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DOGE im Bayerischen Landtag

Die AfD-Fraktion Bayern hat Vertreter des Mises Instituts in den Landtag und in die bayerische Enquete-Kommission zum Thema „Bürokratieabbau“ eingeladen. Das Mises Institut will den Staat vollständig durch Privatunternehmen ersetzen. Was steckt dahinter und was hat der inzwischen verstorbene Multimilliardär August Baron von Finck damit zu tun?

Die AfD-Fraktion im Landtag in Bayern mit ihrer Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner im Vordergrund.
Die AfD-Fraktion im Oktober 2024 im Landtag in Bayern mit ihrer Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner im Vordergrund. Foto: IMAGO / Sven Simon

Bislang ließ das Tech-Milliardärs-Projekt Longevity (engl. Langlebigkeit) die Milliardäre nicht sehr viel älter werden als uns Normalsterbliche. Im Falle des Unternehmers August Baron von Finck (u.a. Degussa Goldhandel und Anteile an verschiedenen Holdings) könnte man sagen: Zum Glück war er ein Normalsterblicher. Sonst hätten seine Erb*innen nicht nach seinem Tod Ende 2021 den demokratiefeindlichen „Rechtslibertären“ vom Mises Institut kündigen können. Posthum und indirekt wirkt die Unterstützung des „Barons“ dennoch, und zwar auf zweifache Weise.

Zum einen entstand 2012 in der Firmenzentrale von August von Finck am Promenandenplatz in München das „Ludwig von Mises Institut Deutschland“, kurz Mises Institut. Zum anderen wurde die AfD im selben Zeitraum mit einer Anschubfinanzierung von August von Finck gegründet. Auch nach einem Rauswurf durch die Erben von Finck im Jahr 2023 konnte das Institut weiterarbeiten – und nun Vertreter in den Bayerischen Landtag schicken. Die Rechtslibertären des Mises Instituts waren am 20. März 2025 auf Einladung der bayerischen AfD-Fraktion in den Landtag gekommen, namentlich Thorsten Polleit (Mises-Präsident), Andreas Thielke (Mises-Vorsitzender) und Philipp Bagus (Mises-Beirat). Letzterer nahm als Experte an der Enquete-Kommission zum Bürokratieabbau des Landtags teil.

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Ein Netzwerk aus Rechtslibertären

Bereits vor 15 Jahren begann August von Finck, ein rechtslibertäres Netzwerk in seinem Firmenimperium zu gründen. Ich mag den Begriff „libertär“ für diese Ultrakapitalisten nicht verwenden und spreche daher lieber vom Privateigentums-Fanatismus, oder Proprietarismus (Anm. d. Red.: Kapitalistische Ideologie, nach der die uneingeschränkte Macht von Eigentümer*innen über allen anderen Rechten steht). Zuständig war damals der Steuerberater Stephan Ring, promovierter Jurist und Steuerberater. Seit 2007 machte er im Finck-Imperium eine steile Karriere und übernahm nach und nach immer mehr Geschäftsführerposten relevanter Finck-Unternehmen. Zudem war Ring ideologisch Proprietarist. Er gründete im Zusammenhang mit dem Finck-Imperiums mindestens fünf Unternehmen, die der proprietaristischen Ideologie zu dienen schienen. Dies lässt sich ausführlich in meinem Artikel „Nach dem Tod von August von Finck: Entpolitisiert sich das Finck-Imperium?“ nachlesen. Ich zitiere hieraus meine Zusammenfassung der politischen Arbeit von Stephan Ring im Finck-Netzwerk:

Stephan Ring steht im Zusammenhang mit:

  • den ganzseitigen Werbeschaltungen von zwei Finck-Unternehmen in der „libertären“ „eigentümlich frei“ (ef),
  • der Ernennung eines Kolumnisten [Thorsten Polleit] der ef zum Chefvolkwirt bei Degussa Goldhandel,
  • der Gründung des „libertären“ Mises Instituts in den Räumlichkeiten des Finck-Imperiums,
  • dem sogenannten „libertären“ H. Akston Verlag,
  • der Gründung der Amplifire GmbH als Produktionsfirma der „rechtslibertären“ Videoplattform SGS.AG rechtzeitig zum Bundestagswahlkampf 2017,
  • der Gründung der Filmproduktionsfirma Ventura Concept GmbH.

Von Finck und das Mises Institut

Insbesondere die Finck-Firma Degussa Goldhandel war mit der Verbreitung proprietaristischer Ideologie verbunden. Zum leitenden Geschäftsführer wurde Markus Krall ernannt. Direkt am ersten Tag seiner Arbeit hielt der einen Vortrag beim Landesverband der AfD Schleswig-Holstein. Auch danach lud die AfD Krall oft ein; nach Sachsen, nach Bayern oder sogar ins Europäische Parlament zu einer Videodiskussion mit dem damaligen Parteichef Jörg Meuthen. Als die AfD 2015 zur Finanzierung der Partei Gold verkaufte, fand sich die Prägung Degussa auf diesem „Hartgeld“.

Das Mises Institut hatte von 2012 bis Anfang 2023 die Finck’sche Firmenzentrale Promenadenplatz 12 in München als Kontaktadresse angegeben. Vorbild des Mises Instituts war das Mises Institute in Alabama, USA. Dort arbeitet einer der Vordenker des Proprietarismus, der Deutsche Hans-Hermann Hoppe. Der sieht in der AfD die Freiheitswerte eher vertreten sieht als in der FDP, weil er zwischen dem Kommunistischen Manifest von Marx und dem Parteiprogramm der FDP keinen großen Unterschied sieht. Thorsten Polleit, der nun im Bayerischen Landtag auftrat, ist ein Schüler von Hoppe. Polleit lobte Hoppes demokratiefeindliches Buch „Demokratie. Der Gott, der keiner ist“, in dem dieser zur Gründung der „Reinen Privatrechtsgesellschaft“ die physische Entfernung der Befürworter*innen von Demokratie oder auch Homosexualität empfahl. Hoppe war auch der erste, der vom Mises Institut eingeladen wurde und hielt dort über ein Dutzend Vorträge bzw. Interview-Beiträge.

Von Finck und die AfD

Hätte Bernd Lucke nicht im Gründungsjahr des Mises Insituts 2012 die „Wahlalternative 2013“ im Bayerischen Hof in direkter Nachbarschaft der Firmenzentrale von Finck vorgestellt, wäre die AfD vielleicht nie entstanden. Die „Wahlalternative 2013“ hatte Lucke mit drei anderen CDUlern im September 2012 gegründet. Der Plan war, die „Freien Wähler“ zu unterstützen, damit diese in den Bundestag einziehen und um im Gegenzug Sitze im Bundestag zu erhalten. Die Lobbyistin Dagmar Metzger bat Lucke kurze Zeit später, sein Projekt im Rahmen der „Münchener Wirtschaftsgespräche“ vorzustellen. Es ist nicht bekannt, wer diese weitgehend proprietaristischen Wirtschaftsgespräche finanziert. Aber Dagmar Metzger sah sich selbst als „Libertäre“, arbeitete für Finck-Unternehmen und schrieb Texte für das Mises Institut, welches seine Jahrestagungen seit 2013 ebenfalls im Bayerischen Hof stattfinden ließ.

Neben den Gründern der „Wahlalternative 2013“ Bernd Lucke und Konrad Adam war Dagmar Metzger im Frühjahr 2013 die erste Vorsitzende (im AfD-Jargon: „Sprecherin“) der AfD. Nach dem Gründungsparteitag der AfD im April 2013 wurde sie deren Pressesprecherin. Die Anschubfinanzierung von August von Finck lief über Dagmar Metzger.

„Steuern sind Raub“?

Gegenüber vom Bayerischen Hof und nur ein paar Meter von Fincks Zentrale entfernt befand sich die Rechtsanwaltspraxis von Peter Gauweiler, der zu der Zeit von Finck insgesamt 12 Millionen Euro an „Berater-Honorar“ erhielt. Aber Gauweiler war 2012 mit seinen (bzw. Fincks) Positionen zur europäischen Fiskalpolitik in der Union isoliert. Eigentlich hatte Finck bis dahin einen guten Draht zur CSU, vor allem zum von der CSU geführten bayerischen Finanzministerium.

Gleich zwei Amtsleiter des Finanzministeriums in Bayern wurden nach ihrem Ausscheiden Generalbevollmächtigte (Gerd Amstätter) bzw. Geschäftsführer von etwa zwei Dutzend Finck-Unternehmen (Wolfgang Lazik). Zwei Leiter des bayerischen Staatsministeriums für Finanzen, dem das Landesamt für Steuern nachgeordnet ist, wurden als lukrativ bezahlte Mitarbeiter bei August von Finck eingestellt, der ein Institut etablierte, zu dessen Kernbotschaft die Parole „Steuern sind Raub“ gehört. Auch Amstätter und Lazik verließen nach dem Tod von Finck sein nun von den Erb*innen verwaltetes Imperium.

Das Mises Institut im Bayerischen Landtag

Dies also ist die Vorgeschichte: Finck hatte sowohl das Mises Institut gegründet als auch viel dafür getan, dass die AfD entstand. Über ein Jahrzehnt nach diesem Engagement trägt es Früchte im Bayerischen Landtag. Nun diskutiert die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag mit dem, meiner Meinung nach, staats- und verfassungsfeindlichen Mises Institut. Und sie konnte ihren „Miliei-Berater“ Philipp Bagus in die Enquete-Kommission zum Bürokratieabbau entsenden.

Ermöglicht wurde dies nicht nur durch den Multimilliardär August Baron von Finck, sondern auch durch die Intervention von Elon Musk, der noch zwanzigmal reicher ist. Dessen Auftreten zugunsten von Alice Weidel gab ihr Rückendeckung. Erstmals traute sie sich, die AfD als „libertär-konservativ“ zu benennen. Maximilian Krah konnte sich vorletztes Jahr noch im neurechten „Institut für Staatspolitik“ (mit heutigem Namen „Menschenpark“) über die windelweiche Formulierung „liberal-konservativ“ lustig machen (was soll das sein, man sei „rechts!“). Mit dem Proprietarismus („Libertarismus“) wird dies nicht so einfach sein – zumal die Springerpresse den Libertarismus für sich entdeckt hat. Gerade eben hatte der Sohn vom Springer-Besitzer Mathias Döpfner, Moritz Döpfner, einen Risikokapitalfonds gegründet, zu dem der Libertarian Peter Thiel aus Elon Musks PayPal-Mafia Zweidrittel der Einlage von 75 Millionen US-Dollar beitrug.

Musk und Milei beeinflussen AfD-Streit

Wenn die AfD sich streitet, dann aus drei Gründen: Welcher Demokratiefeindlichkeit zu folgen sei (völkischem, Privateigentums- oder religiösem Fanatismus), welche Strategie angesagt sei (Selbstverharmlosung oder klare Kante) und schließlich wegen persönlichem Geltungsbestreben oder Karrierismus. Hatte bislang die faschistische Ideologie von Höcke nach und nach die anderen Ideologien an den Rand gedrängt, sind seit den Wahlsiegen von Milei in Argentinien und Trump in den USA die Proprietarist*innen wieder auf dem Vormarsch.

Dies zeigt sich auch in Bayern, wo Katrin Ebner-Steiner, die dem Höcke-Flügel zugerechnet wird, die AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag ist. Sie galt als Gegenspielerin von Franz Bergmüller, gegen den Parteiausschlussverfahren angestrengt wurden. Zunächst wurde angezweifelt, dass er rechtmäßig AfD-Mitglied geworden sei. Als das Berliner Landgericht entschied, dass er nicht ausgeschlossen werden dürfte, drohte das parteiinterne bayerische Schiedsgericht mit kollektivem Rücktritt. Nach einer angeblichen Mobbing-Mail an Tausende von Mitgliedern behielt Bergmüller seine Mandatsträgerabgaben ein und forderte eine Entschuldigung.

Dennoch wurde Bergmüller in die Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags zum Bürokratieabbau gesandt. Er wartete dort am 20. März 2025 mit dem „Experten“ Philipp Bagus auf. Katrin Ebner-Steiner ließ es sich nicht nehmen, im Landtag die einführenden Worte zur Diskussion mit dem Mises Institut zu sprechen. Und das, obwohl das Mises Institut zehn Tage zuvor einen Artikel auf dessen Seite veröffentlichte, der Wilhelm Röpkes Aufruf zur „Entpreußung“ pries. Preußen stehe der „Revolution“ und der „deutschen Wiedergeburt“ im Wege. Eine Position, die Björn Höcke, der in den letzten Tagen mit einem Hohenzollern-Wappen am Revers auftritt, nicht gefallen wird, die aber in der bayerischen AfD durchaus Freunde gewinnen könnte.

Neuer Faschismus hat historische Parallelen, ist aber doch anders

Hier geht es aber nicht um die Frage von Bayern versus Preußen. Es geht um die Frage neuer (postfordistischer) Faschismus versus alter (fordistischer) Faschismus. Und der neue Faschismus, der mit dem Proprietarismus viel gemein haben wird, ist in der AfD wieder auf dem Vormarsch.

Daher kann ich meine Warnung nur wiederholen: Wollen wir das Entstehen eines neuen Faschismus verhindern, dürfen wir uns diesen nicht mit Björn Höcke als Goebbels-Reinkarnitation mit uniformierten Massen vorstellen. Er wird wie der Faschismus der 1930er und 1940er Jahre Kernmerkmale des aktuellen Kapitalismus enthalten und entsprechend sehr viel „privatisierter“ auftreten.

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Autor*innen

Andreas Kemper recherchiert als freischaffender Soziologe zu Netzwerken der Ungleichheit und analysiert deren Ideologien. Seine kritischen Analysen zu Klassismus/Neoliberalismus (klassismus.de), Rassenbiologie und organisiertem Antifeminismus (diskursatlas.de) führten bereits im Juli 2013 zu seinem Buch „Rechte Euro-Rebellion“ zur AfD als Sammelbecken dieser Strömungen. Es handelte sich hierbei um die mit Abstand erste kritische Buchpublikation zur AfD. Kemper warnte hier nicht nur vor der Entstehung einer rechten Partei, sondern konnte auch als erster die Anschubfinanzierung durch die Finck-Gruppe genau bestimmen. Nicht zuletzt seine profunden Recherchen zu Björn Höcke (alias Landolf Ladig) führten zur Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz. Aktuell recherchiert Kemper zu „Libertarismus“, totalitär-kapitalistischen Privatstadtprojekten und schreibt an einem Buch zur Vorherrschaft des Adels im Antifeminismus („Die Aristokratie des Antifeminismus“). Im Campact-Blog schreibt er als Gast-Autor über seine aktuellen Recherchen und Beobachtungen. Alle Beiträge

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