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Angst vor Demokratie: TTIP wird jetzt noch geheimer verhandelt

Einst versprach EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström noch vollmundig „die transparentesten Verhandlungen aller Zeiten“ zum TTIP-Abkommen. Doch nachdem die Journalisten des Recherchezentrums Correctiv eine große Zahl von Verhandlungsdokumenten geleakt haben, heisst es „Rolle rückwärts“. Selbst die gewählten Abgeordneten des Bundestags sollen ab sofort keine Berichte mehr über den Stand der TTIP-Verhandlungen bekommen. Sicherheitsrisiko Demokratie In einer Anweisung der EU-Generaldirektion […]

Einst versprach EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström noch vollmundig „die transparentesten Verhandlungen aller Zeiten“ zum TTIP-Abkommen. Doch nachdem die Journalisten des Recherchezentrums Correctiv eine große Zahl von Verhandlungsdokumenten geleakt haben, heisst es „Rolle rückwärts“. Selbst die gewählten Abgeordneten des Bundestags sollen ab sofort keine Berichte mehr über den Stand der TTIP-Verhandlungen bekommen.

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Cecilia Malmström, EU-Handelskommissarin. Karikatur: Campact/Zitrusblau, Martin Keune

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Sicherheitsrisiko Demokratie

In einer Anweisung der EU-Generaldirektion Handel heißt es, dass es jüngst „zu wichtigen Sicherheitslücken in Bezug auf die letzten Verhandlungsrunden“ gekommen sei. Damit sind die jüngsten Leaks des Recherchezentrums Correctiv zu TTIP gemeint. Die Handelsbehörde der Kommission unter Malmström bietet in der Anweisung den Abgeordneten und Regierungsvertretern an, „ab dem 27. Juli die Verhandlungsprotokolle ausschließlich im Leseraum der EU-Kommission in Brüssel“ einzusehen.

Bürger und Abgeordnete ein Sicherheitsrisiko? Für die Handelstechnokraten der EU-Kommission scheint also die Demokratie ein Sicherheitsrisiko. Verständlich, denn je mehr die Öffentlichkeit über TTIP erfährt, desto stärker wird mit gutem Grund der Widerstand.

Transparenz? Nur für Lobbyisten!

Auf US-Seite wird den Mitgliedern des US-Kongresses hingegen Zugang zu allen TTIP-Dokumenten gewährt, genauso wie den 600 Beratern, die auf der US-Seite die Verhandlungen begleiten. Diese Berater sind vorwiegend Lobbyisten. Zum Teil vertreten sie US-Konzerne, die in Brüssel und Washington ihre Vertretungen haben und auf beiden Seiten des Atlantiks Einfluss auf die Verhandlungen ausüben.

Während die Lobbyisten also direkten Zugang zu den Verhandlungsdokumenten haben, bleibt den Bürgern und ihren gewählten Repräsentanten, den Abgeordneten der europäischen nationalen Parlamente, nur die Fahrt nach Brüssel, um sich über die folgenreichen Verhandlungen mit den USA zu informieren. Ein Skandal!

Ein alternativer Sachstandsbericht

Doch Malmströms Geheimniskrämerei wird nicht zum Ziel führen. Aus sehr gut unterrichteten Kreisen der Zivilgesellschaft ist uns ein Sachstandsbericht Juli 2015 zu den TTIP-Verhandlungen zugespielt worden. Der Bericht führt im Detail auf, wie sehr die Verhandlungen festgefahren sind – trotz aller Rhetorik.

Sein Fazit:

Hinter den Kulissen der Verhandlungen gibt es jede Menge Streitfragen, bei denen die Positionen der EU und der USA weit voneinander entfernt sind und sich kaum bewegen. Dabei geht es keineswegs nur um die in der Öffentlichkeit besonders umstrittenen Fragen. Versuche, sich anzunähern, setzen vor allem auf US-Seite eine erhöhte Kompromissbereitschaft voraus.

Die EU-Kommission wird von ihren europäischen politischen Entscheidungsträgern immer stärker unter Druck gesetzt, angesichts des wachsenden öffentlichen Widerstands endlich Ergebnisse zu präsentieren – was die Amerikaner genüsslich ausnutzen, durch Unbeweglichkeit die EU-Kommission zu mehr Konzessionen zu zwingen, damit es vorwärts geht.

Während der bisher langsame Verlauf der Verhandlungen Grund zur Hoffnung gibt, bleibt zu befürchten, dass der von Merkel & Co. ausgeübte politische Druck auf „Fortschritte“ eines bewirkt: dass entgegen aller Beteuerungen die EU am Ende zu Konzessionen in kritischen Bereichen wie Gentechnik, Hormonfleisch, Datenschutz, Kultur etc. bereit ist. Keiner weiß, welche Bauernopfer im „endgame“ der Verhandlungen gebracht werden. Die Konzern-Lobbyisten sind auf beiden Seiten des Atlantiks jedenfalls ideal positioniert, ihre Wünsche noch durchzudrücken.

Wir können TTIP stoppen

Der langsame Verlauf der Verhandlungen gibt uns gute Chancen, TTIP zu Fall zu bringen. Dazu brauchen wir aber einen langen Atem. Als erstes gilt es nun, das Vorreiterabkommen mit Kanada (CETA) zu stoppen, das über Jahre im stillen Kämmerlein verhandelt wurde. Es ist brandgefährlich und soll schon gegen Ende dieses Jahres zur Ratifikation kommen. Unsere nächste Chance, TTIP und CETA zu stoppen, ist die große Demonstration gegen TTIP und CETA am 10 Oktober in Berlin.

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Autor*innen

Jörg Haas, Jahrgang 1961, war Campaigner bei Campact. Nach einem Berufseinstieg in die Entwicklungszusammenarbeit in einem Regenwaldprojekt in Ecuador war er lange Jahre als Ökologiereferent für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig. 2008 wechselte er als Programmdirektor zur European Climate Foundation. Intensives Engagement in den UN-Klimaverhandlungen in Kopenhagen. Ohne öffentliche Mobilisierung fehlt jedoch der Handlungsdruck - daher der Wechsel zu Campact, zuerst als Pressesprecher, dann als Campaigner. Alle Beiträge

12 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Demo in Berlin gegen TTIP

    Ich habe kein Geld für ein Ticket.
    Ich würde sehr gerne mitfahren und auf die Demo gehen, TTIP ist mir wichtig, bzw. der (vergebliche?) Kampf dagegen.
    Aber ich lebe von weniger als Hartz IV, bin auf Geld von Eltern angewiesen, die Krankenkasse will monatlich 165 Euro von mir, obwohl ich kein Einkommen habe.
    So sieht Armut (unter Akademikern) in Deutschland heute aus.

  2. Was soll man da noch sagen, bzw. schreiben, da kommt ein Ludwig v. Mises daher und steckt, alle unter einem Hut, na Bravo.
    Also v. Mises klären sie uns Unwissenden auf, da Wir nach Ihrer Meinung keine fundierte Kritik zustande kriegen.
    Nebenbei bemerkt machen die Redakteure von Campact erstklassige Arbeit, auch die anderen NGO`s die sich mit diesen Themen beschäftigen.
    Sicherlich gibt es hier auf diesem Blog „Kritiken“ die es nicht braucht, aber jeder kann seine Meinung äußern, es herrscht in Deutschland die frei Meinungsäußerung.

  3. Lustigerweise hatte ich vor knapp zwei Monaten bei unserer geschätzten Bundesregierung angefragt, warum die Verhandlungen geheim seien. Ich erhielt eine ausführliche Antwort, warum dies so sein müsse und dass man sich ja trotzdem so transparent wie möglich zeige. Heute schrieb ich nochmal. Sie mögen mir doch bitte auf die Sprünge helfen, warum jetzt plötzlich die Aufregung auf Seiten der Regierungen und Bundestagsabgeordneten so groß sei? Immerhin wurde mir ja zuvor erklärt, dass Geheimhaltung wichtiger Bestandteil einer Verhandlung ist. Warum war Geheimhaltung vor zwei Monaten noch okay und musste sein und jetzt plötzlich ist es ganz doll schlimm? Meine letzte Frage an die BR lautete dann, ob sie nun vielleicht die Skepsis von uns Bürgern gegenüber TTIP besser verstehen. Bin gespannt, ob ich auch diesmal Antwort bekomme und wie sie ausfällt. Etwas Schadenfreude kann ich mir aber ehrlich gesagt nicht verkneifen. Erst uns Bürgern gegenüber herablassend tun und dann selber aufregen…

  4. Abgesehen von TTIP und den, für uns Bürger, nur nachteiligen Verhandlungen hat mich heute morgen eine Radionachricht wieder besonders erschüttert: Unsere Energieriesen haben von uns Bürgern, die Solarenergie einspeisen, wegen des guten Sommers zuviel Energie erhalten. Was zur Folge hat (hört!hört!): aufgrund der von unserer Regierung gemachten Verträge fordern sie jetzt Schadensersatz ein, den wir Steuerzahler begleichen dürfen!
    Bodenlose Gier, menschenverachtende Politik.
    In meinem nächsten Leben werde ich Lobbyist ;-( oder Rechtsanwalt!

    Viele Grüsse
    Silvia Weinert

  5. Angesichts der Unfähigkeit vieler Menschen, auch nur die Grundzüge und Notwendigkeiten der Globalisierung zu verstehen, ist es besser, es im geheimen zu verhandeln. Hier geht es keinem um wirkliche Kritik, lediglich um das schöne Gefühl, sich kritisch zu zeigen. Schreit doch einfach bei der nächsten militärischen Intervention „Erdöl“ (egal, ob es dort welches gibt oder nicht) und fühlt euch weiter kritisch, damit wäre den Menschen geholfen, welche einen ernsthaften Diskurs führen möchten. Große Teile der TTIP-Inhalte wurden übrigens schon veröffentlicht, seltsamerweise von fast keinem gelesen, was schon darauf hinweist, dass es wirklich nicht um fundierte Kritik geht.

    Grüße von einer Ex-Kommunistin.

    • Dies ein schönes Beispiel für simple Verallgemeinerungen. „Hier geht es keinem um ….“ „von fast keinem gelesen“ Woher wollen Sie das denn wissen? Interessant fände ich auch eine Erläuterung hinsichtlich der „Grundzüge und Notwendigkeiten der Globalisierung“. Seltsamer Kommentar, der meinem Empfinden nach nicht das Geringste mit einem ernsthaften Diskurs zu tun hat, sondern nur mit Unterstellungen und Allgemeinplätzen glänzt. Sorry, just my humble opinion.

  6. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström gehört abgelöst, sie verhält sich absolut diktatorisch. Auf ihre Aussagen, die Verhandlungen transparent zu gestalten, kann man sich nicht verlassen. Ich gewinne immer mehr den Eindruck, daß sie nicht die Interessen der europäischen Bürger vertritt, sondern der verlängerte Arm der USA ist.
    Endlich reagieren unsere Bundestagsabgeordneten auch kritisch, empört, verärgert mit Bemerkungen wie „als ginge es um geheime Kriegsstrategien und nicht um internationale Handelspolitik“.

  7. Hallo Herr Haas,
    gibt es ein Konzept, die Mittelständler in den IHKen anzusprechen, deren Interessenlage zu verdeutlichen und gegen TTIP und andere Großinvestorenschutzverträge zu mobilisieren.
    Auf den Nachdenkseiten war neulich ein Hinweis darauf, wie im Beispiel der Banken die Lobbyisten der ganz Großen die Regulierer dahin drängen, dass internationale Regeln darauf ausgerichtet sind, die Großen zu schützen und die kleineren Unternehmen über die Klippe springen zu lassen.
    Das kann selbst den großen Mittelständlern, bis 10.000 Mitarbeitern oder 1 Mrd. Umsatz, nicht genehm sein.
    Viele Grüße
    Thomas Teichmann

  8. ich war nie ein Gruener,
    ich war nie ein Linker,
    ich war nie ein Rechter,
    ich war nie ein „Castor-Besetzer“,
    ich war nie mit allen Zielen von Green Peace einverstanden,
    ich war nie darauf aus, alles von Amnesty International zu akzeptieren…
    ….
    ich fuehle mich eigentlich wie ein normaler, zufriedener Buerger ?

    Eher nicht mehr, wenn ich sehe, wie diese geldgeilen und machthungrigen Lobbyisten immer mehr Land gewinnen und den normalen Buerger in die Ecke stellen.
    Angehoerige der sogenannten Eliteklassen, Leute, lasst euch eines gesagt sein, alles hat seine Grenzen. Bleibt auf eurer Seite, haut euch die neuesten Boersenergebnisse um die Ohren, esst von mir aus rohe Fischeier und trinkt sprudelnden Wein, aber haltet die Fuesse still. Lasst den normalen Buerger e x i s t i e r e n und damit meine ich in Ruhe leben. Eure Ansprueche sind nicht gleich seinen Wuenschen fuer ein bisschen zufriedenes Leben !

    Alles hat seine Grenzen ! !

    Beste Gruesse

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