Europa Klimakrise
Ergebnisse der Europawahl: Klimaschutz in Gefahr
Die Europawahl ist vorbei. Nach einem aufregenden Wahlkampf voller AfD-Skandale, Übergriffe gegen Politiker*innen und mehreren „Jahrhundertfluten“ steht fest: Deutschland und Europa rücken nach Rechts. Was das für den Klimaschutz bedeutet.
2019 wurde die Europawahl zur „Klimawahl“ – dieses Mal sieht ganz anders aus. Konservative und vor allem rechts-identitäre Parteien gehen gestärkt aus der Wahl heraus. Trotz des von Correctiv aufgedeckten Skandals um das Geheimtreffen, trotz der Russland- und China-Affären um die AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron, trotz der Beobachtung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall geht die AfD mit rund 16 Prozent als zweitstärkste Kraft aus der Wahl. In Frankreich, Österreich, Belgien und Italien räumen rechte Kräfte als jeweils stärkste Kraft ab.
Für die Klimabewegung sind diese Neuigkeiten bitter. Nach fünf Jahren, in denen die Europäische Union sich langsam aber stetig auf Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit eingestellt hatte, in denen die Kommission unter Ursula von der Leyen (CDU) den Green Deal zu ihrem größten Projekt gemacht hat, sind die Aussichten für die Zukunft ganz schön düster. Auch wenn noch unklar ist, wer mit welchen Stimmen in die Komission gewählt wird: Klimaschutz wird nach dieser Europawahl als bestimmendes Thema im EU-Parlament abgelöst. Stattdessen erstarken Parteien, die die Klimakrise leugnen und Klimaschutz aktiv untergraben und blockieren.
Wer verteidigt die Erfolge?
Das zeigt: Selbst nach den jüngsten Hochwassern, nach Dürrejahren und Sommern voller Waldbränden, ist Klimaschutz kein Selbstläufer. Die nächsten fünf Jahre werden eine harte Zeit, in der viele Erfolge der letzten Jahre unter heftigen Beschuss geraten dürften.
Wichtig ist, in der Klimapolitik die Weichen jetzt an die neue Situation anzupassen. Während rechte Kräfte energisch gegen Klimaschutz in der europäischen Politik mobilisieren, zweifeln sogar Teile der Konservativen am Green Deal. Noch sind Fortschritte beim Klimaschutz aber nicht verloren. Konservative haben den Green Deal geprägt. Als stärkste Kraft liegt es an ihnen, dieses für ganz Europa so zentrale Projekt zu verteidigen und voranzutreiben. Meinen sie es mit der „Brandmauer“ ernst, müssen sei sich auch hier von Klimawandel-Leugnung und der Untergrabung effektiver Klimapolitik aktiv abgrenzen.
EU-Parlament: Brandmauer jetzt!
CDU/CSU schließen gemeinsame Mehrheiten mit rechten Parteien im EU-Parlament nicht aus. Dabei ist eine Brandmauer jetzt wichtiger denn je. Eine Petition auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, fordert eine klare Kante gegen Rechtsaußen.
Denn trotz eines deutlichen Rechtsruck zeigen die Wahlergebnisse: Klima ist und bleibt wichtig.
Auch wenn Friedenssicherung und Migration diese Wahl bestimmt haben – die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen infolge des Klimawandels war die am zweithäufigsten genannte Sorge im Kontext der Wahl. Zählt man alle Parteien der Fraktion der europäischen Grünen zusammen, bilden sie die stärkste Gruppe unter den jüngsten Wählenden. So erreichten die Grünen und Volt zusammen 20 Prozent bei den 16-24-Jährigen. Damit liegen sie in dieser Altersgruppe vor der AfD (16 Prozent) und auch vor der Union (17 Prozent).
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die desaströsen Auswirkungen der Klimakrise immer deutlicher werden. Besonders nach den massiven Flutschäden in ganz Deutschland während der letzten Woche war der Aufschrei in der gesamten Gesellschaft groß. Und eines steht jetzt schon fest: Diese Katastrophe wird nicht die letzte bleiben. Während über die Hälfte der Deutschen Sorge haben, ihr Leben werde sich schon bald zu stark verändern, ist gerade der Klimawandel ein immer weiter wachsendes Sicherheitsrisiko für Europa, indem er Landwirtschaft schädigt, Wirtschaftsströme stört und Fluchtbewegungen antreibt.
Wer spricht fürs Klima?
Vielleicht liegt hier das größte Problem der aktuellen Europawahl. Wer ist denn heute schon die Stimme, die für Klimaschutz spricht? Aktuell beansprucht diese Rolle keine Partei glaubwürdig für sich. Gerade der Absturz der Grünen zeigt das besonders deutlich. Hunderttausende wanderten zu anderen Parteien ab oder wurden Nichtwähler. Waren die Grünen vor fünf Jahren noch die „Partei der Jungen“, haben progressive junge Menschen inzwischen oft das Vertrauen verloren und wählen mehrheitlich Kleinstparteien. Lützerath, das Ringen um das Heizungsgesetz und die Entkernung des Klimaschutzgesetzes haben das Vertrauen in die Grünen als „Klimapartei“ erschüttert. GEAS-Kompromiss, Fokus auf Sicherheitsthemen und der Ukraine-Krieg machen die Entfremdung von der eigenen Basis komplett. Wer diese Lücke überzeugend füllt, könnte bald einen wichtigen Gegenpol zur erstarkenden AfD bilden.
Aber noch ein Umstand zeigt, dass nicht alles verloren ist. Noch im Dezember und Januar war die AfD im Höhenflug, erreichte bis zu 24 Prozent in Wahlumfragen. Sechs Monate später ist sie um fast 10 Prozentpunkte abgestürzt und liefert sich wieder mit SPD und Grünen ein Rennen um Platz 2. Es wäre grundlegend falsch zu sagen: „Die Skandale, die Demos, die TikTok-Kampagnen, die haben nichts gebracht.“
Obwohl die Wahl schmerzt, ist sie auch ein Erfolg. Statt nahe an Platz 1 ist die AfD inzwischen wieder weiter abgeschlagen. Die Europawahl verzeichnet Rekord-Wahlbeteiligung. Das zeigt: Mobilisierung für die Wahl und gegen die extreme Rechte zeigt Erfolg – nur eben nicht von heute auf morgen. Gerade angesichts von Enttäuschung und Frust ist es jetzt wichtig, die Erfolge der letzten Monate nicht zu vergessen. „Wir sind mehr“, das ist nach wie vor die Wahrheit.
Erfolg gibt’s für die Hartnäckigen
Das ist vielleicht die Botschaft, die wir am ehesten aus der Europawahl mitnehmen sollten: Demokratie, Klimaschutz und eine sozial gerechte EU sind kein Selbstläufer. Sie werden es jetzt erst recht nicht werden.
Aber: Engagement für ein progressives, ein gerechtes und nachhaltiges Europa wirkt. Langsam. Mit Rückschlägen. Aber es wirkt. Dass der Weg immer weiter nach rechts keine Sackgasse ist, zeigen die Wahlergebnisse in Skandinavien nur zu gut. Das heißt: Wir brauchen gerade jetzt starke Stimmen, die sich genau dafür aussprechen. Stimmen, die linken und ökologischen Parteien den Rücken stärken, Klimaschutz voranzutreiben. Stimmen, die Klimaschutz gerade jetzt auch in konservativen Kreisen in den Mittelpunkt rücken.
„Das wird schon“, war gestern. „Aufstehen, weitermachen“, ist das Gebot der Stunde.