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Atomausstieg im Bundestag: Ein erster Etappensieg – aber der Protest geht weiter

Auf 15 Metern war heute vor dem Bundestag zu lesen: „Atomkraft abschalten!“ Gut 100 Demonstrant/innen entrollten unser großes Transparent kurz vor Beginn der Bundestagsdebatte um die Novelle des Atomgesetzes. Viele hielten Schilder mit Namen der Orte hoch, wo der Konflikt um die Atomkraft auch nach dem heutigen Ausstiegsbeschluss weitergehen wird: in Gorleben, der Asse und […]

Auf 15 Metern war heute vor dem Bundestag zu lesen: „Atomkraft abschalten!“ Gut 100 Demonstrant/innen entrollten unser großes Transparent kurz vor Beginn der Bundestagsdebatte um die Novelle des Atomgesetzes. Viele hielten Schilder mit Namen der Orte hoch, wo der Konflikt um die Atomkraft auch nach dem heutigen Ausstiegsbeschluss weitergehen wird: in Gorleben, der Asse und dem Schacht Konrad, an den AKW-Standorten wie Neckarwestheim, Gundremmingen und Brokdorf und an der Urananreicherungsanlage Gronau.
Campact-Atomprotest vor dem Bundestag
Drinnen startete zeitgleich die Debatte. So hitzig sie auch zwischen Regierungsfraktionen und Opposition geführt wurde – am Ende stellte sich eine breite Mehrheit hinter den schwarz-gelben Ausstiegsfahrplan. Nur die Abgeordneten der Linken, zwei der SPD und einzelne aus den Koalitionsfraktionen stimmten dagegen, einige Grüne enthielten sich (Eine lesenswerte Begründung für sein Nein hat der SPD-Abgeordnete Marco Bülow verfasst).

Einerseits ist dieser Tag ein Riesenerfolg für die Anti-Atom-Bewegung, für den unermüdlichen Protest Hundertausender Menschen in den letzten Monaten. Acht Reaktoren gehen mit einem Streich vom Netz, die erst im letzten Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung muss Schwarz-Gelb wieder zurücknehmen. Durch eine Festschreibung eines endgültigen Abschaltdatums für jeden der neun am Netz bleibenden Reaktoren verkürzen sich die Laufzeiten sogar im Vergleich zum rot-grünen Atomausstieg, der alleine auf zeitlich beliebig streckbaren Reststrommengen basierte.
Mit dem massiven Protest der Anti-Atom-Bewegung gelang es zudem, Versuche der Atom-Hardliner in der Koalition zu vereiteln, den Ausstiegsplan zu verwässern. Die FDP konnte sich weder mit der Idee einer Revisionsklausel durchsetzen, mit der der Ausstieg 2019 nochmal überprüft worden wäre, noch gelang es ihr, ein klares Abschaltdatum für die Reaktoren zu verhindern. Auch Initiativen aus der Union für die Abschaffung der Brennelementesteuer oder die Wiederinbetriebnahme einzelner, im Zuge des Moratoriums abgeschalteter Meiler scheiterten.

Das alles sind gute Gründe die Sektkorken knallen zu lassen. Doch leider bleibt der heute beschlossene Ausstieg bei der Hälfte stecken – und das verhagelt dann doch die Feierlaune. 10 Jahre wird beim Ausstieg Pause gemacht – gerade mal drei Reaktoren sollen bis 2021 vom Netz gehen. Sechs Reaktoren sollen hingegen erst 2021 und 2022 innerhalb von 12 Monaten abgeschaltet werden – und uns bis dahin weiter völlig unnötig einem tödlichen Risiko aussetzen. Darunter der in einem Erdbebengebiet gelegene Meiler Neckarwestheim II nördlich Stuttgart sowie der Reaktor Gundremmingen C bei Ulm, der fast baugleich mit den Reaktoren in Fukushima ist.

Campact-Protest vor dem Bundestag – Fotos: Ruben Neugebauer

Wie schnell ein Ausstieg wieder kassiert ist, das hat der rot-grüne vorgeführt. Wenn sechs Reaktoren direkt nach der Bundestagswahl 2021 abgeschaltet werden sollen, dann können wir uns lebhaft vorstellen, worum sich der Wahlkampf drehen könnte – um eine Laufzeitverlängerung. Die Merkels, Röttgens, Gabriels und Trittins werden dann wahrscheinlich die aktive Politik längst verlassen haben – und damit auch ihre heutige Zusage, der Ausstieg sei unumkehrbar.

Mit dem heutigen Tag haben wir einen Etappensieg errungen – aber es gibt allen Grund weiter auf die Straße zu gehen. Nachdem der Schwerpunkt der Auseinandersetzung sich nach Fukushima um die Sicherheit der Reaktoren drehte, wird sich diese im zweiten Halbjahr auf die ungelöste Endlagerfrage verlagern. Für den Herbst plant die Regierung ein Endlagergesetz. Gleichzeitig steht ein neuer Castor-Transport ins Wendland an. Wir werden die Forderung an die Regierung richten, eine ergebnisoffene Endlagersuche nach streng sicherheitstechnischen und transparenten Kriterien zu starten und auf Gorleben als Endlagerstandort endgültig zu verzichten.

Gleichzeitig wird die Auseinandersetzung um die Sicherheit der am Netz bleibenden Reaktoren weitergehen. Die Bundesländer müssen aktiv werden und mit aufsichtsrechtlichen Bestimmungen und auf Basis des neuen, von der Regierung blockierten Kerntechnischen Regelwerks massive Nachrüstungen bei Sicherheit von den Betreibern einfordern – die als Konsequenz nur die Abschaltung der Reaktoren zulassen.

Spannend wird es zudem 2013, wenn SPD, Grüne und/oder Linke an einer neuen Bundesregierung beteiligt wären. Sie haben versprochen, den AKW-Betreibern ordentliche Daumenschrauben anlegen zu wollen – mit strengeren Sicherheitsauflagen und Nachrüstanforderungen, höherer Brennelementesteuer und Haftungsanforderungen. Wir werden sie gegebenenfalls in die Pflicht nehmen, diese Versprechen auch umzusetzen.

Zudem sollte Gronau mehr in den Fokus des Protests rücken. Dort wo Uran für Brennelemente angereichert wird und diese in die ganze Welt verkauft werden – u.a. nach Fukushima. Und wo immer wieder strahlende Transporte mit Atommüll zur äußerst zweifelhaften „Endlagern“ nach Russland geschickt werden.

Campact wird am Thema Atomkraft weiter dran bleiben und immer dann aktiv werden, wenn konkrete politische Entscheidungen anstehen. Als nächstes machen wir Druck, dass der Bau zweier Atomkraftwerke im brasilianischen Angra nicht mit deutschen Exportbürgschaften ermöglicht wird. Hier den Ausstieg aus der Atomkraft zu beschließen und gleichzeitig im Ausland den Einstieg zu finanzieren – unglaubwürdiger ginge es kaum! Nächsten Mittwoch wollen wir Wirtschaftsminister Rösler in Berlin 125.000 Unterschriften gegen die Bürgschaft überreichen. Haben Sie schon unterzeichnet?

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

6 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Hallo Leute, die Seite finde ich echt toll. Macht ganz schön was her. Aber kann mir mal jemand erklären was die echte Alternative für Atomstrom ist. Ich meine billigen Strom, der es ermöglicht, Energie für die Industrie bereit zu stellen wie die Energie für Hochöfen. Ein industriezweig der sehr viel Strom braucht.
    Windräder oder Solar hat, so wie ich das sehe, einen negative Energiebilanz. Wieviel Windräder brauche ich, um ein Windrad herzustellen? Metalle einschmelzen für den Mast und Rotoren. Wäre es nicht sinnvoller zu prüfen, ob es nicht günstigere Möglichkeiten gibt um Strom herzustellen und diese dann mit Forschungsgelder zu stützen. Ansätze wie Magnetmotor oder Kalte brüter oder andere Alternative Energien die wirklich Sinn machen? Diese Zeit, sollten wir nutzen und Alternative energiequellen zu Atomstrom, Windräder, Offshoreanlagen und Solaranlagen zu finden. Den so lange eine technik genutzt wird mit negative Energiebilanz solange werden wir sklaven von solcher Politik sein.

  2. Ich habe überhaupt keinen Grund zu feiern!
    Was soll das, wenn heute 8 Altmeiler abgeschaltet sind und uns morgen Grundremmingen oder ein anderer um die Ohren fliegt. Worin wiegen wir uns eigentlich? Sicher ist es erst wenn keiner mehr betrieben wird.
    Was schlimm ist, ist daß die Ersatz-FDP mit dem Namen die Grünen diesem windigen Gesetz zugestimmt haben. Mir ist zum kotzen bei soviel „Realos“.
    Der Tag wird kommen an dem das ganze wieder rückgängig gemacht wird erst dann merken viele vielleicht, wie wir „verarscht“ wurden.
    Was mich auch merkwürdig stimmt ist, daß z. B. Campact oder auch „die ausgestrahlten“ sich so ungemein zurückhalten nichts ist zu lesen oder zu hören zu diesem Megabetrug.

  3. Die jetzige Bundesregierung ist nicht KONSEQUENT — sie
    möchte IMMER NOCH ein Hintertürchen offenhalten.
    Vor allem für die nachfolgenden Regierungen hat sie es leicht gemacht, den Atomausstieg WIEDER UMKEHRBAR zumachen,
    denn es erfolgt leider auch keine Verankerung im GG, daß Deutschland auf Atomenergie in jeglicher Hinsicht verzichtet …
    so nach dem Motto: Ja, aber!
    Übrigens, es ist leicht GEGEN etwas zu sein.
    Wichtig ist es jetzt aber zu überlegen, wie es möglichst OHNE
    Atomkraft weitergeht: Es müßte endlich ein neues Energiekonzept her.
    Wie sieht es damit aus?! – – –

  4. „Das alles sind gute Gründe die Sektkorken knallen zu lassen. Doch leider bleibt der heute beschlossene Ausstieg bei der Hälfte stecken – und das verhagelt dann doch die Feierlaune. 10 Jahre wird beim Ausstieg Pause gemacht – gerade mal drei Reaktoren sollen bis 2021 vom Netz gehen. Sechs Reaktoren sollen hingegen erst 2021 und 2022 innerhalb von 12 Monaten abgeschaltet werden.“

    Etappensieg hin oder her – was ist in elf Jahren? Welche Parteien regieren dann und bis dahin? Werden die jetzigen Beschlüsse dann auch umgesetzt?

    Wird Energie teurer? Energiesparen soll honoriert werden! Das wurde schon einmal versprochen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. In unserem, in der mittelalterlichen Kleinstaaterei verharrendem Land, hat doch kaum jemand eine Übersicht über die Gesetze. Jeder Bundesstaat macht was er will. Sind wir wirklich ein Volk? Sparen und Erneuern. Die einfache Bevölkerung spart schon genug, weil die Energie teuer ist. Wo soll denn noch gespart werden? Am Leben?

    Geschrieben wird viel, gesagt wenig – resignieren darf man nicht – wie soll man Leben?

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