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5 Fails, die das Verkehrsministerium zu verantworten hat

Von Flugtaxen über PKW-Maut bis hin zur zehnspurigen A5: Im Verkehrsministerium gab es schon einige Ideen, die den Verkehr in Deutschland revolutionieren sollten. Einige ernteten Lacher, andere Empörung – oder gingen komplett daneben. Die fünf größten Fails entdeckst Du hier.

Fotomontage: Ein Portrait-Foto von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU, Amtszeit 2013-2017) ist in der rechten unteren Bildhälfte. Im Hintergrund ist eine Autobahn zu sehen. Auf dem Mittelstreifen stehen Schilder mit der Aufschrift "Maut", die zusätzlich in das Bild eingefügt wurden.
Der „Vater" der PKW-Maut, dessen Scheitern Andreas Scheuer (CSU) letztendlich ausbaden durfte: Alexander Dobrindt (CSU). Fotomontage: IMAGO / Sven Simon

Volle Züge, überfüllte Autobahnen, Luftverschmutzung durch zu viel Autoverkehr in den Innenstädten, ein unzureichend ausgebauter Nahverkehr im ländlichen Raum – das deutsche Verkehrsministerium hat so einige Baustellen, an denen es zu arbeiten gilt. Die Verantwortlichen im Ministerium, allen voran die vorsitzenden Minister, legten in den letzten Jahren einige Ideen vor, um den Verkehr in Deutschland insgesamt zu verbessern. Nicht alle dieser Ideen waren erfolgreich, einige waren regelrechte Flops. Bei anderen zeichnete sich schon in der Ideen- oder Planungsphase ab: Das kann nur ein Fail werden. Wir haben Euch fünf Beispiele aus den letzten Jahren zusammengetragen.

1. Zehnspuriger Ausbau der A5

Asphalt und Autos, so weit das Auge reicht: Mitten in der Klimakrise soll Deutschlands erste Autobahn mit zehn Spuren entstehen – entlang der A5 in Hessen. Die Idee ist zwar noch frisch, aber schon jetzt spricht einiges gegen das Milliardenprojekt. Die A5, vor allem rund um Frankfurt, gehört zu den Top 10 der am meisten befahrenen Autobahnen Deutschlands. Der Ausbau der A5 soll den Ballungsraum Frankfurt entlasten. Dabei hält sich hartnäckig der Mythos, dass mehr Straßen weniger Stau bedeuten. Das Gegenteil ist längst bewiesen: Sie führen zu mehr Verkehr – weil Autofahren dann für viele Menschen attraktiver wird. Eine Studie zeigt: Spätestens fünf Jahre nach einem Spurausbau gibt es wieder so viel Stau wie vorher.

Nein zur Mega-Autobahn!

Viele Autos stehen auf einer mehrspurigen Autobahn im Stau.

Über 200.000 Menschen unterstützen bereits einen Campact-Appell an Bundesverkehrsminister Wissing und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: Schützen Sie unser Klima und unsere Natur – erteilen Sie dem Ausbau der A5 eine klare Absage!

Eigentlich hatte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) den geplanten zehnstreifigen Ausbau der A5 im vergangenen Jahr aufgegeben. Doch nun hat die bundeseigene Autobahn GmbH eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht und verkündet: Sie arbeite bereits an einem Konzept für den A5-Ausbau. Wissing selbst hat sich zu den neuen Plänen noch nicht öffentlich positioniert. Seine Haltung lässt sich aber erahnen – die Autobahngesellschaft liegt schließlich in der Verantwortung des Bundesverkehrsministeriums.

2. Flugtaxen

Flugtaxen werden seit Jahren als ein wichtiges Verkehrsmittel der Zukunft angepriesen, vor allem von liberalen Politiker*innen. 150 Millionen Euro Steuergelder wollte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) in die Entwicklung von Flugtaxen investieren. Tatsächlich sollte das ganze Geld an nur ein Unternehmen fließen: Volocopter. Untypisch für den Verkehrsminister, der sich bei gezielten Subventionen sonst zurückhaltend zeigt.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC hatte Wissing frühzeitig davor gewarnt, so viel Geld zu investieren. Das Land Baden-Württemberg hatte sich bereits im Vorfeld geweigert, eine Bürgschaft für das Unternehmen zu übernehmen. Der Grund: Die Investition schien einfach zu riskant, weil nicht klar war, ob die Flugtaxis profitabel betrieben werden können. Als die Pläne an die Öffentlichkeit kamen, wurde schnell Unmut laut. Nach nur wenigen Tagen unterstützen bereits über 100.000 Menschen eine WeAct-Petition, die Wissing auffordert, kein Steuergeld in Flugtaxen zu investieren. Welche wenigen Vorteile und wie viel mehr Nachteile Flugtaxen haben, hat Blog-Autor Matthias Flieder in seiner Kolumne erklärt.

3. Maut für PKW oder „Ausländer-Maut“

Seit 2019 ist sie endgültig vom Tisch: Im Grunde wurde seit den frühen 2000ern über eine PKW-Maut diskutiert, oft auch in Verbindung mit einer Privatisierung von Autobahnen selbst oder Baumaßnahmen auf ihnen. Wahlkampfthema wurde die Maut erstmals bei der Bundestagswahl 2013. Der damalige Parteivorsitzende der CSU, Horst Seehofer, machte sich vor allem für eine „Ausländer-Maut“ stark: Deutsche müssten schließlich in vielen europäischen Ländern Maut zahlen, dann sollten andere das auch in Deutschland tun. Nach der Wahl sprachen er und der neu ernannte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dann von einer geplanten „Infrastrukturabgabe“ – gemeint war im Kern das gleiche Konzept.

Schon früh gab es Hinweise, dass eine solche Maut weder finanzierbar noch mit EU-Recht vereinbar wäre; weil sie In- und Ausländer unterschiedlich behandeln würde. Sowohl Seehofer als auch Dobrindt ignorierten die Warnungen von Kritikern und Parteikollegen gleichermaßen. Auch der nachfolgende Verkehrsminister, Andreas Scheuer (CSU) ignorierte die Bedenken und plante die Einführung der Maut für spätestens 2020. Tatsächlich stufte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die geplante Maut im Juni 2019 als diskriminierend ein. Geklagt hatten die Verkehrsministerien Österreichs und der Niederlande. Die Pläne von Dobrindt und später Scheuer waren somit erledigt.

Teures Detail: Verkehrsminister Scheuer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Auftrag zur Erhebung der Maut vergeben und zwei Betreibern zugesichert. Auch hier hatte er die Bedenken der Firmen ignoriert, wollte aber erst das Urteil des EuGH abwarten. Als dieses kam, kündigte er noch am selben Tag die bereits geschlossenen Verträge, ohne mit den Unternehmen weiter über mögliche Alternativen, zum Beispiel eine Klima-Maut, zu sprechen. Den Steuerzahler*innen kommt dieser verkehrspolitische Totalausfall trotzdem teuer zu stehen: Denn die Betreiber-Firmen klagten auf Schadenersatz- und Entschädigungszahlung. Sie hätten schließlich bereits Ressourcen in Aufbau und Vorbereitung der Maut gesteckt und andere Projekte abgelehnt. In einer Einigung vor dem Schiedsgericht bekamen die Betreiber im Sommer 2023 schließlich 243 Millionen Euro zugesprochen; dazu kamen 30 Millionen Euro Rechtskosten – Geld, dass der aktuellen Bundesregierung nun fehlt.

4. Selbstverpflichtungen der Autohersteller zu mehr Sorgfalt und Verantwortung

Und noch einmal Dobrindt. Nach seinen vier Jahren als Verkehrsminister (2013–2017) hat der CSU-Mann keinen wirklich guten Eindruck hinterlassen. Auf sein Konto geht (mindestens) ein weiteres Versagen: sein Umgang mit dem Abgasskandal im Jahr 2015. In diesem hatten mehrere Autohersteller (darunter VW, Porsche, Opel, Mercedes und Audi) bei den Grenzwerten für Autoabgase manipuliert und politische Lobbyarbeit betrieben, um ihr Vorgehen abzusichern.

Alexander Dobrindt hätte als amtierender Bundesverkehrsminister diese Situation nutzen können, um hart gegen die Autobauer durchzugreifen. Und tatsächlich brachte er eine Untersuchungskommission auf den Weg, die genauer hinschauen sollte, wie die Hersteller manipulieren konnten und warum das nicht aufgefallen war. Doch es dauerte lange, bis die Kommission Ergebnisse vorlegte. Später stellte sich zudem heraus, dass die Kommission mit Fachleuten aus dem Verkehrsministerium und dem Kraftfahrtbundesamts (KBA) bei der Untersuchung eng mit den Autoherstellern zusammengearbeitet hatte; kritische Passagen wurden gestrichen. Konsequenz aus dem Untersuchungsbericht: Dobrindt einigte sich mit den Automobilherstellern auf ein paar freiwillige Rückrufaktionen und forderte Selbstverpflichtungen von den Autoherstellern ein. Nachsicht und Verständnis für Abgassünder statt Strafen und Auflagen – ein weiterer Flop des Verkehrsministeriums.

5. Kürzungen im Budget für Radwege

Hier haben der amtierende Bundesfinanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing (beide FDP) gemeinsam einen Fail produziert. Obwohl die Ampelregierung eine „Ausbauoffensive für den Radverkehr“ beschlossen hat und Wissing ein „Fahrradland“ als Ziel nennt, wird beim Ausbau von Radwegen ordentlich gespart. Während 2022 rund 750 Millionen Euro und 2023 noch 560 Millionen Euro für die Radinfrastruktur in Deutschland zur Verfügung standen, wurden für 2024 nur noch rund 400 Millionen Euro genehmigt. Damit hat sich die Förderung von Radwegen innerhalb von zwei Jahren fast halbiert. Lindners Begründung: Alle Bereiche müssten einen Sparkurs fahren. Das Verteidigungsbudget ist jedoch davon ausgenommen.

Einen ungewöhnlichen Weg für mehr Sicherheit für Radfahrer*innen geht der „Anzeigenhauptmeister“:

Im vergangenen Sommer mobilisierte Campact gegen die geplanten Kürzungen. Innerhalb von wenigen Tagen unterzeichneten Zehntausende Menschen einen Appell an Finanzminister Lindner mit der Aufforderung, nicht beim klimafreundlichsten Verkehrsmittel, dem Fahrrad, zu sparen. Trotzdem setzte die Regierung die Kürzungen im Bereich Radinfrastruktur durch. Ein Fail, das auf Kosten aller Verkehrsteilnehmer*innen, insbesondere aber der Radfahrer*innen in Deutschland geht.


Campact setzt sich auch weiterhin für eine klimafreundliche und sozial verträgliche Verkehrspolitik ein. Ob Radverkehr, am Menschen orientierte Städteplanung, die katastrophale Klima-Bilanz des Verkehrssektors oder das Deutschlandticket (bzw. 49-Euro-Ticket) – Campact ist in den Debatten immer ganz vorne mit dabei. Denn der Verkehr in Deutschland macht knapp zwanzig Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus. Darum streitet Campact seit Jahren für eine echte Verkehrswende. Abonniere den Newsletter, um auch weiterhin über aktuelle Themen informiert zu bleiben.

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