So kann die SPD die Autobahn-Privatisierung noch verhindern
Es geht um den größten Verkauf von Staatseigentum seit der Deutschen Bahn. Die SPD beteuert, sie lehnt eine Autobahn-Privatisierung ab. Wir erklären, bei welchen Fragen die SPD standhaft bleiben muss, damit ihre Privatisierungskritik glaubwürdig ist.
Es geht um den größten Verkauf von Staatseigentum seit der Deutschen Bahn. Die SPD beteuert, sie lehnt eine Autobahn-Privatisierung ab. Wir erklären, bei welchen Fragen die SPD standhaft bleiben muss, damit ihre Privatisierungskritik glaubwürdig ist.
260.000 Unterschriften und ein großer Schredder, in dem eine Autobahn verschwindet – so versuchten wir im Sommer die Ministerpräsident/innen der Länder davon zu überzeugen, der Gründung einer bundeseigenenen Autobahn-AG nicht zuzustimmen. Denn bislang verwalteten die Länder die Fernstraßen – und dafür gibt es viele gute Gründe.
Lange sperrten sich die Länder gegen die Pläne von Finanzminister Schäuble, Verkehrsminister Dobrindt und Wirtschaftsminister Gabriel, eine Autobahn-AG zu gründen, die private Investoren an den Fernstraßen beteiligen würde. Lange wurde hinter den Kulissen verhandelt. Und als viele schon nicht mehr daran glaubten, gelang schließlich doch der Durchbruch. Schäuble machte die Autobahn-Privatisierung zur Bedingung für mehr Geld vom Bund. Im Oktober stimmten die Länder seinen Plänen schließlich zu.
Die SPD trommelt gegen Privatisierung
Plötzlich ist das Thema in den Medien. Viele Berichte rücken die Privatisierung der Autobahnen in kritisches Licht. So sehr, dass sich die SPD offenbar genötigt sieht, der Privatisierung eine Absage zu erteilen.
- Die SPD-Fraktion im Bundestag hat Einspruch eingelegt und einer Privatisierung die Absage erteilt.
-
Der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies twitterte vor Kurzem:
Unser Autobahnnetz ist Teil der Daseinsvorsorge und gehört in staatliche Hand. pic.twitter.com/xMaqstaTLo
— Minister Olaf Lies (@OlafLies) 14. November 2016
- Und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel betonte nach den jüngsten Medienberichten: Die Autobahnen sollten „im unveräußerlichen Besitz des Bundes bleiben“. Eine Position, die überrascht, weil Gabriel die ganze Sache vor zwei Jahren überhaupt erst angeschoben hat und als Freund von öffentlich-privaten Partnerschaften gilt. Die taz hat die Rolle des Wirtschaftsministers bei den Privatisierungsplänen gut aufgearbeitet.
In jedem Fall: Dass viele in der SPD die Autobahn-Privatisierung verhindern wollen, ist eine gute Sache. Doch der Teufel steckt wie immer im Detail.
Damit ihr Kurs glaubwürdige bleibt, muss die SPD in diesen entscheidenden Fragen standhaft bleiben.
1. Indirekte Autobahn Privatisierung verhindern
Was Gabriel nun so betont, haben zuvor auch die Bundesländer erreicht. In ihrem Beschluss heißt es, die Fernstraßen sollten „unveräußerliches Eigentum des Bundes“ bleiben.
Trotzdem bleibt eine Privatisierung weiter möglich. Und zwar auf zwei indirekten Wegen:
- Zum einen bleiben die Straßen in jedem Fall formal im Bundesbesitz. Deswegen soll die Autobahn-AG zunächst nur die Mittel und Zuständigkeit bekommen, um neue Autobahnen zu bauen und alte zu reparieren und betreiben. Eine solche Gesellschaft wäre zu 100 Prozent privatisierbar, wie Verfassungsrechtler Georg Hermes erklärt. Das unveräußerliche Eigentum des Bundes wäre damit nicht angetastet.
- Zum anderen könnte die Autobahn-AG nach seinen Plänen öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) eingehen. Sie könnte dann Teile des Autobahn-Netzes an private Investoren für Jahrzehnte vermieten.
Beides käme einer Privatisierung gleich. Und klar ist: Private Investoren bauen und reparieren Autobahnen teurer. Das hat der Bundesrechnungshof jüngst festgestellt. Außerdem droht Arbeitsplatzabbau. Und bei den Großprojekten von Finanzinvestoren kommen mittelständische Bauunternehmen oft nicht mehr zum Zuge. Gewinnen würden bei der Privatisierung also nur die Finanzinvestoren.
Fazit: Wenn die SPD eine solche indirekte Privatisierung verhindern will, muss sie einen Teilverkauf der Bundesfernstraßengesellschaft und ÖPPs ausschließen.
2. Teure Kredite verhindern
Doch selbst wenn das gelingt und die indirekte Privatisierung nicht kommt, können private Finanzinvestoren immer noch gut an den Autobahnen verdienen. Und das ginge so: Schäuble und Gabriel wollen der neuen Autobahn-AG keine Staatsgarantie ausstellen. Der Grund: Damit müssten die Kredite, die die Gesellschaft bei Finanzinvestoren aufnehmen kann, nicht auf die Staatsverschuldung angerechnet werden. Für den Straßenbau könnten dann die Schuldenbremse und die EU-Verschuldungskriterien umgangen werden.
Der Nachteil ist allerdings: Für uns Steuerzahler wird das richtig teuer. Denn ohne Staatsgarantie muss die Autobahn-AG statt der günstigen 0-0,5 Prozent Zinsen, die der Staat normalerweise zahlen muss, 4-5 Prozent bezahlen. Pro Milliarde Kredit kostet uns das auf 30 Jahre Laufzeit gerechnet etwa 3-400 Millionen Euro. Der Finanztrick bedeutet unter dem Strich: Um die Schuldenbremse einzuhalten, werfen wir massiv Geld in den Rachen von Banken und Versicherungen.
Der Witz dabei ist: In jedem Fall haftet der Staat faktisch für die AG. Denn natürlich kann Deutschland seine Autobahnen nicht einfach pleite gehen lassen. Das verbietet schon das Grundgesetz.
Fazit: Um zu verhindern, dass private Investoren mit unseren Autobahnen auf unsere Kosten massiv Geld verdienen, muss die SPD dafür sorgen, dass eine Bundesfernstraßengesellschaft eine Staatsgarantie bekommt.
Es geht um die Glaubwürdigkeit
Nur wenn die SPD indirekte Privatisierung, ÖPP und teure Kredite verhindert, ist ihre Privatisierungskritik glaubwürdig. Es gibt kaum gute Gründe, private Investoren an unseren Autobahnen gut verdienen zu lassen. Deswegen muss die SPD ihre Verhandlungsmacht jetzt nutzen, um die Autobahn-Privatisierung auch effektiv zu verhindern. Und das wäre recht einfach: Die Autobahn-AG braucht eine Änderung des Grundgesetzes – und dafür in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit.
Bitte hilf mit, dass die SPD die Autobahn-Privatisierung auch wirklich verhindert!
Zitat:
„so versuchten wir im Sommer die Ministerpräsident/innen der Länder davon zu überzeugen, der Gründung einer bundeseigenenen Autobahn-AG zuzustimmen“.
Das zu lesen hat mich überrascht.
Auf der verlinkten Seite vom Sommer 2016 steht allerdings:
„Die Autobahn-AG lässt sich stoppen!
Jetzt den Appell gegen die Autobahn-AG unterzeichnen“
Also enthält das genannte Zitat wohl einen Schreibfehler, und es sollte heißen:
„so versuchten wir im Sommer die Ministerpräsident/innen der Länder davon zu überzeugen, der Gründung einer bundeseigenenen Autobahn-AG NICHT zuzustimmen“?
Stimmt! Kleiner, aber entscheidender Tippfehler. Danke für den Hinweis, haben wir korrigiert.
Wenn Waffenhändler Gabriel sagt, er sei dagegen, hat er schon abgenickt…
Unglaublich, da sollte man sich überlegen was man wählt.
Ihr schreibt: „260.000 Unterschriften und ein großer Schredder, in dem eine Autobahn verschwindet – so versuchten wir im Sommer die Ministerpräsident/innen der Länder davon zu überzeugen, der Gründung einer bundeseigenenen Autobahn-AG zuzustimmen.“
Ist das ein Schreibfehler oder habt ihr wirklich für eine Zustimmung zur Autobahn-AG geworben?
Danke für den Hinweis! In der Tat ein kleiner, aber entscheidender Tippfehler. Haben wir korrigiert!
So wenig Kenntnis hätte ich nicht erwartet. Gabriels Forderungen mit dem Grundgesetz sind nichts anderes als erst einmal die Grundlage zu schaffen damit private Investoren mitmischen können. Ähnliches hatte Gabriel schon geschafft mit dem „Atom-Konsens“ und den Erneuerbaren-Energie-Deal. Es nützte nur den Großen.