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Welche Auswirkungen die Europawahl auf die LGBTQIA*-Community hat

Bei den EU-Wahlen haben rechte Parteien massiv an Stärke gewonnen. Was bedeutet das für die Rechte von Queers in der EU – und wie beeinflusst die EU-Politik ihr Leben bereits jetzt?

Ein Teilnehmer der Pride in Berlin 2021 schwenkt eine Mischung aus einer Europa- und einer Pride-Flagge.
Foto: IMAGO / Müller-Stauffenberg

Einige EU-Länder gelten als die sichersten Orte für LGBTQIA* weltweit. Eine Untersuchung Europa-Sektion der Organisation „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, and Intersex Association“ (ILGA Europe) hat im vergangenen Jahr die rechtliche und gesellschaftliche Situation für LGBTQIA*-Personen in europäischen Ländern betrachtet. Dabei schneiden Malta, Dänemark, Belgien und Spanien am besten ab. Deutschland rangiert im Mittelfeld, gilt als rechtlich aber sehr sicher. Leider bedeutet das nicht, dass Europa eine diskriminierungsfreie Zone ist. Es gibt viele Länder, in denen die Tendenz zu mehr Akzeptanz geht, während andere stark in eine Anti-Queer-Richtung lenken. Lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen leiden weltweit und auch in Europa noch immer unter Diskriminierung.

Die aktuelle Lage von queeren Personen in der EU

Der Schutz der Rechte von Queers hat in der Europäischen Union einen hohen Stellenwert und geht auch zum Teil auf Richtlinien zurück, für die sich die EU in ihren Mitgliedsländern starkgemacht hat. So ist es zum Beispiel bereits seit 2003 in der EU illegal, Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung am Arbeitsplatz zu diskriminieren.

Außerdem gelten durch das Recht auf Freizügigkeit – das bedeutet, sich als EU-Bürger*in innerhalb der EU frei bewegen zu dürfen – in bestimmten Fällen die Bedingungen des Heimatlandes auch für die Partner*innen oder (adoptierte) Kinder von LGBTQIA*-Personen. Auch dann, wenn das Zielland eventuell andere Gesetze hat. So kann zum Beispiel ein in Frankreich verheiratetes homosexuelles Ehepaar nach Rumänien reisen. Dort gelten sie dann vor dem Gesetz auch als verheiratetes Paar, auch wenn Rumänien aktuell keine gleichgeschlechtlichen Ehen zulässt. Rumänien kann nicht von der EU verpflichtet werden, die Ehe für alle einzuführen. Jedoch besteht für das Land die Pflicht, eine in einem anderen EU-Staat gültig geschlossene, gleichgeschlechtliche Ehe anzuerkennen.

Mögliche Konsequenzen der Europawahl 2024

Die Europäische Union hat also einen Einfluss darauf, wie ihre Mitgliedsstaaten mit den EU-Bürger*innen umgehen. Sie kann Richtlinien vorgeben, aus denen Gesetze in den Mitgliedsländern entstehen müssen, oder Länder sanktionieren, wenn geltendes EU-Recht verletzt wird. Die EU-Rechte sind somit ein Schutzschirm, der eine generelle Richtung vorgibt. Und genau das ist der Punkt, an dem die Ergebnisse der aktuellen Europawahl ins Spiel kommen.

Queerfeindliche Tendenzen in Gesellschaft und Politik

Der Wahlkampf zur Europawahl hat bereits gezeigt: In vielen Ländern wird in Bezug auf LGBTQIA* eine Rolle rückwärts vollzogen. Das zeigt sich in Angriffen auf queere Personen, die Zunahme queerfeindlicher Hassverbrechen und der Stärkung von heteronormativen Rollenbildern bei gleichzeitiger Leugnung von Queerness. Aktuelle Beispiele aus Deutschland: In Chemnitz wurde eine Regenbogenflagge angezündet, in Boizenburg eine gestohlen, Jugendliche in rechten Chat-Gruppen fantasieren über die Vernichtung von Queers und Menschen mit Behinderung. Laut einer Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte haben zwei Drittel der Befragten in ihrem Leben bereits Hassnachrichten erhalten. In Deutschland ist die LGBTQIA*-Community etwas stärker betroffen als im EU-Schnitt: Hier erlebten 57 Prozent Belästigungen und 16 Prozent Gewalt.

Polen gilt schon länger als eines der queerfeindlichsten Länder in der EU. In Italien ist mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni jemand an der Macht, der „Nein zur LGBT-Lobby“ sagt. Und in Deutschland präsentierte der Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, mit Videos auf TikTok offensiv, dass er so gar nichts von anderen Familienkonstellationen hält, die nicht der klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie entsprechen.

Rechtsruck könnte die Lage queerer Menschen in Europa verschlechtern

Die LGBTQIA*-Organisation „ILGA Europe“ schlug bereits vor den Europawahlen Alarm: Ein Rechtsruck könnte die Situation queerer Menschen in Europa erheblich verschlechtern. Denn die bereits erwähnte Bewegungsfreiheit in ihrem ganzen Umfang gilt derzeit noch nicht für trans, inter oder nicht-binäre Menschen, sowie für Regenbogenfamilien. Als Negativbeispiel führt die Organisation Italien an: Eine unklare Gesetzeslage bei der Registrierung von Kindern gleichgeschlechtlicher Paare hat es Melonis Regierung ermöglicht, Gemeinden zu verbieten, gleichgeschlechtliche Paare als Eltern einzutragen.

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) hat vor der Wahl die Standpunkte der deutschen Parteien zu LGBTQIA*-Themen auf EU-Ebene überprüft. Abgefragt wurde, was die Parteien für LGBTQIA* erreichen wollen, zum Beispiel in Bezug auf einen neuen Aktionsplan gegen Diskriminierung, eine EU-weite Rechtssetzung gegen Hassverbrechen oder auch das Vorgehen gegen Rechtsverletzungen durch Mitgliedsstaaten.

Die Wahlprüfsteine des LSVD zur EU-Wahl: Was wollen die Parteien für LSBTIQ* in der EU tun?
Die Wahlprüfsteine zur EU-Wahl. Quelle: Lesben- und Schwulenverband Deutschland

Ein Blick auf die Tabelle zeigt: Es gibt viel zu tun. Die Union hat in Deutschland für das Europaparlament die meisten Sitze geholt; auch europaweit liegen die Konservativen vorn. Die Aussagen zu LGBTQIA*-Angelegenheiten der Union sind überwiegend „unpräzise“ – oft verweisen sie darauf, dass die Länder eigene Regelungen treffen sollen, oder die Themen finden einfach nicht statt. In Bezug auf ein individuelles Recht auf Asyl für LGBTQIA*-Personen aus Verfolgerstaaten stuft der LSVD die Aussage der Union sogar als „gefährlich“ ein. Als „gefährlich“ gilt eine Aussage in der Aufstellung, wenn sie falsche oder irreführende Aussagen zu Queerness und queeren Personen enthält.

Die AfD geht in Deutschland als zweitstärkste Kraft hervor. Auch europaweit zeigt sich ein Rechtsruck; in vier europäischen Staaten haben die rechtspopulistischen Parteien sogar die meisten Stimmen erzielt. Die Aussagen der AfD zu den vom LSVD gefragten Themen rangieren von „schlecht“ bis „gefährlich“ (jeweils 4 von 8). Dies zeigt in der Tendenz, wo es in Europa mit LGBTQIA*-Rechten hingehen könnte.

Wie geht es weiter?

Nach den EU-Wahlen fühlen wir mit all jenen, die schon in der Vergangenheit rechtsextremer Gewalt ausgesetzt waren und durch die AfD jetzt noch mehr gefährdet sind: Betroffene von Rassismus und Antisemitismus, Menschen mit Behinderung, queere Menschen – und alle FLINTA sowie alle Demokrat*innen. Die Zivilgesellschaft muss zusammenhalten und entschlossen gegen Diskriminierung, Hass und Gewalt zusammenstehen. Gemeinsam können wir Politiker*innen in die Pflicht nehmen und auf Missstände aufmerksam machen. Sei es mit Appellen, Petitionen oder öffentlichkeitswirksamen Aktionen: Wir sind viele, und wir lassen uns nicht unterkriegen!

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Autor*innen

Linda Hopius hat Wissenschaftsjournalismus, Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Als freie Journalistin schreibt sie zu den Themen Umwelt und Naturschutz. Dazu arbeitet sie als Naturmentorin in der Natur- und Erlebnispädagogik und berichtet darüber auf ihrem Instagram-Kanal @lindasnaturgeschichten. Für Campact arbeitet sie seit 2024 als freie Redakteurin. Alle Beiträge

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