobbygruppe den Wahlkampf verzerrt
Wahlkampfzeit ist Lobbyzeit. Vor der Bundestagswahl bringen sich Lobbyakteure in Stellung, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen – manche mit irreführenden und rückwärtsgewandten Lobbybotschaften. Immer wieder vorne mit dabei: die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Die INSM nimmt viel Geld in die Hand, um die Bundestagswahl und Parlamentarier zu beeinflussen – wie hier beim außerordentlichen Bundesparteitag der SPD am 11. Januar in Berlin. Foto: IMAGO / Ardan Fuessmann
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist eine Lobbygruppe, die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanziert wird. Sie flankiert die Lobbyarbeit des Verbands Gesamtmetall durch PR-Arbeit. Kurzum: Sie versucht, öffentliche Debatten mit ihren Lobbybotschaften zu beeinflussen, und betreibt damit Meinungsmache – mit oft fragwürdigen Methoden.
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Mit viel Geld viel Sichtbarkeit
Anders als die Klimabewegung oder Gewerkschaften hat die INSM kein großes Mobilisierungspotential. Doch sie hat viel Geld – und erkauft sich damit ihre Sichtbarkeit.
Beispielsweise bezahlt sie regelmäßig riesige Außenwerbeflächen im Regierungsviertel oder Social Media-Anzeigen. Allein für die Ausspielung eines Motivs ihrer Kampagne „SOS Wirtschaft“ in den Sozialen Medien zahlte die INSM über 130.000 Euro.
Als letztes großes Event organisierte die INSM – gemeinsam mit anderen Wirtschaftslobbyverbänden – einen „Wirtschaftswarntag“. Die BILD-Zeitung berichtete vorab und kündigte einen „Mega-Aufstand“ an. So imitiert die INSM mit ihrer Bildsprache immer wieder zivilgesellschaftliche Aktionen – zuweilen sogar mit extra über eine Promotion-Agentur angeheuerten bezahlten Studierenden.
„SOS Wirtschaft“ nennt sich diese jüngste INSM-Kampagne im laufenden Bundestagswahlkampf. Mit dramatischen Bildern und Worten warnt sie vor dem Niedergang der deutschen Wirtschaft und mahnt zum sofortigen Handeln. Mit dabei sind laut INSM 49 weitere Verbände, darunter große Verbände wie Gesamtmetall, Die Familienunternehmer und der Deutsche Bauernverband.
Superreiche stoppen – Parteispenden deckeln!
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Lobbycontrol ruft auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, für einen Parteispendendeckel auf. Schau Dir die Forderungen an und unterzeichne die Petition:
Vermögende sollen aus der Verantwortung genommen werden
Die Forderungen der Kampagne sind teils sehr drastisch: Steuersenkungen für Spitzenverdiener:innen, Vermögende und Konzerne, radikale Kürzungen öffentlicher Ausgaben, Schleifen der Klimaziele. Die INSM will den Solidaritätszuschlag streichen – und behauptet fälschlicherweise, diesen müssten vor allem „mittelständische Unternehmen und Freiberufler“ zahlen.
Doch das stimmt nicht. Nur die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung zahlen überhaupt den Soli. Gleichzeitig will die INSM weiter Vermögende und Konzerne aus der Verantwortung nehmen, öffentliche Ausgaben mitzufinanzieren: Auch Unternehmenssteuern und der Spitzensteuersatz sollen sinken. Wie diese massiven Einschnitte in öffentliche Haushalte vollständig ausgeglichen werden sollen, bleibt offen.
Die Lobbybotschaften der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft sind fragwürdig und irreführend – und doch dringen sie immer wieder in die politische Diskussion durch. Das liegt auch an den engen Verbindungen zur Politik.
Die Nähe zu bestimmten Politiker:innen hat bereits Tradition: Der aktuelle CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz war bereits am Aufbau der INSM beteiligt. Er war Gründungs- und langjähriges Mitglied im Förderverein der INSM, der den einzigen Zweck hatte, die Gründung der INSM vorzubereiten.
Parteispenden müssen endlich gedeckelt werden
Auch finanziell profitieren die Parteien von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie, die die INSM finanzieren: Seit dem Ampel-Aus ließen Gesamtmetall und regionale Arbeitgeberbände der Metall- und Elektroindustrie Parteien über eine Million Euro Parteispenden zukommen.
Über die Hälfte davon floss über den bayerischen Verband an die CSU, gefolgt von CDU und FDP. Rechnet man die Summen der verschiedenen Verbände der Metall- und Elektroindustrie zusammen, gehört die Branche zu den größten Parteispendern in Deutschland. Auch aus diesem Grund mögen sich manche Politiker:innen verpflichtet fühlen, den Veranstaltungen der INSM als deren PR-Organisation einige Aufmerksamkeit zu widmen. Deshalb brauchen wir dringend einen Parteispendendeckel.
Irreführende und rückwärtsgewandte Lobbybotschaften hinterfragen!
Lobbyakteure wie die INSM preisen immer wieder wirtschaftsnahe Scheinlösungen an und erschweren damit ausgewogene Debatten. Das gilt insbesondere auch für wichtige Fragen, wie: Welche politischen Maßnahmen braucht es, um Krisen wie die um Klima und Wirtschaft abzumildern? Scheinlösungen und populistische Debatten wiederum gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt, schüren Misstrauen in staatliche Institutionen und untergraben so schleichend die Demokratie.
Deswegen sollten wir irreführende Lobbybotschaften von Zukunftsbremsern wie der INSM kritisch hinterfragen. Wir brauchen ausgewogene Debatten über tatsächliche Lösungsangebote – jetzt im Wahlkampf, aber auch danach. Kampagnen wie die von der INSM verzerren demokratische Aushandlungsprozesse und verstärken die Stimme ohnehin mächtiger Lobbyakteure.