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Der Trick mit dem Gentechnik-Gesetz: Ein Verbot, das keines ist

Das Bundeskabinett hat den Entwurf zum Gentechnik-Gesetz von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt gebilligt. Doch dieser Entwurf ist gespickt mit Schlupflöchern und Tricksereien: Ein bundesweites Gentechnik-Verbot wird damit quasi unmöglich. Warum wir unseren Protest vor das Bundeskanzleramt tragen – und wie es jetzt weitergeht.

Das Bundeskabinett hat den Entwurf zum Gentechnik-Gesetz von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt gebilligt. Doch dieser Entwurf ist gespickt mit Schlupflöchern und Tricksereien: Ein bundesweites Gentechnik-Verbot wird damit quasi unmöglich. Warum wir unseren Protest vor das Bundeskanzleramt tragen – und wie es jetzt weitergeht.

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Berlin vor dem Bundeskanzleramt: Schwarze Limousinen rauschen an uns vorbei. Ein Minister nach dem nächsten steigt aus. Ihr Blick fällt auf eine bunte Menschenmenge: Über 20 Campact Aktive strotzen dem ungemütlichen Herbstwetter und versammeln sich vor dem Eingang des Kanzleramtes. In ihrer Mitte unübersehbar: ein großer Flickenteppich, der von Umweltministerin Barbara Hendricks und Agrarminister Christian Schmidt (maskiert und geschauspielert) gehalten wird. Zwischen den Flicken blitzen Gentechnik-Warnungen hervor und verdeutlichen das drohende Durcheinander bei der Gentechnik.

Zahlreiche Journalisten, Kamerateams und Fotografen nehmen unsere Protestrufe auf: „Gentechnik frei – da sind wir dabei!“. Bunte Schilder, Aktive in Maiskolben-Kostümen und viele Bürger/innen sorgen dafür: So schnell kommen die Politiker/innen nicht an unserem Widerstand vorbei.

Warum der neue Gesetzentwurf Gentechnik nicht wirklich verbietet

Nach EU-Recht gibt es für die Mitgliedstaaten zwei Optionen den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu untersagen:

#1 – Hohe Hürden bei Antragstellung

Eine bestimmte Gen-Pflanze wird von einem EU-Staat für den Anbau innerhalb dieses Staates nicht zugelassen. Dazu müsste die Bundesregierung einen Antrag stellen. Das klingt einfach, ist es eigentlich auch. Aber…

  • bis es zu solch einem Antrag kommt, müssten sich sechs Bundesministerien in kürzester Zeit darauf einigen, wenn eine Mehrheit der Bundesländer dies beantragt. Auch das pro-Gentechnik eingestellte Bundesforschungsministerium müsste Ja zu einem Gentech-Verbot sagen.
  • Zusätzlich müssten die Bundesländer eine umfangreiche und wasserdichte Begründung abliefern – das ist durch das EU-Recht nicht vorgesehen und schafft eine extra Hürde.
  • Würde trotz dieser enormen Hürden ein Anbauverbot durchkommen, dann könnte schon ein einzelnes Bundesland jederzeit beantragen, ein bestehendes nationales Anbauverbot wieder aufzuheben und den Anbau einzusteigen.
2# – Regionale statt bundesweite Anbauverbote

Die Bundesregierung könnte ein nationales Anbauverbot verhängen. Doch offensichtlich sträubt sie sich dagegen. Als letzte Möglichkeit bliebe den Bundesländern dann nur noch einzelne regionale Anbauverbote in ihrem jeweiligen Land zu beschließen. Doch damit würde der befürchtete Gentechnik-Flickenteppich eintreten: Denn Pollen und Bienen machen vor Ländergrenzen keinen Halt – die gentechnikfreien Regionen würden mit Gentechnik verunreinigt werden.

Kurz gesagt: Anstatt auf ein flächendeckendes, rechtssicheres Anbau-Verbot zu setzen, schafft dieser Gesetz- Entwurf ausreichend Schlupflöcher, um dem Gentech-Anbau langfristig den Weg zu ebnen.

3# – 10 Bundesländer, Bürger/innen und auch Landwirtschaftsverbände wollen keinen Flickenteppich

Zahlreiche Umweltorganisationen fordern das, was auch 80 Prozent der Bevölkerung wollen: ein bundesweites Gentechnik-Verbot. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordert die Bundesregierung dazu auf, die Verantwortung nicht an die Bundesländer abzugeben. Und auch der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sieht den bevorstehenden Flickenteppich kritisch. Damit stehen sie aber nicht alleine da: Auch die Bundesländer sind gegen Schmidts Entwurf. Am Anfang des Jahres hat der Bundesrat ein Gesetz vorgeschlagen, das ein bundesweites Gentechnik-Verbot vorsieht. Doch Schmidt weicht diesen Plan mit seinem Entwurf wieder auf. Zehn Umwelt- und Landwirtschaftsminister der Bundesländer haben sich in einem offenen Brief an den Bundesminister gewandt – sie fühlen sich übergangen und fordern Schmidt dazu auf, das Gesetz zu überarbeiten. Denn dieser Entwurf entspricht nicht den Einigungen, die sie bereits gemeinsam getroffen haben. Das ist unsere Chance, denn das Gesetz wird als nächstes im Bundesrat beraten.

Bundesrat und Bundestag müssen sich mit dem Gesetz noch befassen

Unsere heutige Aktion war erst der Anfang. Bis das Gesetz wirklich kommt, muss es noch mehrere Hürden nehmen. Der Bundesrat wird voraussichtlich am 16. Dezember zu dem Gesetz-Entwurf Stellung nehmen. Danach muss sich der Bundestag mit dem Gesetz befassen – und der Bundesrat noch einmal die Möglichkeit Einspruch zu erheben. Umso wichtiger ist es, dass wir den Bundesländern den Rücken stärken, die für ein bundesweites Verbot einsetzen. 

Hilf mit Gentechnik richtig zu verbieten

Schon mehr als 358.000 Menschen haben den Appell für ein bundesweites Gentechnik-Verbot unterzeichnet. Mach mit:

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Autor*innen

Linda Neddermann, Jahrgang 1988, ist gebürtige Bremerin, Politikwissenschaftlerin und Tierschützerin. Seit 2016 arbeitete sie bei Campact. Von 2011-2015 war sie Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Schwerpunktthemen Jugendpolitik, Tierschutz und Strategien gegen Rechtsextremismus. Danach war Linda bei der Kinderhilfsorganisation „Aktion Hilfe für Kinder“ für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig und hat ihr Studium der Politikwissenschaft an der Uni Bremen abgeschlossen. Alle Beiträge

1 Kommentar

Kommentare sind geschlossen
  1. Gentechnikverbot sofort…

    weil in der im Oktober 2016 auf Arte gezeigten Dokumentation „Vorsicht Gentechnik?“ (http://future.arte.tv/de/gentechnik) sehr deutlich wird, welche Auswirkungen die Gentechnik auf die Menschen, Tiere und Landwirtschaft hat und wie die Profitgier mächtiger Agrokonzerne dahintersteckt. Wenn die zuständigen Minister/innen ihrer Verantwortung gerecht werden wollen, sollten sie sich diesen Film unbedingt anschauen.

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