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Bayer-Monsanto-Fusion: Interessenkonflikte in der EU-Wettbewerbsbehörde
Bei der Mega-Fusion von Bayer und Monsanto 2018 spielte möglicherweise ein Interessenkonflikt bei einem hochrangigen Beamten der EU-Wettbewerbsbehörde eine Rolle. Nur sechs Monate nach der Fusion wechselte er zu genau der Wirtschaftsberatung, die eine zentrale Studie zu der Fusion verfasst hat.
Die Mega-Fusion von Bayer und Monsanto war hoch umstritten und wurde vielfach scharf kritisiert. Die EU-Wettbewerbsbehörde hatte damals die Aufgabe zu prüfen, ob der Zusammenschluss der beiden großen Konzerne zu einer marktbeherrschenden Stellung führt und den Wettbewerb beeinträchtigt. Dabei zog sie verschiedene Studien zu Rate, unter anderem eine Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens Compass Lexecon, die im Auftrag des Chemiekonzerns BASF entstand.
Imke Dierßen ist politische Geschäftsführerin von LobbyControl. Für den Campact-Blog schreibt sie über Lobbyismus und politische Machtungleichgewichte.
Die EU-Kommission genehmigte die Fusion letztlich unter der Auflage, dass Bayer Teile seines Saatgutgeschäfts an BASF abtritt. Compass Lexecon hatte in seiner Studie dargelegt, dass es im Fall einer Fusion weiter ausreichend Konkurrenz auf den meisten Märkten geben werde. Die marktbeherrschende Stellung weniger Konzerne im Saatgut- und Pestizidmarkt spielte in der Bewertung keine Rolle.
Ein halbes Jahr nach der Genehmigung wechselte ein hochrangiger Beamter der Wettbewerbsbehörde zu Compass Lexecon. Es steht nun die Frage im Raum, ob der Beamte die Fusion möglicherweise befürwortet und dabei aus persönlichem Interesse – die Aussicht auf ein lukratives Jobangebot – gehandelt hat.
Im Vorfeld der Fusion von Bayer und Monsanto hatte auch Campact eine Kampagne gestartet. Mit Plakataktionen, Protesten und Appellen machten wir auf die möglichen Risiken der Fusion für die Zivilgesellschaft aufmerksam.
Zu große Nähe zwischen Wettbewerbsbehörde und Beratungsbranche
Auch der Spiegel hat ausführlich über diesen Fall berichtet und Fragen an die Behörde gestellt. Die Wettbewerbsbehörde bestritt jegliche Interessenkonflikte. Dabei geht es womöglich um mehr als nur einen Einzelfall. Denn die Wettbewerbsbehörde und die Wirtschaftsberatungsfirmen, die Unternehmen bei ihren Fusionen beraten, pflegen generell eine besondere Nähe.
Da wären zunächst die Seitenwechsel, bei denen Beamt:innen ihre Kenntnisse aus dem Amt und ihre politischen Netzwerke in der Privatwirtschaft zu Geld machen. Zwischen der Wettbewerbsbehörde und den Wirtschaftsberatungsunternehmen gibt es problematisch viele solcher Seitenwechsel. Die Wirtschaftsberatungen agieren dabei für die Öffentlichkeit unauffällig, sind aber in der Fusionskontrolle extrem einflussreich. Zu den Firmen gehören etwa Compass Lexecon, Charles River Associates (CRAI), Oxera oder RBB Economics. Seitenwechsel finden in beide Richtungen statt.
So ist das Team des Chefökonomen der EU-Wettbewerbsbehörde regelmäßig mit Personal aus diesen Beratungsunternehmen besetzt. Aus öffentlich zugänglichen Informationen geht hervor, dass von den 29 Beamt:innen, die für den Chefökonomen der Kartellbehörde arbeiten, fast die Hälfte (13) früher als Wirtschaftsberater:innen in der Privatwirtschaft tätig waren. Neun Mitarbeitende der Generaldirektion Wettbewerb waren früher bei CRAI, darunter der Chefökonom selbst und die beiden Referatsleiter.
Während die Beratungsunternehmen über die Seitenwechsel in Pressemitteilungen frohlocken, sieht die EU-Bürgerbeauftragte durch die lax gehandhabten Seitenwechsel die Integrität der EU-Verwaltung in Gefahr. Sie hat die EU-Kommission, die Wechsel ihrer Beamt:innen in andere Jobs genehmigen muss, 2022 zu einer härteren Gangart aufgefordert und speziell die Wettbewerbsbehörde als Problemfall benannt.
Mangelndes Problembewusstsein in der EU-Kommission
Die Generaldirektion für Wettbewerb der Kommission scheint jedoch kein Problem mit ihrer Nähe zu Wirtschaftsberatungsunternehmen erkennen zu können. So lehnt sie weiterhin jede Auskunft darüber ab, welche Rolle der Beamte bei der Bayer-Monsanto-Fusion genau hatte und ob er die besagte Studie empfohlen hat. Durch diesen fehlenden Willen zur Transparenz erhärtet sich der Verdacht eines möglichen Interessenkonflikts noch.
Wie gering das Problembewusstsein ist, zeigen weitere Beispiele: Im Jahr 2023 wollte die EU-Kommission die Beratungsfirma RBB Economics sogar mit der Überprüfung ihrer Fusionskontrollverfahren beauftragen. Die Wirtschaftsberatung hatte kurz zuvor das Unternehmen Google bei einer umstrittenen Fusion unterstützt. Nur durch die Skandalisierung des Falls durch LobbyControl und Corporate Europe Observatory zog Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager den Auftrag zurück. Das Politik-Magazin Politico enthüllte zudem, dass die Wirtschaftsberatungsunternehmen Beamt:innen der Kommission regelmäßig zu Büroeröffnungen oder exklusiven Konferenzen einluden – und dabei deren Kosten übernahmen.
Die Nähe zwischen EU-Wettbewerbsbehörde und den Brüsseler Beratungsfirmen, die Konzerne bei ihren Fusionen unterstützen, ist viel zu groß. Die EU-Kommission sollte endlich anerkennen, dass dies gravierende Folgen haben kann: nämlich Entscheidungen ihrer Wettbewerbsbehörde, die dem Gemeinwohl widersprechen. Um glaubwürdig und dem Gemeinwohl verantwortlich zu bleiben, muss sie dringend für mehr Abstand sorgen.